Hermann Giesecke

Autorität muss erworben werden. Familie als soziale Lebensform (2006)

In: Religion heute, H. 66/Juni 2006, S. 92- 99

          © Hermann Giesecke


Die Familie gerät immer dann in die öffentliche Diskussion, wenn sie bestimmte Erwartungen nicht erfüllt. Gegenwärtig wird beklagt, dass - insbesondere im akademischen Milieu - zu wenig Kinder geboren werden. Seit PISA wissen nicht nur die Experten, dass bildungsferne Familien in der Regel auch bildungsferne Kinder aufziehen, Lehrer monieren, dass die Kinder, wenn sie in die Schule kommen, die dafür nötigen sozialen Verhaltensweisen zu Hause nicht gelernt haben. Aber die Öffentlichkeit einschließlich der Politik interessiert sich in Wahrheit gar nicht für die Familie als besondere Sozialform, für deren Substanz und Struktur oder gar für deren Probleme, sondern lediglich für die Resultate ihrer Leistung nach außen.

Familie in der ökonomisierten Gesellschaft

Für die Wirtschaft ist die Familie z.B. ein wichtiger kollektiver Konsument, der deshalb unablässig mit Werbebotschaften bombardiert wird. Sie ist der soziale Ort des täglichen Fernsehkonsums, Adressat einer inzwischen unübersehbaren Ratgeberliteratur, die im Wettbewerb der Autoren und Verlage immer etwas Neues auf den Markt bringen muss, ob es nun hilft oder nicht. Sie wird benutzt als Begründung und Legitimation für sozialpolitische Entscheidungen - auch dann, wenn diese ihr eher schaden als nutzen. Inzwischen sind 1,5 Millionen Kinder auf Sozialhilfe angewiesen - mit steigender Tendenz.

In Zeiten strikter Kosten-Nutzen-Kalküle und rastloser Effizienzsteigerungen, des siegesgewissen Sozialabbaus und des Verscherbelns öffentlicher Einrichtungen an private Investoren gilt die Familie trotz aller gegenteiligen Beteuerungen als Sand im Getriebe, als Gebilde aus einer fernen Welt. Der jahrelange geduldige und fürsorgende Umgang mit Kindern ist betriebswirtschaftlich gesehen ein Flop, der wenig einbringt, aber viel kostet. Selbst unter der Rubrik "Humankapital" ist die Familie nicht angemessen unterzubringen. "Arbeitsmarktflexibilität", deren Idealbild das bindungslose, räumlich wie zeitlich uneingeschränkt verfügbare Individuum ist, ist Familien mit Kindern nur sehr begrenzt möglich.

Wer heute über die Sozialform Familie und damit auch über ihre pädagogischen Leistungen urteilen will, muss in Rechnung stellen, dass der ökonomische Zeitgeist, der alle Bereiche der Gesellschaft erfasst hat, für sie keinen rechten Platz hat, weil er die Eigenart der nicht in erster Linie ökonomisch definierten sozialen Gebilde im Grunde nicht verstehen und deshalb auch nicht angemessen bewerten kann. Dieses Schicksal teilt die Familie inzwischen mit Schulen, Hochschulen, Krankenhäusern und Altersheimen. Anders wäre das nur in einem Gesellschaftsbild, das die verschiedenen gesellschaftlichen Bereiche und deren eigentümliche Regeln und Normen als Eigenwert, als Selbstzweck, akzeptieren und damit die Dominanz der Ökonomie in ihre Grenzen weisen würde, wie es etwa in den christlichen Soziallehren gefordert wird und wie es wenigstens der Idee nach im früheren Konzept der "Sozialen Marktwirtschaft" auch praktisch vorgesehen war.

In unserem gegenwärtigen Gesellschaftssystem hat die Familie also keinen respektierten Ort, das Aufziehen von Kindern keinen Prestigewert mehr - das ist ihr eigentliches Problem. Diese Tatsache kann auch nicht dadurch aus der Welt geschafft werden, dass finanzielle oder sonstige Zuwendungen an sie erhöht werden; denn erstens können diese jederzeit je nach politischer Beschlusslage widerrufen werden und zweitens würde ihr Ansehen dadurch keineswegs gehoben, weil sie gleichwohl im Status des Kostgängers verharren würde, der von anderer Leute Arbeit oder Kapital lebt.

Familie, das Leben mit Kindern, ist folgerichtig zur Privatsache geworden wie der Kauf der einen oder anderen Automarke. Sie hat sich in diesem Privatisierungsprozess individualisiert, wird nicht mehr

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kollektiv gestützt, kontrolliert und geschützt durch übergreifende Milieus etwa des Bildungsbürgertums, des Katholizismus, Protestantismus oder der Arbeiterbewegung, die durch ihre Normen familiärem Handeln Orientierung und damit auch die Möglichkeit der Anerkennung gaben. Abgesehen von Migrantenfamilien, deren oft archaischer Bindungscharakter andere Probleme aufwirft, ist jede Familie heute weitgehend auf sich allein gestellt. Das hat Folgen für ihre pädagogische Reichweite, von der nun die Rede sein soll. Diese Reichweite wird vor allem durch zwei Faktoren bestimmt: durch den sozialen Horizont der familiären Gemeinschaft selbst und durch die Autorität der Eltern gegenüber den Kindern; beides muss, wie sich zeigen wird, zusammen gesehen werden.

Autorität als soziale Kategorie

Autorität ist im Kern eine soziale und erst abgeleitet davon auch eine personbezogene Kategorie. Sie bildet sich im Rahmen von sozialen Verbänden oder Gemeinschaften und muss von den anderen, die sich in diesem Bezugssystem bewegen, anerkannt werden können. Dies geschieht in der Regel dann, wenn die betreffende Person das Selbstverständnis dieser Sozialität überzeugend repräsentiert. Ihre persönliche Autorität beruht dann darauf, dass sie diese allgemeinen Aufgaben in der ihr möglichen individuellen Version erfüllt.

Autorität können Eltern also nur dann gewinnen, wenn sich ihr Handeln im Rahmen des Wertbewusstseins ihrer Familie bewegt, fehlt ein solches, kann sich Autorität allenfalls gewaltsam Geltung verschaffen. Ohne diesen kollektiven Bezug verschwindet die elterliche Autorität im emotionalen Dickicht der unmittelbaren persönlichen Beziehungen zwischen ihnen und ihren Kindern, wovon folgerichtig in der Ratgeberliteratur zentral die Rede ist. Im traditionellen Verständnis von Elternautorität ist der Rahmen jedoch weiter gespannt, erstreckt sich auch auf die Vertretung solcher kollektiv gebilligter Werte, die über den sozialen Horizont der eigenen Familie hinaus eine Verbindung zum allgemeinen gesellschaftlichen Leben und zu dessen Normen und Regeln herstellen. In dieser Verknüpfung sah man lange den Kern ihrer erzieherischen Aufgabe: Erziehung in der Familie war demnach zugleich zumindest die Grundlage für Erzogensein in der Öffentlichkeit. Von dieser Gleichsetzung gehen öffentliche Meinung, Politik und auch die Pädagogik weiterhin mehr oder weniger selbstverständlich aus. Die Frage ist jedoch, ob diese Vorstellung generell noch der Realität entspricht.

In der individualisierten Familie, die auf sich allein gestellt ist, die sich kaum noch auf stützende Milieus verlassen und in ihren Räumen auch beim besten Willen nicht die draußen dominanten ökonomischen Werte vorleben und vertreten kann, entschwindet mehr und mehr auch Autorität im traditionellen Sinne. Dieser Zusammenhang sei an einem Beispiel erläutert.

Wenn in Familien der Mittelschicht das Gespräch auf die Kinder kommt, hört man immer wieder Klagen über deren Lehrer. An ihnen wird kaum ein gutes Haar gelassen, die Kinder lernen angeblich zu wenig bei ihnen und sie haben kein Verständnis für die Einzigartigkeit des jeweiligen Sprösslings. Die Kinder nehmen solche Urteile natürlich mit Interesse und Zustimmung zur Kenntnis. Sind sie erfolgreich in der Schule, sind sie es trotz ihrer Lehrer, haben sie Schwierigkeiten, dann wegen ihrer Lehrer. Es gibt inzwischen in diesen Kreisen ein selbstverständliches Bündnis der Eltern mit ihren Kindern gegen die Lehrer, aus dem nicht selten sogar gerichtliche Einsprüche etwa gegen Zensuren oder Sitzenbleiben folgen. Derartige Interventionen mögen im Einzelfalle durchaus gerechtfertigt sein, beruhen sie aber auf einer generellen, den Kindern bekannten und diesen gegenüber immer wieder betonten Einstellung, wird dadurch die Autorität der Schule und ihrer Lehrer systematisch untergraben. Die darin zum Ausdruck kommende Demontage des Ansehens von Schule und Lehrern liegt durchaus im Trend der veröffentlichten Meinung, ist hier aber nicht unser Thema.

Für unseren Zusammenhang ist vielmehr von Interesse, dass dadurch zwar die Autorität der Schule als Institution angegriffen, die der Eltern aber keineswegs gestärkt wird, wie diese vielleicht vermuten. Was nämlich auf den ersten Blick als Eintreten für die Interessen des Kindes erscheinen mag, verrät eher die Scheu, Konflikte mit den Kindern in der Familie auszutragen und durchzustehen, wodurch man sich eigene Autorität auf Kosten einer anderen zu verschaffen hofft. So erscheint in der Logik der familiären Individualisierung die Schule den Eltern einseitig als eine Dienstleistung für die Förderung der Subjektivität ihrer Kinder. Tatsächlich jedoch muss die Schule im Auftrag der Gesellschaft Forderungen an die Kinder stellen, wie sie die Erwachsenen ähnlich etwa an ihrem Arbeitsplatz vorfinden. Weder hier noch dort kann es einfach darum gehen, die Bedienung persönlicher, subjektiver Bedürfnisse und aktueller Gestimmtheiten zu erwarten. Die Autoritätsverluste der Schule und der Familie gehen Hand in Hand, weil in beiden Fällen der Bezug auf etwas Objektives, Überindividuelles verloren gegangen ist. Statt dessen wird das einzelne Kind zum zentralen Bezugspunkt, was sich in manchen Konzepten der Schulpädagogik bereits so niederschlägt, dass eigentlich jeder Schüler ein eigenes Lernprogramm haben müsste. Diese radikale Individualisierung löst das pädagogische Geschehen aus seinen sozialen Kontexten, was im Übrigen durchaus den ökonomischen Vorstellungen von Flexibilität entspricht, für die schließlich jede soziale Bindung eine Einschränkung bedeutet.

Das Entschwinden der sozialen Dimension im erzieherischen Diskurs bis in pädagogische Theorien hinein führt aber zu einer Abwertung des Erziehungsbegriffs selbst, weil Erziehung faktisch eine soziale und erst sekundär eine psychologische Tatsache ist. Erziehung kann sich nur konkret auf die jeweiligen sozialen Formationen beziehen, also auf

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das jeweils zugängliche private und gesellschaftliche Leben etwa in Familie, Schule oder im Rahmen der Öffentlichkeit. Was die Erziehung fordert, muss unmittelbar und erfolgreich sozial praktizierbar sein, Erziehung ist keine Aufforstung der Innerlichkeit auf Vorrat - das ist ein Missverständnis einer bestimmten protestantisch-aufklärerischen pädagogischen Tradition. Bildung dagegen - z.B. durch Schulunterricht - kann diese aktuelle soziale Grenze übersteigen und durch entsprechende Reflexionen die Unmittelbarkeit des Daseins und damit auch die sie bestimmenden gesellschaftlichen Normen und Werte in Frage stellen. Aufklärung durch Bildung in diesem Sinne ist immer auch subversiv gegen erzieherische Ansinnen und vermag vorher selbstverständliche Loyalitäten zu relativieren. Erziehung ist als Modus sozialer Reproduktion nötig, seit es Menschen gibt, Bildung dagegen - jedenfalls Bildung für alle - ist ein Luxus, eine historisch relativ junge Zutat, die einerseits einen gewissen volkswirtschaftlichen Reichtum, andererseits ein Leben im Rahmen von Optionen - also einen hinreichend großen tatsächlichen Handlungs- und Entscheidungsspielraum - voraussetzt.

Unter den hier kurz skizzierten Bedingungen, unter denen Familien heute existieren, darf man also keine illusionären Erwartungen an deren Erziehungsfähigkeit stellen - ganz abgesehen davon, dass die Individualisierung der Familie zu einer Vielzahl von Formen und Variationen geführt hat, die nur schwer auf einen Nenner zu bringen sind. Erziehung in der Familie kann sich zunächst einmal nur auf diese selbst beziehen, auf das Zusammenleben in ihrem Rahmen, und nur von daher lässt sich auch die dafür nötige Autorität der Eltern ableiten. Demgemäß kann die Gesellschaft nicht mehr generell erwarten, dass die Familie auch wesentliche öffentliche Erziehungsaufgaben übernimmt, diese müssen vielmehr von außerfamiliären Einrichtungen wie der Schule geleistet werden. Mit anderen Worten: Auch die Schule muss wie in anderer Weise die Familie diejenigen erzieherischen Grundbedingungen erst einmal selbst herstellen, die sie für ihren öffentlichen Auftrag benötigt. Deshalb kann die Schule auch nicht einfach nur die erzieherische Arbeit der Familie fortsetzen, vielmehr muss sie diese ergänzen und gegebenenfalls auch korrigieren.

Familie als Sozialität

Die individualisierte und deshalb auch in gewissem Sinne egoistische, auf sich selbst bezogene Familie der Gegenwart hat als Sozialität vor allem zwei pädagogisch relevante Interessen, aus deren Verwirklichung sich erzieherische Autorität der Eltern bilden und in den Augen der Kinder auch legitimieren könnte: das Interesse an innerem Zusammenhalt (Harmonie) und an der Karriere der Kinder.

Erstaunlicherweise scheint trotz der allgemeinen Kritik an der Familienerziehung die Mehrheit der Familien als soziale Gemeinschaft zu funktionieren - sonst gäbe es sie gar nicht. Die dort erworbenen bzw. aktivierten Verhaltensweisen können also im Binnenverhältnis nicht allzu kontraproduktiv sein. Die eher negative Wahrnehmung von außen deckt sich offenbar nicht unbedingt mit der Selbsteinschätzung. Das deutet darauf hin, dass die Erziehung innerhalb der Familie erst dann als Problem empfunden wird, wenn das Zusammenleben selbst als bedroht erscheint. Ärger der Nachbarschaft über unerzogene Kinder oder Unmut der Schule über deren Verhalten muss den internen sozialen Frieden nicht unbedingt tangieren. Das Sich-Wohlfühlen innerhalb der Familie kann auf verschiedene Weise erreicht werden - bis hin zu pathologischen Formen, die oft lange unerkannt bleiben. Innere Konflikte können unter den Teppich gekehrt oder nach außen gewendet werden. Dazu passt das schon erwähnte Bündnis zwischen Eltern und Kindern gegen die Lehrer; diese Art von 'Außenpolitik' vermag wie im politischen Leben innere Konflikte leicht zu überdecken und so paradoxerweise die Familie sozial zu stabilisieren. Auch die häufig zu findende Tendenz, den Wünschen der Kinder - vor allem im Hinblick auf den Konsum – weitgehend nachzugeben, kann intern durchaus funktionieren. Ob das, was die Kinder dabei lernen, für ihr Leben außerhalb der Familie, etwa in der Schule, von Nut-

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zen ist, ist ein Problem, dass sich innerhalb der Familie nicht unbedingt stellen muss. Leicht können dabei natürlich auch Einstellungen entstehen, die außerhalb der Familie nicht erfolgreich sind. Wenn ein Kind z.B. in der Familie nicht dazu angehalten wird, die Verantwortung für seine Fehlleistungen zu übernehmen, oder wenn es dort ohne Rücksicht auf andere wie ein Konsumprinz leben darf, erwirbt es damit keine Verhaltensweisen, die in der Schule erfolgreich sein können. Aber im Familienleben selbst muss das nicht unbedingt auffallen. Anders gesagt: Kinder lernen in der Familie zunächst einmal nur das, was sie dort auch brauchen, und das hängt davon ab, wie die Familie im Einzelnen sozial konfiguriert ist. Wie und warum sollten Kinder zum Beispiel Rücksichtnahme lernen, wenn sie dort nicht von ihnen erwartet wird?

Das zweite Interesse der Familie - an der Karriere der Kinder - ist zumal in Mittelschichtfamilien weiterhin stark ausgeprägt. Mit der Aussicht auf eine gute materielle und statusgemäße Zukunft, für die in der Gegenwart Opfer zu bringen sind, legitimierte sich immer schon insbesondere die väterliche Autorität. Aber sie kann nichts dergleichen mehr versprechen. Die ökonomisierte Gesellschaft, die geradezu auf der Verunsicherung aller Lebensperspektiven beruht, hat diese Quelle von Autorität weitgehend verschüttet, weil sie niemandem mehr eine entsprechende Sicherheit für die Zukunft zu garantieren vermag, für die andererseits Verzichte unter dem Anspruch von Erziehung und Bildung lohnend und deshalb zumutbar erscheinen können.

Das Interesse an der Zukunft der Kinder ist je nach Einkommen, sozialem Status und Milieu ohnehin in höchst unterschiedlichem Maße zu beobachten und zu realisieren. Zudem muss allen Beteiligten - Eltern wie Kindern - Zukunft als eine den Alltag leitende Zeitkategorie bewusst sein und in der Lebenspraxis entsprechend ernst genommen werden, insofern etwa aktuelle Bedürfnisse und Wünsche ohne allzu große Frustration auf später verschoben werden können. Eine solche Grundeinstellung kann nicht in jedem Fall erwartet werden, zumal es dafür wenig Unterstützung von einer auf aktuelle Bedürfnisbefriedigung ausgelegten Konsum- und Unterhaltungsindustrie gibt, deren Botschaften zudem in der Gleichaltrigenszene und demgemäß auch unter Schülern unermüdlich reproduziert werden.

Selbst wenn jedoch die Familie die künftige Karriere ihrer Kinder im Blick hat, folgen daraus noch nicht unbedingt bestimmte erzieherische Konsequenzen. Dass dafür etwa gute Manieren im Umgang mit anderen Menschen erforderlich sind, wird nur dann zwingend, wenn die Umwelt - etwa die Schule - nachdrücklich danach verlangt. Geht der maßgebliche pädagogische Zeitgeist jedoch wie heute davon aus, dass es statt dessen auf die inneren Werte des Kindes, auf die Entwicklung seines Ich, seiner Kreativität, seiner Spontaneität ankomme, wird Höflichkeit nicht gerade im Mittelpunkt der familiären Erziehung stehen und für das Auftreten etwa in der Schule auch nicht unbedingt eingeübt. Wird zudem Leistung in der Schule nicht in erster Linie vom eigenen Kind, sondern von der professionellen Qualität seines Lehrers erwartet, wird das Kind kaum zur Leistungsbereitschaft animiert werden. Umgekehrt kann von den Eltern ein zu starker Leistungswille ausgehen, der das Kind überfordert, es z.B. in eine falsche, seinen Fähigkeiten nicht angemessene Schullaufbahn zwingt. Da jedoch inzwischen das Abitur als die einzig halbwegs zuverlässige Brücke in die Zukunft gilt, geht seit langem von der bürgerlichen Mittelschicht ein stillschweigender Druck aus, die schulischen Leistungsanforderungen durch deren angeblich "moderne" Neuinterpretation so weit zu senken, dass möglichst alle ihre Kinder ihnen gerecht werden können. Auf diesem Hintergrund lässt sich auch der Erfolg bestimmter reformpädagogischer Konzepte verstehen, die als pädagogisch scheinbar begründete Rechtfertigung dafür in Anspruch genommen werden.

Dennoch wird es selbst in bildungsnahen Familien immer schwieriger, die viele Jahre währende Durststrecke der schulischer Bildung und Ausbildung von den Kindern einzufordern und aus dieser Strategie auch noch elterliche Autorität abzuleiten - ganz zu schweigen von bildungsfernen Familien, die möglicherweise auch noch am Rande des Existenzminimums leben müssen.

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Eine sozial fundierte und insoweit objektiv begründbare Autorität der Eltern gegenüber ihren Kindern ist also fast nur noch durch ihre Tätigkeit innerhalb der Familie zu gewinnen, die von den Kindern entsprechend wahrgenommen wird: Was leisten die Eltern für diese individuelle Familie wirtschaftlich, sozial und emotional? Diese Basis von elterlicher Autorität ist nicht gering zu schätzen, aber doch auch weit entfernt von dem, was gemeinhin von Familien erwartet wird.

Niemand gründet eine Familie, um dadurch Renten zu sichern, der Wirtschaft eine Reservearmee von möglichst qualifizierten Arbeitnehmern zu liefern, die Deutschen nicht aussterben zu lassen oder den Lehrern bildungswillige Schüler zu übergeben. Ihr Sinn besteht vielmehr einzig darin, eine bestimmte Lebensform von Erwachsenen und Kindern als Selbstzweck zu initiieren. Wer diese Lebensform von außen für seine Zwecke steuern will, muss eben entsprechende Angebote machen, so dass z.B. mehr Kinder in die Welt gesetzt werden. Wenn die Gesellschaft mit dem Resultat familiärer Sozialisation und Erziehung nicht zufrieden ist, muss sie eben öffentliche Angebote, möglicherweise auch Zwangsmaßnahmen, zur Ergänzung und Korrektur einrichten, aber es führt zu nichts, den Familien ständig Wünsche und Forderungen zuzuleiten, die entweder nicht in ihrem Lebenshorizont liegen, oder von ihnen beim besten Willen nicht (mehr) erfüllt werden können.

Nimmt man die Reduktion auf die individualisierte Familie ernst, dann können sich daraus durchaus pädagogische Chancen ergeben. Dazu ist aber nötig, vom Charakter dieser sozialen Gemeinschaft her zu denken.

Die Familie ist primär eine eigentümliche Lebensgemeinschaft, in der Kinder mit Erwachsenen rund um die Uhr und auf Dauer zusammenleben. Sie kann mit keiner anderen Sozialform gleichgesetzt werden, die wir sonst im gesellschaftlichen Leben finden. Ihr vorrangiger Zweck ist, ein befriedigendes Alltagsleben ihrer Mitglieder zu organisieren und diese ganzheitlich so zu akzeptieren, wie sie sind. Insofern ist sie in erster Linie Ort vielfältiger personaler Ein- und Rückwirkungen. Erziehung in der Lebensform Familie ist dabei eher eine notwendige Begleiterscheinung, eine Implikation, weil sonst die Gestaltung eines befriedigenden Zusammenlebens nicht gelingen könnte. Sie muss im Rahmen der Gestaltung des gemeinsamen Lebens gleichsam selbstverständlich erfolgen, wo und wie die Situation es jeweils gebietet. Erziehung ist hier Intervention von Fall zu Fall in das Verhalten der Kinder, das im ganzen jedoch nicht planmäßig hergestellt wird. Gerade in der Familie brauchen Kinder auch einen breiten Raum undiskutierten und nichtpädagogisierten Lebens.

Die Öffentlichkeit sieht jedoch in der Familie primär eine Erziehungsinstitution, die eigentlich nur zum Zwecke der Kindererziehung überhaupt existiere und deshalb bei ihrer Aufgabe entsprechend planmäßig vorzugehen habe. Aber die Familie ist auch der Lebensmittelpunkt der beteiligten Erwachsenen, die - im Prinzip unabhängig von den Kindern - ein Recht auf ein befriedigendes Leben miteinander haben. Nehmen sie einander nicht so wahr, sondern zentrieren sie ihr Leben zu sehr um das Kind, droht die Familie als soziale Organisation zu zerbrechen. So hat die Familienforschung entdeckt, dass die Paarbeziehung nach der Geburt eines Kindes oft derart Schaden nimmt, dass die Ehe zu scheitern droht. Auch das Kind hat letzten Endes nichts davon, wenn es zu sehr im Mittelpunkt des elterlichen Interesses steht.

Pädagogische Konsequenzen

Ein tragfähiges pädagogisches Selbstverständnis der Familie lässt sich also nur finden, wenn sie sich als soziale Einheit begreift, die mehr ist als die Summe der in ihr ablaufenden Einzelbeziehungen; diesen fehlt für sich genommen eine übergeordnete Orientierung, wie sie für eine auf Dauer gestellte und Konflikte im Sinne eines gemeinsamen Wohls regelnde elterliche Autorität benötigt wird. Die Familie als Sozialität lässt solche pädagogischen Gesichtspunkte in den Blick treten, die nicht persönlicher Willkür oder modischen Einfällen des Pädagogik-Marktes entspringen, sondern folgerichtig aus dem Zusammenleben selbst hervorgehen:

- Respekt vor unterschiedlichen Interessen. Das Kind muss lernen, Respekt vor den eigentümlichen Interessen und Bedürfnissen der anderen Mitglieder zu entwickeln, gerade weil sie nicht mit den seinen identisch sind. Die eigenen Wünsche und Bestrebungen werden dann teils als gemeinsam geteilte, teils als partikulare im Hinblick auf die der anderen Mitglieder erfahren. Elterliche Autorität ergibt sich dabei in dem Maße, wie es gelingt, innerhalb der Familie ein System von sozialen Werten zu schaffen, deren Sinn und Nutzen die Kinder aus eigener Erfahrung einsehen können. Dabei sei jedoch nicht verschwiegen, dass eine so erworbene Autorität immer prekär bleibt, wofür die hohe Zahl der Ehescheidungen ein deutliches Signal ist.

- Erfahrung menschlicher Komplexität. Das Familienleben enthält vielfältige Erfahrungsmöglichkeiten: Die Art und Weise des Umgangs miteinander, die gemeinsamen Tätigkeiten, die wirtschaftliche und finanzielle Lage, gesundheitliche und berufliche Belastungen, Nöte und Konflikte und anderes mehr. Die Familienmitglieder agieren miteinander oder gelegentlich auch gegeneinander, handeln Interessen aus, treffen Vereinbarungen, finden Zustimmung oder Kritik, werden unterstützt oder enttäuscht, fühlen sich glücklich oder traurig. Ob dieses Leben dauerhaft von allen Beteiligten als zufriedenstellend erlebt wird, ist objektiv nicht messbar, nur subjektiv zu beurteilen. Wenn alle sich im Allgemeinen wohl fühlen und gern nach Hause kommen, darf man wohl von einem gelungenen Familienleben sprechen. Von selbst entsteht es jedoch nicht, alle müssen durch ihren Einsatz dazu beitragen, dass es gelingt. Gleichwohl bleibt der subjektive Maßstab des Gelingens brüchig, weil zum einen - wie bereits erwähnt - die Harmonie unerkannt pathologisch fundiert sein kann und weil zum an-

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deren alle Beteiligten älter werden und sich dabei möglicherweise so verändern, dass die Harmonie Risse bekommt oder gar zerfällt. Der pädagogisch relevante Kern der Familie ist jedenfalls ihre innere Organisation: wie dabei jeder zu seinem Recht kommt - die Kinder ebenso wie die Erwachsenen - , wie Zeit und Geld miteinander geteilt und Zuständigkeit für die Familienarbeit geregelt wird.

- Werterfahrungen. Wie jede soziale Einheit beruht auch die Familie auf einem Fundament von Werten, Normen und Regeln, die von den Mitgliedern geteilt werden. Eine solche Basis ist keineswegs bei der Gründung bereits vorhanden, sondern muss im Laufe der Entwicklung der Familie erst geschaffen und für deren individuelle Eigenart konkretisiert werden. Fehlen diese gemeinsamen Orientierungen, bricht auch die soziale Organisation auf Dauer zusammen - was natürlich auch dann geschieht, wenn die Eltern sich selbst nicht daran halten. Für die Klärung dieser vielfach schwierigen internen Prozesse können kaum noch selbstverständliche Traditionen bemüht werden, wie sie etwa früher von den Großeltern auf die Eltern, also in der Folge der Generationen, übermittelt wurden. Die Individualisierung der modernen Familie hat eine solche Transmission weitgehend abreißen lassen. Rat und Orientierung nehmen die jungen Eltern weniger von ihren Eltern oder vom Pfarrer als vielmehr von sich auf Wissenschaft berufenden, jedenfalls professionell erscheinenden Autoren entgegen, die den angeblichen Stand der medizinischen und psychologischen Wissenschaften flüssig aufs Praktische hin zu präsentieren scheinen. Aber spätestens angesichts von Konflikten und Krisen wird eine Besinnung auf die eigenen Prinzipien ("Wie wollen wir miteinander leben?") nötig, und Autorität erwerben die Eltern in solchen Situationen dadurch, dass sie eine Lösung auf dem Boden des gemeinsamen Wohls zu finden suchen.

- Mitverantwortung. Ökonomisch gesehen ist die Familie ein Haushalt, für den alle Mitglieder, auch die Kinder, nach ihren Kräften verantwortlich sind; Einnahmen und Ausgaben müssen ausbalanciert werden. Wenn Kinder nicht daran gewöhnt werden, sich auf die eine oder andere Weise an der Familienarbeit zu beteiligen, wachsen sie als bloße Nutznießer der Arbeit der anderen auf und werden dadurch faktisch aus der Familiengemeinschaft ausgeschlossen. Für jede menschliche Gemeinschaft gilt nämlich, dass ihre Mitglieder nur insofern in ihr geachtet und anerkannt sind, als sie für das Ganze, für das gemeinsame Wohl, einen eigenen Beitrag leisten. Erwartet man das von Kindern nicht, machen sie sich falsche Vorstellungen über die materiellen und sozialen Grundlagen ihrer Existenz, indem sie etwa Verwöhnung als ihr selbstverständliches Recht ansehen. Umgekehrt erwächst aus der Erfahrung, für die anderen gebraucht zu werden, soziale Anerkennung und daraus wiederum Selbstbewusstsein.

- Umgang mit Mangel an Zeit und Geld. Jede Familie steht vor dem Problem, immer wieder Einnahmen und Ausgaben zur Deckung zu bringen. Zu verwalten ist dabei stets ein Mangel, kein Überfluss; Überfluss wäre Schlaraffenland. Kinder müssen also lernen, die Kategorien des Mangels und der Verteilung in ihr Bewusstsein zu übernehmen. Daraus folgt: Sorgsam mit Sachen umgehen, eigene Wünsche und Erwartungen mit denen der anderen Mitglieder in eine Balance bringen, Verzichte zu Gunsten anderer leisten, eigene Wünsche - sofern sie Geld kosten - nach Wichtigkeit für die

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Familie einerseits und für sich selbst andererseits differenzieren.

Leider spielt der ökonomische Aspekt in pädagogischen Erörterungen zur Familienerziehung - vor allem auch in der Ratgeberliteratur - kaum eine Rolle, obwohl doch faktisch die finanziellen Ressourcen dem Familienleben entscheidende Bedingungen setzen - wo man wohnen, was man sich leisten, wie man Freizeit und Urlaub gestalten kann. Der viel beklagte Markenterror in der Schule hätte keine Chance, wenn die Familien andere Prioritäten setzen würden. Möglicherweise scheuen sich Eltern oft, ihre finanziellen Grenzen nach außen wie auch gegenüber ihren Kindern zuzugeben. Oder sie halten in bildungsbürgerlicher Tradition Geld für zu geistlos, als dass es für pädagogische Argumentationen brauchbar sein könnte. Vielleicht geben sie auch zähneknirschend kleinbei, um ihren Kindern etwa in der Schule Konflikte mit ihren Mitschülern zu ersparen. So oder so werden jedoch bedeutsame Chancen einer realistischen Erziehung verpasst. Die Kategorie des Mangels ist nicht nur eine objektive Vorgabe für jede Familie, sie muss auch ins Bewusstsein der Kinder eindringen können, damit sie daraus Folgerungen für ihre Lebensperspektive ziehen können. Der Familienhaushalt ist ein wichtiger Erziehungsfaktor.

Auch Zeit ist in der Regel eine Mangelware. Die Zeit, die die Eltern durch ihre Berufsarbeit für die Einnahmen des Familienhaushalts aufwenden müssen, steht für anderes - auch für die Kinder - nicht zur Verfügung steht. Nicht nur Geld, sondern auch die gemeinsame Zeit muss - als Mangel - demnach in der Familie bewirtschaftet werden. Für die Kinder verschärft sich das Problem noch, wenn beide Eltern berufstätig sind. Auch mit diesem Mangel müssen Kinder jedoch leben lernen, was einschließt, dass die Erwachsenen so viel Zeit wie möglich für den Umgang mit den Kindern - von diesen kalkulierbar - einplanen. Grundsätzlich jedoch ist Mangel an Zeit - wenn nicht längere Arbeitslosigkeit ganz andere Probleme schafft - eine nicht hintergehbare ökonomische Tatsache, die die Kinder mehr und mehr als solche begreifen müssen.

Diese knappen Andeutungen zeigen, dass man sich realisierbare Erziehungsaufgaben der Familie nicht aus den Fingern saugen muss, dass sie vielmehr in der Sozialform selbst angelegt und zu deren Selbsterhalt nötig sind; Erziehung in der Familie ist demnach Teil ihrer sozialen Reproduktion - man könnte auch sagen: ihres Selbsterhaltungswillens. Erstaunlicherweise spielt dieser Gesichtspunkt in den aktuellen pädagogischen Erörterungen kaum eine Rolle, vielmehr dominieren immer noch psychologisierende Beziehungsaspekte. Erst die Debatte über notwendige Grenzsetzungen scheint eine Neubesinnung einzuleiten. Würde der soziale Gesichtspunkt auch nur einigermaßen zur Geltung gebracht, könnte auch die individualisierte Familie gleichsam beiläufig immer noch einen wichtigen Beitrag für ein angemessenes Verhalten der Kinder in der Öffentlichkeit und in der Schule leisten.

Das gilt erst recht, wenn die Eltern über den Familienbezug hinaus ihre Kinder beim Hineinwachsen in die Öffentlichkeit abgewogen beraten, indem sie dort gültige Normen und Regeln erklären und zur Geltung bringen. Gelegenheiten dazu finden sich viele. Normalerweise sprechen die Familienmitglieder miteinander über das, was sie erlebt und erfahren haben. Auch die Erlebnisse und Erfahrungen der Kinder aus Schule oder Freizeit können auf diese Weise aufgegriffen werden. Dabei muss es nicht immer harmonisch zugehen, auch Meinungsverschiedenheiten und Auseinandersetzungen können geboten sein - solange das, was die Kinder einbringen, ernst genommen wird. Wie problematisch das

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jedoch werden kann, haben wir am Beispiel der Kritik an der Lehrern bereits gesehen. Eine generell abwertende Kritik hilft den Kindern nicht, außerhalb der Familie eine realistische Lageeinschätzung zu finden, die sie zu erfolgreichem Handeln führen kann. Ohnehin können die Eltern in den Gesprächen mit ihren Kindern nur diejenigen Erfahrungen und Kenntnisse einbringen, über die sie verfügen. Deren Art und Umfang sind in den einzelnen Familien höchst unterschiedlich ausgeprägt. Zwar spielt der Bildungsstand eine wichtige Rolle, aber auch eine hohe formale Bildung schützt nicht unbedingt vor falschen Weltbildern, die dann an die Kinder weitervermittelt werden. Deshalb kann die öffentliche Erziehung sich darauf auch nicht verlassen.

Sollen solche Gespräche fruchtbar sein, bestehen sie in einem Austausch von Erfahrungen, so dass beide Seiten - Eltern wie Kinder - einen Gewinn davon haben. Die Erwachsenen haben zwar im allgemeinen größere Erfahrungen als die Kinder, aber sie können andererseits von den Sichtweisen ihrer Kinder lernen, warum diese dieselben Sachverhalte und Situationen oft anders erleben als Erwachsene. Wenn die Erwachsenen den eigentümlichen Zugang der Kinder zur Welt nicht wichtig nehmen, können sie mit ihnen auch keine ernsthaften Gespräche führen, sondern laufen Gefahr, die Äußerungen der Kinder nur zum Anlass für die Ausbreitung ihrer eigenen Weltsicht zu nehmen. Den Kindern genau und geduldig zuzuhören - wie dem erwachsenen Partner auch - beruht also nicht auf einem pädagogischen Trick, sondern erwächst aus dem dialogischen Charakter eines jeden ernsthaften Gesprächs. Kinder ernst nehmen heißt aber auch, ihnen zu widersprechen, wenn sie - aus Mangel an Erfahrung, aus Zorn oder Enttäuschung - wichtige Signale des Lebens nicht richtig deuten.

Solange die Kinder klein sind, können Eltern ihre physische und psychische Überlegenheit notfalls auch mit Gewalt durchsetzen. Autorität erwächst ihnen daraus nicht. Sie wird auch nicht mehr verliehen durch äußere Instanzen, durch gesellschaftliche Selbstverständlichkeiten oder umgebenden Milieus, sie muss vielmehr erworben werden - durch die sinnfällige Organisation des gemeinsamen Wohls innerhalb der Familie und durch vernünftige und beratende Deutungen der Erfahrungen, die die Kinder außerhalb der Familie machen. Nötig dafür ist jedoch eine Blickwendung weg von den Beziehungskisten und dem von außen angesonnenen emotionalen Kitsch hin zur Familie als sozialer Lebensform, in der es sich lohnt, Verzichte zu leisten, Rücksicht zu nehmen und für die anderen da zu sein. Dafür ist die elterliche Autorität unentbehrlich, nur sie kann ein solches Programm durchsetzen. Gelingt dies, dann lohnt es sich auch, für bessere Rahmenbedingungen gegen den ökonomischen Zeitgeist politisch zu streiten.

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