Hermann Giesecke:

Was kann die Schule zur Werteerziehung beitragen? (2004)

In: Gruehn, Sabine/Kluchert, Gerhard/Koinzer, Thomas (Hrsg.): Was Schule macht. Schule, Unterricht und Werteerziehung: theoretisch, historisch, empirisch. Achim Leschinsky zum 60. Geburtstag. Weinheim/Basel 2004, S. 235-246

© Hermann Giesecke


Obwohl die Sozialforschung immer wieder betont, dass in den letzten Jahrzehnten kein Werteverfall, sondern ein Wertewandel stattgefunden habe, hat die öffentliche Diskussion über die moralischen Werte, denen die Menschen folgen oder jedenfalls folgen sollten, einen überwiegend negativen Tonfall, nämlich im Sinne eines Werteverlustes. Das Thema scheint die Öffentlichkeit überhaupt nur in diesem Sinne zu interessieren, obwohl das Wort "Wert" ja eigentlich positiv besetzt ist. Folgerichtig wird in der gegenwärtigen Debatte dieser negative Akzent mit einer ganzen Reihe von Krisenphänomenen verbunden: Untergrabung des Gemeinsinns, Triumph der Ellenbogengesellschaft, einseitige Freizeit- und Spaßorientierung, Verlust moralischer Standards, ausufernder Individualismus und Egoismus. Diese Klagen werden meist begleitet von der Forderung, die Schule solle sich dieser Entwicklung widersetzen und wieder so genannte "positive Werte" vermitteln.

Das muss sie offensichtlich aber erst einmal innerhalb ihrer eigenen Mauern versuchen. "Knigge kommt an die Schule" hieß es unlängst frohlockend in einem Zeitungsbericht über das neue Unterrichtsfach UBV ("Umgang, Benehmen, Verhalten"), das ein Schulleiter in den fünften Klassen seiner Bremer Schule - ausdrücklich unterstützt vom zuständigen Schulsenator - erteilt. Auf dem Programm stehen u.a. Grüßen und Türaufhalten, das Anklopfen lernen, bitte und danke sage oder wie man Lehrer richtig anspricht. Der Initiator begründete diesen Schritt damit, dass der Umgangston an seiner Schule schlimm sei, es werde distanz- und respektlos miteinander umgegangen, Sanktionen wie Rüge und Tadel und selbst blaue Briefe hätten längst keinen Erfolg mehr, die Lernatmosphäre sei durch diesen Umgangsstil erheblich beeinträchtigt. Gebraucht würden wieder Werte wie Fleiß, Pünktlichkeit, Respekt und Höflichkeit.

Dieser Bedarf ist keineswegs auf Bremen beschränkt. Auch andere Bundesländer überlegen, ob ein Benimm-Unterricht Besserung versprechen könnte. Zum Ausdruck kommt darin einerseits Hilflosigkeit im Umgang mit der sozialen Verwahrlosung an nicht wenigen Schulen, die seit Jahren bekannt ist, nun aber offensichtlich auch die öffentliche Diskussion erreicht hat; andererseits wird der Ruf nach einer neuen oder wenigstens erneuten "Werteerziehung" als Gegenmittel laut. Allmählich wird der Öffentlichkeit klar, dass die schlechten Ergebnisse deutscher Schüler im internationalen Vergleich, wie sie unter anderem die PISA-Studien festgestellt haben, nicht nur durch einen besseren Unterricht - was immer darunter zu verstehen sein mag - korrigiert werden können, sondern auch einer Verhaltensänderung in vielen Schulen bedürfen.

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Nun ist das Thema vorzüglich für Wunschbilder geeignet, die des Beifalls aller Gutgesinnten sicher sein können. "Wir brauchen eine verbindliche Wertordnung als Basis unserer persönlichen Lebensgestaltung wie auch unseres sozialen Verhaltens - und wir müssen diese feste Wertorientierung an unsere Jugend weitergeben ... . Interessiert und aufgeschlossen, kompetent und kritikfähig, selbständig und zukunftsorientiert, zuverlässig und leistungsbereit – und all das auf der Basis einer verbindlichen Wertorientierung" sollen die Kinder und Jugendlichen sein bzw. werden; so formuliert das Bayerische Kultusministerium. Aber darüber, wie das in der Praxis erreicht werden soll, schweigen sich die Wunschbilder aus.

Dieser Frage sollen die folgenden Überlegungen in einer knappen Skizze nachgehen. Der Ansatzpunkt dafür ist ein pragmatischer, weil schon aus Raumgründen auf die Klärung grundsätzlicher Vorfragen verzichtet werden muss. Was Werte "eigentlich" sind, wie ihr Verhältnis zu Moral und Ethik im Einzelnen zu bestimmen ist, wird nicht thematisiert. Vielmehr wird für unmittelbar evident gehalten, dass der Aufbau verinnerlichter und zunehmend stabiler Wertorientierungen, die das Handeln wenn auch nicht in jedem Einzelfall, so doch in einem strategischen Sinne zu steuern vermögen, ein wichtiger Teil der Bildungsprozesse bei Kindern und Jugendlichen ist. Welchen Beitrag kann die Schule im Rahmen ihrer Möglichkeiten zu diesem Wertbildungsprozess leisten?

Beim Versuch einer Antwort darauf müssen von vornherein einige Einschränkungen ins Auge gefasst werden, um naheliegende Illusionen zu vermeiden.

1. Die Werteorientierung von Kindern und Jugendlichen speist sich aus vielen Quellen, die Lehrer nur zu einem eher geringen Teil beeinflussen können; manches davon ist auch einem modischen Verschleiß oder altersbedingten Vorlieben unterworfen. Beteiligt daran sind alle sozialen Orte, in denen sich die Kinder bewegen, und nicht zuletzt die Massenmedien. Werteorientierung entsteht im Rahmen der gesamten Sozialisation. Lehrer können also den Prozess der Wertbildung bei Schülern nicht herstellen, sondern nur ergänzend und korrigierend in ihn eingreifen. Was immer in diesem Zusammenhang pädagogisch bewirkt werden soll, es kann sich stets nur um Interventionen in innere Prozesse handeln, die zu jedem Zeitpunkt des pädagogischen Handelns bereits stattgefunden haben. Erzieherische Einwirkungsmöglichkeiten ergeben sich überhaupt nur im Rahmen pädagogisch definierter sozialer Orte wie etwa Familie, Schule sowie der Kinder- und Jugendarbeit - auf die anderen sozialen Orte, die die Wertbildung nachhaltig prägen, haben Pädagogen keinen Einfluss. Selbst die Intentionen der verschiedenen pädagogischen Orte sind nicht unbedingt kongruent, die Absichten der Lehrer können z.B. durch dem entgegenstehende Tendenzen in den Familien konterkariert werden. Insofern ist geboten, lediglich von einem Beitrag zu sprechen, den die Schule in diesem Zusammenhang zwar leisten, dessen Erfolg sie aber weder kalkulieren noch garantieren kann.

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2. Die Schule als Institution ist für die Beantwortung der letzten Fragen des menschlichen Lebens nicht zuständig - vom konfessionell orientierten Religionsunterricht einmal abgesehen. Die Lehrer sind wegen des aus dem weltanschaulichen Pluralismus resultierenden Neutralitätsgebots vielmehr beruflich gehalten, auf einer Ebene unterhalb der weltanschaulichen Grundentscheidungen zu operieren. Was Werte eigentlich sind und welche die richtigen sind, kann die Schulpädagogik ebenso wenig wie die Erziehungswissenschaft entscheiden. Je höher die Reflexionsebene wird – etwa in Grundsatzfragen der Ethik hinein – um so weniger gibt es Konsens selbst in den dafür zuständigen Wissenschaften. Was aber in der Gesellschaft strittig ist, kann die Schule zwar im Unterricht aufgreifen und bearbeiten, aber nicht unstrittig machen. Es geht offensichtlich nicht einfach darum - wie die Öffentlichkeit oft meint - , für richtig gehaltene Werte zu propagieren und sie in die Köpfe und Herzen der Schüler hinein zu transportieren. Zwar ist die Schule als öffentliche Institution gebunden an die Vorgaben der Verfassung, an die allgemeinen Gesetze und damit auch an diejenigen Werte und Normen, die darin zum Ausdruck kommen. Aber diese Dimension ist für den Schulalltag und überhaupt für das Alltagsleben der Schüler im allgemeinen relativ abstrakt und deshalb peripher.

3. Der Wertbildungsprozess findet im Inneren der Person statt und ist deshalb als solcher von außen nicht erkennbar. Nur insofern sich die jeweils vertretenen Werte im sozialen Handeln beziehungsweise Verhalten sowie in entsprechenden Argumentationen konkretisieren, sind sie nachprüfbar wahrzunehmen. Nur daran kann die Schule sich orientieren, indem sie sich darauf bezieht und versucht, im Sinne einer Hilfe zur Wertbildung Einfluss zu nehmen. Deshalb ist Werteerziehung in der Schule im Kern Kritik der Argumentationsweisen der Schüler einerseits und ihres Verhaltens andererseits. "Kritik" meint dabei nicht persönliches Heruntermachen, sondern im ursprünglichen Wortsinne Aufklärung durch Unterscheiden und Beurteilen, was durchaus ermutigende Unterstützung bisher erworbener Standards einschließen kann.

Es geht demnach darum, zwei pädagogische Aufgaben im Zusammenhang zu sehen, die gemeinhin als voneinander verschieden gelten: "soziales Lernen" bzw. Sozialerziehung einerseits und Werteerziehung andererseits. "Werte" werden von Kindheit an nicht philosophisch abstrakt, sondern durch soziales Handeln wahrgenommen, und die mit diesem Handeln notwendig verbundenen Auseinandersetzungen mit sozialen Regeln bzw. Normen führen zu teils unbewussten, teils auf Einsicht beruhenden Wertvorstellungen – überwiegend durch bloße Sozialisation, aber auch durch Erziehung in den pädagogischen Feldern. Umgekehrt stellt sich für das Kind schon früh heraus, dass erfolgreiches soziales Handeln einer Wertorientierung bedarf, auf die die Partner des Handelns sich verlassen können. Werte werden also vor allem dadurch gelernt, dass persönliche Bestrebungen auf Grenzen – nämlich auf Regeln und Normen – stoßen und sich daran abarbeiten müssen. Aus der Sicht des Kindes ist seine Innerlichkeit primär, tatsächlich ist es jedoch das Soziale. Damit es diesen Zusammenhang versteht, muss es über seine Erfahrungen reflektieren,

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sich Gedanken machen. Dafür braucht es die Hilfe von pädagogisch denkenden Erwachsenen wie Eltern und Lehrer, Sozialisation allein reicht nicht aus.

Werteerziehung in der Schule ist auf diesem Hintergrund keine besondere oder gar neue Aufgabe, für die es einer speziellen Ausbildung, eines besonderen Faches oder Lehrplans bedürfte, sondern nur die besondere Betonung von etwas, was in der Schule sowieso geschieht beziehungsweise geschehen sollte. Dies zu betonen ist deshalb wichtig, weil sonst die Gefahr besteht, dass die Bildungspolitik - von der öffentlichen Meinung gedrängt – lediglich in Aktionismus verfällt, der der Sache nicht dienen kann, oder dass das Thema wie üblich durch einen Wust von pädagogischen oder für pädagogisch gehaltener Statements, Begründungen, Bedenken und Abwehrmechanismen erstickt wird – was als Reaktion auf die Benimm-Initiative sich bereits abzeichnet.

Wie also kann die Schule zum Prozess der Wertbildung ihrer Schüler beitragen? Das kann auf vier Ebenen erfolgen, nämlich auf der Ebene des Unterrichts, des Vorbilds der Lehrer, der Normen der Institution und der Schulkultur. In der Praxis verschmelzen diese Ebenen zwar miteinander, sie sollten aber dennoch analytisch getrennt werden, weil ihnen eine je besondere Reichweite und Legitimation eigen ist.

Unterricht

Die Unterrichtsstoffe selbst berühren in jedem Schulfach unausweichlich Werte und Normen, also Fragen des guten und richtigen Lebens. Diese müssen nur aufgegriffen werden, wo sie sich implizit zeigen. Sie gehören keineswegs nur in spezielle Fächer wie Religionsunterricht oder "Werte und Normen", deren besondere Bedeutung nicht geleugnet werden soll, hier aber nicht weiter thematisiert werden kann. Werteerziehung in der Schule heißt in erster Linie, die werthaltigen Aspekte der Sachverhalte wieder stärker in den Mittelpunkt des Unterrichts zu rücken. Das war eigentlich immer schon im Begriff des bildenden Unterrichts enthalten, insofern dieser den Schülern helfen sollte, ihre Subjektivität durch die Begegnung mit kulturellen Objektivationen herauszuarbeiten. Gemeint ist damit nicht eine von außen herangetragene Moralisierung der Stoffe, die in der Regel von Schülern innerlich abgewehrt wird, vielmehr geht es um sachbezogene Reflexion. Das didaktische Struk-

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turmuster dafür ist die Konfrontation. Das heißt: Die bisherige Wertbildung der Schüler - wodurch immer sie erfolgt ist - wird konfrontiert mit solchen Werten und Normen, die im sachorientierten Unterricht - etwa in einem literarischen Text - zum Vorschein kommen. Die Konfrontation schafft die nötige Distanz, um Auseinandersetzungen über Wertfragen führen zu können, deren Ergebnis vielleicht die kritische Revision oder die neu erarbeitete Bestätigung des bisherigen eigenen Standpunktes ist. Das setzt jedoch voraus, dass nicht die aktuellen Befindlichkeiten der Schüler das Maß der Dinge sind. Vielmehr sind es die dem gegenüber fremden und widerständigen geistigen Ansprüche, die von den Stoffen und damit auch von der natürlichen und kulturellen Wirklichkeit ausgehen. In der Auseinandersetzung damit werden die Schüler mit Werten konfrontiert, an denen sie sich abarbeiten können, umgekehrt stellen sich ihnen dabei möglicherweise Fragen, die sie von sich aus an die moralische Qualität der Stoffe richten. Der Unterricht trägt also nicht schon dadurch zur Wertbildung bei, dass Meinungen über aktuelle Befindlichkeiten und deren Bewertung mit dem mehr als wahrscheinlichen Resultat ausgetauscht werden, dass jeder das kund gibt, was er sowieso schon weiß, und insofern keinen Anlass sieht, seine eigenen Wertvorstellungen für sich zur Debatte zu stellen. Möglich ist das vielmehr nur dann, wenn eine Sache bearbeitet werden muss, die sich nicht den gemeinsamen Meinungen verdankt, sondern diese zu transzendieren vermag. Hier, im Unterricht, ist auch der Ort für in die Tiefe gehende Reflexionen über grundlegende Fragen der Moral und Ethik, wie sie sich einerseits von den dafür geeigneten Stoffen, andererseits vom jeweiligen Interesse und Fassungsvermögen der Schüler aus anbieten. Die Frage ist nur, ob auch genügend Zeit für gemeinsames Nachdenken und Argumentieren zur Verfügung steht. Genau genommen lehrt die Schule keine Werte, sie übt deren Reflexion. Das Ergebnis ist folglich prinzipiell offen - sowohl auf der sachlichen Ebene, wo es um unterschiedliche Interpretationen geht, die argumentativ entschieden werden müssen, als auch im Hinblick auf die Ebene der subjektiven Aneignung. Ein so verstandener Unterricht kann zur Wertbildung beitragen, darf diese aber nicht präjudizieren wollen. Die Chancen zum wiederholten und systematischen Nachdenken über Werte und Normen, die der Unterricht bereitstellen kann, bieten sich Schülern kaum in ihrem sonstigen Lebensumfeld.

Lehrervorbild

Die Gelegenheiten zum "Nachdenken" müssen jedoch durch professionelles "Vorleben" unterstützt werden. Die Rede ist vom Vorbild der Lehrerinnen und Lehrer: Wie sie mit Schülern kommunizieren und sich Konflikten stellen, sich fachlich und didaktisch präsentieren, selbst mit dem geistigen Gehalt ihrer Stoffe umgehen, zwischen persönlicher Meinung und sachlicher Information unterscheiden, mit Stärken und Schwächen von Schülern hantieren, sich kommunikativ und ästhetisch inszenieren – davon können bedeutsame Vorbildwirkungen ausgehen, auch wenn das nicht immer offensichtlich ist. Hier geht es ebenfalls nicht um eine besondere oder

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gar neue Aufgabe, sondern um etwas, was ohnehin zum professionellen Selbstbild von Lehrern gehört und vielleicht nur wieder stärker ins Bewusstsein treten sollte. Schon im Rahmen der Familie und auch in der Schule hat Wertbildung in einem hohen Maße mit der Qualität erlebter personaler Beziehungen zu tun. Wer etwas lernen und können will, orientiert sich an solchen Personen, die das, was man selbst anstrebt, bereits erreicht zu haben scheinen. Dazu gehören für alles, was sich in der Schule ereignen kann, im guten wie im schlechten Sinne auch die Lehrer. Diese werden, ob sie wollen oder nicht, von den Schülern immer auch als Personen wahrgenommen, nicht nur als so genannte Arrangeure und Moderatoren von Lernprozessen - wie es im neudeutschen Schuljargon heißt. Es widerspricht der grundsätzlich gebotenen weltanschaulichen Neutralität der Schule auch nicht, dass der Lehrer als Person seine eigene Position in moralischen Fragen in argumentativer Form, also nicht bloß als Bekenntnis, offenbart - zumal dann, wenn er von Schülern ausdrücklich danach gefragt wird. Das setzt natürlich voraus, dass die Lehrer selbst ein reflexives Verhältnis zu den Werten finden, die in ihren Unterrichtsstoffen enthalten sind.

Die Erwartungen an das Vorbild der Lehrer dürfen jedoch nicht überzogen werden, sie sind vielmehr zu binden an seine professionellen Aufgaben. In der Vergangenheit wurden sie – sowohl im Selbstbild als auch im Fremdbild - viel umfassender verstanden, nämlich bezogen auf seine gesamte Lebensführung. Diese Auffassung entsprach den Bedingungen einer relativ geschlossenen sozialen Welt, wie sie früher etwa in Dorfgemeinschaften zu finden war, wo das Private - etwa das Familienleben - durchaus öffentlichen Charakter trug, eine Ehescheidung zum Beispiel als untragbar galt. Heute wissen Schüler kaum etwas über das außerschulische Leben und Verhalten ihrer Lehrer, und wenn sie es wüssten, kämen sie kaum auf den Gedanken, ihn sich dafür zum Vorbild zu nehmen.

Normen der Institution

Die beiden eben genannten Ebenen der Werteerziehung - der normative Gehalt der Schulstoffe und das Vorbild der Lehrer - können den Schülern im Sinne einer Einwirkung nur angeboten werden, es steht ihnen aber frei, sie zu akzeptieren oder auch nicht. Kein Schüler kann gezwungen werden, einen bestimmten Lehrer als Vorbild zu betrachten oder einen bestimmten Stoff im Sinne des Lehrers für seine eigene Wertbildung zu deuten; beides ist vielmehr bestimmt durch individuelle Weisen der Aneignung und Verarbeitung.

Die dritte Ebene der pädagogischen Einwirkung auf den Wertbildungsprozess beruht hingegen auf verbindlichen Erwartungen. Es geht um die Beachtung derjenigen Grundregeln, die in der Schule als Institution gelten müssen, weil sie für ihren zentralen Zweck, eine erfolgreiche Unterrichtung, unentbehrlich sind: eine gewisse Grunddisziplin, gewaltloser und höflicher Umgang miteinander, Toleranz in Ver-

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bindung mit Bereitschaft zur argumentativen Auseinandersetzung; prinzipielle Bereitschaft zur Mitwirkung an der gemeinsamen Aufgabe.

Auf dieser Ebene kommen also Normen ins Spiel, die den individuellen Handlungsbestrebungen vorgegeben sind und ihnen somit Grenzen setzen. Damit ändert sich die Perspektive: Ging es bisher darum, auf den jeweils individuellen Prozess der Wertbildung durch eine entsprechende Reflexion der Unterrichtsstoffe Einfluss zu nehmen, wird jetzt der Weg über den kollektiven Anspruch genommen, der sich in den Normen ausdrückt. Auch hier geht es um Werte, allerdings im Modus der kollektiven Verbindlichkeit. Normen und daraus abgeleitete Regeln des Verhaltens beruhen wesentlich auf Werten, die im Rahmen einer Gemeinschaft als besonders erstrebenswert, deshalb als schutzbedürftig gelten und auf Dauer gestellt sind. Sie sind zugleich ein Reservoir für die jeweils individuelle Wertbildung, weil diese ja nur durch soziales Handeln aufgebaut werden kann. Individuell vertretene Werte und außerindividuelle Normen sind demnach aufeinander bezogene Größen, keine unvereinbaren Gegensätze, als die sie in manchen reformpädagogischen Diskursen erscheinen.

Entsprechende Erfahrungen haben die Kinder längst gemacht, bevor sie in die Schule kamen, und sie machen sie außerhalb der Schule auch weiterhin. Überall treffen sie auf Normen und soziale Regeln, die dem Handeln ein Maß setzen, das nicht überschritten werden darf, sonst werden Sanktionen geltend gemacht - Strafen oder zumindest Zurechtweisungen. Insofern verbleibt die Schule durchaus im Rahmen der bisherigen Erfahrungen der Schüler, wenn sie diejenigen Normen, die in ihren Mauern für das auf die spezifischen Aufgaben bezogene Zusammenleben unentbehrlich sind, ebenfalls so selbstverständlich wie nachdrücklich geltend macht, anstatt darauf zu warten, dass sie irgendwann in der Innerlichkeit der kindlichen Seelen erfunden werden; niemand käme in außerschulischen Lebensbezügen auf eine solche weltfremde Idee. Verzichtet die Schule darauf, die für sie eigentümlichen Normen und die darin implizierten Werte geltend zu machen, verweigert sie den Schülern zudem die Erfahrung vom notwendigen sozialen Charakter der von ihnen individuell angestrebten Werte.

Ein einzelner allein kann nämlich keine Werte realisieren, ohne dass er sie mit anderen teilt und eine entsprechende soziale Resonanz erfährt. Werte sind – um es zu wiederholen - im Kern eine soziale Tatsache, sie werden aus sozialen Zusammenhängen übernommen und konkretisieren sich in sozialen Handlungen. Deshalb ist auch von entscheidender Bedeutung, welche Werterfahrungen ein Kind in seinen ihm besonders wichtigen sozialen Kontexten wie Familie und Schule, aber auch in der Peergroup macht. Es können nämlich auch die falschen Erfahrungen sein - ein problematisches Milieu, problematische Freunde. Deshalb ist wichtig, dass die Schule in ihren Räumen entsprechende Gegenerfahrungen arrangiert und sich nicht auf die bloße Fortschreibung des außerschulischen Milieus der Schüler einlässt.

Diejenigen Werte und Normen, die die Schüler außerhalb der Schule im Rahmen ihrer Sozialisation lernen, können nämlich in der Schule nicht beliebig akzeptiert werden. Ihnen liegen zumindest teilweise in den verschiedenen sozialen Milieus

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und an den unterschiedlichen sozialen Orten differente Maßstäbe zu Grunde. Diese Maximen sind jedoch nicht gleichrangig, wie es manchmal in sozialromantischer Verklärung erscheint. Für künftige Chancen der gesellschaftlichen Partizipation ist vielmehr ein bestimmtes Set von Verhaltensregeln nötig, das in den institutionellen Normen der Schule bereits vorgebildet und insofern übertragbar ist. Tonangebend für das öffentliche Verhalten ist immer noch und wieder zunehmend die gebildete Mittelschicht. Wenn die Schule also zur gesellschaftlichen Chancengleichheit beitragen will, schuldet sie ihren Schülern die Einübung entsprechender Manieren, und dafür sind die erwähnten institutionellen Normen eine unverzichtbare Grundlage. Wenn die Schule die gesellschaftlichen Chancen der von Hause aus sozial und kulturell benachteiligten Kinder wirklich verbessern will, darf sie nicht einfach die dies behindernden Milieus in ihren Mauern stabilisieren. Die wünschenswerte Zusammenarbeit zwischen Elternhaus und Schule darf also nicht verkürzt interpretiert werden. Es ist möglich und auch gerechtfertigt, dass der Schüler in der Schule teilweise andere Werthaltungen kennen lernt, als sie in seiner Familie üblich sind. Auch das ist mit dem Begriff "Konfrontation" gemeint.

Auf dieser institutionellen Ebene haben wir es mit zwei grundlegenden Problemen zu tun: Die Begründung der geltend zu machenden Regeln einerseits und die Gestaltung der von ihnen nicht erfassten Bereiche andererseits.

Dass Regeln, denen man folgen soll, durch Gründe legitimiert sein müssen, ist eine der wesentlichen Errungenschaften der Demokratisierung des öffentlichen Lebens. Merkwürdigerweise erklärt die Schule den Schülern vieles, aber kaum sich selbst. Vielleicht liegt das auch daran, dass jeder zu wissen meint, wozu die Schule da ist. Aber gerade im Hinblick auf ihren Charakter als öffentliche Institution und was daraus zu folgen hat, gibt es viele Unklarheiten nicht nur bei Schülern, sondern vielleicht mehr noch bei Eltern und gewiss auch bei Lehrern. Dass schon der Charakter einer Institution impliziert, Forderungen stellen zu dürfen, will man oft nicht wahr haben, ist vielleicht im politischen Bewusstsein der Beteiligten nicht einmal gegenwärtig. In der öffentlichen bildungspolitischen Diskussion wird vieles erörtert, aber diesen Gesichtspunkt sucht man fast immer vergebens. Dabei ließen sich die institutionellen Normen der Schule den Schülern (wie auch deren Eltern!) verhältnismäßig einfach erklären:

1. Sie sind unmittelbar einleuchtend für das Zusammenleben in der Schule. Falls nicht alle anderen den Mund halten, wenn einer etwas sagt, kann man ihn nicht verstehen. Wenn alle ohne Angst leben wollen, darf niemand Gewalt anwenden. Wenn keine Forderungen gestellt werden, bleibt man unterhalb seiner Lernmöglichkeiten. Wenn jemand nicht mitarbeitet und sich nicht beteiligt, wird es langweilig, weil man nicht erfährt, was er zu sagen hätte. Solche und andere Beispiele sind unmittelbar evident, und die Vernunft selbst von Grundschülern reicht bereits aus sie zu verstehen. Das Problem ist eher, ob die Lehrer immer einsehen, dass es sich hier um notwendige Vorgaben handelt, die zwar zunächst zu erklären, dann aber auch zur Geltung zu bringen und nicht erst von den Kindern selbst zu erfinden sind.

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Unmittelbar evident ist auch, dass "Störungen" die gemeinsame Arbeit und die Konzentration darauf behindern. Das gilt nicht nur für das klassische "Schwätzen", sondern für jede andere abweichende Tätigkeit wie Handy benutzen, essen oder in der Klasse herumlaufen. Auf dieser Ebene der unmittelbaren Evidenz verbleiben in der Regel die inzwischen zahlreichen Versuche, Schulordnungen oder Klassenordnungen aufzustellen. Diese Bescheidung muss möglicherweise für jüngere Jahrgänge ausreichen, trifft aber nicht den Kern der Sache, weil die grundlegenden Ansprüche der Institution so erscheinen, als stünden sie den Beteiligten zur Disposition. Das aber wird spätestens dann zum Problem, wenn es um die Legitimation der Durchsetzung dieser Ansprüche geht.

2. Allerdings sind solche Begründungen schwerer zu vermitteln, die statt vom unmittelbaren kommunikativen Nutzen von der Schule als Institution ausgehen; sie leuchten nicht so ohne weiteres ein, weil sie den Radius der direkten menschlichen Beziehungen übersteigen und nicht die aktuelle Befindlichkeit der Schüler, sondern ihre künftigen Chancen im Blick haben. Hier geht es um die angemessene, aber im Schulalltag als relativ abstrakt erscheinende Balance von Geben und Nehmen.

In Gestalt der Schule bietet die Gesellschaft der nachwachsenden Generation einerseits eine Ausbildung für die optimale Teilhabe an ihren beruflichen, kulturellen und politischen Handlungsmöglichkeiten an; ohne schulische Bildung bleibt in modernen Gesellschaften der Mensch auf eine randständige Existenz beschränkt. Andererseits braucht die Gesellschaft die in der Schule erworbenen Fähigkeiten zu ihrer eigenen Reproduktion und Weiterentwicklung. Beide Seiten können nur zusammen gesehen werden, den enormen Investitionen für das Bildungswesen muss eine angemessene Bereitschaft zur Leistung und Anstrengung seitens der Schüler entsprechen. Unsere Gesellschaft hat z.B. ein Recht darauf, sich kein soziales Dynamit heranzuziehen, das aus massenhafter schlechter Schulbildung resultiert. Die Bereitschaft des Schülers, seine Fähigkeiten in der Schule optimal zu entfalten, ist auch so etwas wie eine Bürgerpflicht; weigert er sich, werden andere in Zukunft für ihn aufkommen müssen – aber warum sollten sie das tun?

3. Überall im sozialen Leben - das können die Schüler aus ihrer vor- und außerschulischen Erfahrung bestätigen - werden Normen und die aus ihnen abgeleiteten Regeln mit Hilfe einer irgendwie fundierten Macht durchgesetzt. Das muss auch für die Schule gelten. Es gibt keine machtfreien sozialen Gebilde, die Frage ist immer nur, wessen Macht sich mit welcher Legitimation Geltung verschafft. Die Schule als Institution hat z.B. das Recht und die Pflicht, ihre Mitglieder zu schützen: die Schüler voreinander und vor ihren Lehrern, die Lehrer voreinander und vor den Schülern und deren Eltern. Alle Bemühungen um eine Werteerziehung in der Schule sind letztlich zum Scheitern verurteilt, wenn der Staat seiner Institution Schule nicht die dafür nötige Autorität verleiht. Je klarer er zum Ausdruck bringt, was er im Rahmen der Institution von allen Beteiligten erwartet und wie er dies durchzusetzen gewillt ist, um so präziser benennt er auch die

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Normen, die er damit verbindet, und um so mehr Orientierung für die Wertbildung der Schüler stellt er bereit. Lässt er hingegen die Schule als Institution verwahrlosen, kann er von ihr auch nur höchst eingeschränkt einen Beitrag zur Wertbildung erwarten; mit pädagogischen Mitteln lässt sich jedenfalls ein solches Defizit nicht kompensieren. Die eigentliche Schwierigkeit besteht jedoch darin, dass die nötige Rekonstruktion dieser Autorität auf Unterstützung durch die öffentliche Meinung und die unmittelbar Beteiligten angewiesen ist.

Macht ist in pädagogischen Zusammenhängen ein verpöntes Wort geworden. Man setzt lieber auf Diskurse, auf Einsicht und innere Überzeugung. Diese Strategie ist zwar grundsätzlich pädagogisch geboten, weil die Schule schließlich ein Ort des Lernens ist, aber sie wird illusionär, wenn sie die grundlegenden institutionellen Vorgaben missachtet, die ihr nicht zur Disposition stehen und die auch den Schülern nicht verschwiegen werden dürfen. Sonst würde ihnen eine wichtige Orientierung für ihren Wertbildungsprozess entzogen.

Auf dieser institutionellen Ebene geht es allerdings nicht um die Durchsetzung eines allgemeinen Tugendkatalogs oder einer bestimmten Gesinnung, sondern lediglich um die Durchsetzung eines bestimmten Verhaltens. Eine öffentliche Institution - mit Ausnahme des Gerichts, aber das ist ein Sonderfall - darf weder von Erwachsenen noch von Kindern eine bestimmte Gesinnung oder eine bestimmte Charakterstruktur erwarten. Niemand muss zudem alle Menschen mögen, aber verhalten muss sich jeder jedem gegenüber höflich und zivilisiert und erst recht im Rahmen der Gesetze. Auf diesem Hintergrund sind übrigens solche Kopfnoten in den Zeugnissen problematisch, die sich auf mehr als auf das offensichtlich erkennbare Verhalten beziehen. Will man darüber hinaus persönlichkeits- oder gesinnungsorientierte Zensuren erteilen, braucht man dafür einen anderen Begründungszusammenhang als die Bezugnahme auf die Normen und Regeln der Institution. Die begrenzen sich also von ihrer Substanz her selbst.

Deshalb sind die erwähnten Regeln der Institution einerseits zu grobschlächtig, als dass sie das Leben in der Schule im Einzelnen regeln könnten, andererseits aber auch nicht mehr hinreichend. Dieser offen bleibende Raum muss jedoch irgendwie gefüllt werden. Was soll zum Beispiel im Streitfalle zwischen Schülern oder zwischen Schülern und Lehrern geschehen? Normalerweise treten überhaupt erst in Konfliktfällen Werte ins Bewusstsein. Deshalb kann die Bearbeitung von Konflikten in der Schule für die Werteerziehung sehr produktiv sein; denn Wertstrukturen bilden sich wesentlich auf Grund von Erfahrungen, die man mit seinem eigenen Handeln macht. Die Erfahrung der Grenzsetzung durch andere - Mitschüler oder Lehrer - ist enorm wichtig. Wer Kindern und Jugendlichen keine Grenzen setzt, verhindert stabile Wertbildungen bei ihnen.

Viele Schulen haben inzwischen Schulordnungen verabschiedet, in denen solche Alltagsfragen in autonomer Verantwortung geregelt sind. Früher gab es solche Grauzonen nicht, da trafen die Lehrer auf Grund ihrer umfassenden Autorität Entscheidungen, denen die Schüler zu folgen hatten, und wenn es hoch kam, erfuhren sie dafür auch eine Begründung. Heute dagegen werden nicht nur in der Schule,

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sondern in fast allen gesellschaftlichen Bereichen die Beteiligten möglichst in die Entscheidung einbezogen; für deren Plausibilität müssen deshalb Gründe angeführt werden. Es geht also um Prozeduren mit dem Ziel der Verständigung. Was tun wir wie und mit welchem Ziel, wenn etwas schief läuft? Da werden keine eindeutigen moralischen Urteile mehr über die beteiligten Personen gefällt, sondern eher Kompromisse angestrebt. Anders gesagt: In solchen Prozessen werden gemeinsame Werte erst einmal produziert oder zumindest ins Bewusstsein gehoben, um dann durch gemeinsam anerkannte Normen auch geschützt zu werden. Diese Dimension der Werteerziehung ist für die Schulen historisch gesehen noch weitgehend Neuland - übrigens auch für die Administration, die in diese Grauzone hinein unermüdlich Erlasse produziert.

In solchen Prozessen der Verständigung können auch interne Institutionen ins Leben gerufen werden. Dazu gehören die formellen Mitbestimmungsorgane der Schüler, aber auch Einrichtungen wie die so genannten "Konfliktschlichter". Solche Ämter erlauben - wie bei anderen Institutionen auch - in eine förmliche und damit auch emotionale Distanz zu den Beteiligten zu treten, insofern Sache und Person zu trennen und auf diese Weise nach angemessenen Lösungen zu suchen.

Schulkultur

Wenn es gut geht entsteht auf die eben beschriebene Weise über die Kernaufgabe des Unterrichtens hinaus eine differenzierte Schulkultur, eine spezifische Organisation des Schullebens, die man die vierte Ebene der Werteerziehung in der Schule nennen könnte, obwohl sie im Wesentlichen auch eine Zusammenfassung der bisher beschriebenen Ebenen darstellt. Sie kann für die Wertbildung der Schüler von entscheidender Bedeutung sein. Es geht um die gemeinsame Gestaltung des sozialen Miteinanders, um Stil und Ton des täglichen Umgangs, um die Möglichkeiten der formellen Mitbestimmung der Schüler, um ästhetische Gestaltung der Räumlichkeiten wie der menschlichen Beziehungen, aber auch um das, was man im engeren Sinne "Schulleben" nennt, also z.B. künstlerische Aufführungen, Feste und Feiern. In einem aus all dem resultierenden wohlwollenden und wohltuenden, aber auch Geborgenheit und Orientierung stiftenden "Klima" sind grundlegende Werterfahrungen möglich, die weit über das Leben in der Schule hinaus reichen können. Diesen Aspekten hat die schulpädagogische Diskussion der letzten Zeit zu Recht zunehmende Aufmerksamkeit gewidmet.

Allerdings darf dabei nicht übersehen werden, dass die Reichweite schulischer Erfahrungen grundsätzlich begrenzt ist. Der Wertbildungsprozess junger Menschen kann heute nicht mehr an einem sozialen Ort - auch nicht in der Schule – so umfassend erfolgen, dass seine Resultate von daher auf alle anderen sozialen Orte einfach übertragbar wären. Wichtige Sozialsituationen sind in der Schule aus tatsächlichen oder aus rechtlichen Gründen gar nicht herstellbar. Es gibt dort keine Diskothek, kein Kaufhaus, keine Straßenclique, weder einen Markt noch eine Fernsehberiese-

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lung. Es fehlen also wichtige Bewährungssituationen und damit Orte des sozialen Handelns, die die Schule nicht nachbilden kann. Deshalb muss die Schule einerseits ihre Begrenztheit akzeptieren, andererseits aber auch ihre Besonderheit offenkundig machen, die sie auch in Sachen Werteerziehung von anderen sozialen Orten unterscheidet. Es gibt also Werte und Normen, die gerade in der Schule von besonderer Bedeutung sind, und es ist gleichgültig, ob sie an anderen sozialen Orten, in denen die Schüler sich bewegen, ebenfalls diese Bedeutung haben. Was als richtig, gut oder angemessen angesehen werden kann, ist demnach nicht mehr in einer logisch klaren Allgemeinheit zu fassen, sondern nach Ort und Situation zu differenzieren. Über weite Strecken geht es nicht mehr um "richtige" oder "falsche" Werte, sondern um vernünftige Kombinationen und Balancen von an sich akzeptablen Werten.

Das Thema Werteerziehung ist offensichtlich wenig geeignet für pathetische pädagogische Deklamationen, Versprechungen und Zauberworte. Die Schule kann hier nur leisten, was im Rahmen ihres Handlungsspielraums wirklich möglich ist; das ist nicht wenig, wenn auch vielleicht weniger, als die Öffentlichkeit zu Unrecht oft erwartet.

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