Hermann Giesecke 

Methodik des politischen Unterrichts

München: Juventa-Verlag 1973

6. Kapitel: Arbeitsmittel

© Hermann Giesecke
Inhaltsverzeichnis
Ganzer Text als PDF-Datei (935 KB) 


 

6. Kapitel: Arbeitsmittel

Wie für jede Arbeit, so gibt es auch für die intellektuelle Arbeit des politischen Unterrichts eine Reihe von Arbeitsmitteln, von "Werkzeugen". Und wie bei jeder anderen Arbeit hängt auch hier die Art und Qualität der Arbeitsmittel von den Zielen, Methoden und Arbeitsweisen ab, und umgekehrt ermöglichen neue Arbeitsmittel unter Umständen vorher nicht mögliche Ziele und Methoden. Seitdem es z.B. relativ billige Fernseh-Aufzeichnungsgeräte (Video-Recorder) gibt, können die politischen Sendungen des Fernsehens grundsätzlich auch Gegenstand des Unterrichts sein, ändert sich damit auch die "Sache" Unterricht. Wo es andererseits nur darauf ankommt, daß der Lehrer Frontalunterricht mit allen Schülern macht, wird für jede Klasse auch kaum mehr als ein Raum und allenfalls noch ein Schulbuch benötigt, was jedoch eine erhebliche Einengung der intellektuellen Arbeitsmöglichkeiten im Unterricht zur Folge hat.

Aus diesen Beispielen ist schon ersichtlich, daß "Arbeitsmittel" nicht nur im technischen Sinne "Instrumente", "Werkzeuge" sind, sondern auch immer Gegenstände der Reflexion. "Fortschritt" gibt es in jedem Arbeitsprozeß - und erst recht im intellektuellen - nicht nur als einen solchen der Ziele und Produkte, sondern auch als einen solchen der Instrumente und Werkzeuge. Deshalb stellen wir dieses Kapitel auch nicht unter den Begriff des "Lehrmittels", weil es erstens Arbeitsmittel gibt, die nicht unter den Begriff des Lehrmittels subsumiert werden können (z.B. Arbeitsplätze), und weil zweitens im Begriff des Lehrmittels jene einseitige technische Zuordnung nach dem Muster Ziele - Mittel impliziert ist. In Analogie zum materiellen Produktionsprozeß könnte man sagen, daß es auch im intellektuellen Produktionsprozeß Fortschritte der Produktionsmittel gibt. Und an der Frage, ob und in welchem Umfange solche Fortschritte dem Unterricht zugute kom-

149

men, kann man unter anderem das Maß seiner "Fortschrittlichkeit" bzw. "Rückschrittlichkeit" messen.

Bei der folgenden Beschreibung der Arbeitsmittel halten wir uns an das, was heute und in absehbarer Zeit in der Schule tatsächlich unter diesem Aspekt realisierbar ist bzw. sein müßte, und verzichten bewußt auf an sich wünschenswerte Ausstattungen, die jedoch einstweilen noch Utopie bleiben müssen. Auch in diesem Kapitel soll die Beschreibung mit praktischen Hinweisen für den Lehrer verbunden werden. Sinngemäß gelten unsere Erörterungen natürlich - wie in den übrigen Kapiteln des Buches - auch für andere Fächer.
 

Arbeitsplätze

Auf den wichtigsten Arbeitsplatz des Schülers, den häuslichen, hat der Lehrer so gut wie keinen Einfluß. Dafür geeignete Vorschläge zu machen, scheint angesichts der Wohnungssituation der Mehrheit der Bevölkerung vermessen. Wie viele Kinder verfügen schon über ein eigenes, wenn auch noch so bescheidenes Zimmer, in das sie etwa auch Schulkameraden zur gemeinsamen Arbeit und Diskussion einladen können? Wenig nutzt da das Postulat, daß nicht zuletzt ein optimaler Arbeitsplatz eine wichtige Voraussetzung für die schulische Karriere ist.

Dennoch zeigen die sogenannten "Elternzeitschriften", daß in dieser Frage ein großer Bedarf an Beratung besteht. In bildungsbeflissenen Mittelstands-Familien sind entsprechende Ratschläge an die Eltern weitgehend überflüssig. Aber solche Familien, die keine derartige Tradition haben, aber doch in die wirtschaftliche Lage kommen, ihren Kindern einen vernünftigen häuslichen Arbeitsplatz zu schaffen, sind unsicher, was sie dafür investieren sollen. Und selbst dort, wo die räumlichen Verhältnisse beengt sind, läßt sich manches besser organisieren. Vielfach läßt sich z. B. das tagsüber funktionslose elterliche Schlafzimmer als Arbeitszimmer verwenden, sogar von mehreren Kindern

150

der Reihe nach. Ein kleiner preiswerter Schreibtisch muß das Zimmer nicht einmal "verunzieren" in den Augen der Eltern. Der Lehrer sollte also die Möglichkeit der Beratung in Elternversammlungen nicht unterschätzen.

In erster Linie geht es uns hier jedoch um die schulischen Arbeitsplätze. Bei der Darstellung der verschiedenen Methoden im dritten Kapitel wurde schon deutlich, daß der "klassische" Arbeitsplatz des Klassenraumes dafür nicht mehr ausreicht. Für Gruppenarbeiten werden darüber hinaus kleine Räume benötigt bzw. Klassenräume, die sich durch Schiebetüren schnell in solche Gruppenräume verwandeln lassen. Das Mobiliar muß je nach Kommunikationssituation schnell verändert werden können, und in Neubauten ist man im allgemeinen vom starren Schulbank-Schema zugunsten variierbarer Tisch-Kombinationen abgekommen.

Ein Problem ist jedoch nach wie vor die Bereitstellung individueller Arbeitsplätze außerhalb der Schulzeit in der Schule. Unbeschadet der Frage, ob in Zukunft Ganztagsschulen allgemein wünschenswert und realisierbar sind, müßten eigentlich die Arbeitsplätze der Schule, vor allem Bibliothek und Lehrmittel, den Schülern während des ganzen Tages zur Verfügung stehen - sei es für Schularbeiten, sei es für Lerninteressen, die unabhängig von Schularbeiten weiter verfolgt werden. Das Problem der notwendigen Aufsicht und Organisation sowie der möglichen Helfer (z. B. Studenten, Praktikanten) ließe sich gewiß mit weniger Aufwand lösen als eine Einrichtung von Ganztagsschulen. Es ist eigentlich erstaunlich, daß von dieser naheliegenden Möglichkeit eines freiwilligen ganztägigen Arbeitsplatzangebotes so selten Gebrauch gemacht wird, obwohl dies doch gerade den hinsichtlich ihres häuslichen Arbeitsplatzes benachteiligten Kindern zugute käme. Manche der im dritten Kapitel beschriebenen Methoden haben zudem zur Voraussetzung, daß einzelne Schüler oder Gruppen sich in andere Räume zurückziehen können, z. B. um Texte zu tippen, Band- und Filmwiedergaben vorzubereiten, in der Bibliothek Material herauszusuchen usw.

151

Bibliothek und Lehrmittelraum

Das Fach Politik benötigt eine eigene Bibliothek und einen eigenen Lehrmittelraum. Es ist eine praktische Frage, die unter anderem von der Größe der Schule abhängt, ob die Schule spezielle Fachbibliotheken und Lehrmittelräume einrichtet oder diese für alle Fächer in einem Raum zusammenfaßt. Zu empfehlen ist unter Umständen auch, je einen Raum für die Bibliothek und für Lehrmittel einschließlich technischer Geräte wie Vervielfältigungsapparate, Tonbandgeräte usw. vorzusehen.

Irgendwie sind diese Probleme natürlich in jeder Schule geregelt. Aber gemeinhin stehen diese Einrichtungen lediglich dem Lehrer zur Vorbereitung seines Unterrichts zur Verfügung, den Schülern jedoch meistens nicht, jedenfalls nicht ohne Anwesenheit des eigenen Lehrers. Trotz aller juristischen und verwaltungsmäßigen Schwierigkeiten, die mit einer Änderung dieser Sachlage verbunden wären, ist es prinzipiell auf die Dauer nicht vertretbar, daß die Schüler im Unterschied zu ihren Lehrern von den kollektiven Arbeitsmitteln praktisch ausgeschlossen werden und statt dessen auf die im allgemeinen sehr viel "rückständigeren" individuell-familiären Bedingungen angewiesen bleiben.

Die "Rückständigkeit" der privat-familiär erreichbaren Arbeitsmittel ist jedoch nur cum grano salis zu verstehen. In vielen mittelständischen Familien ist die private Bibliothek z. B. umfangreicher als eine Schulbibliothek, und selbst weniger bemittelte Familien sind meist mit Funk, Fernsehen und Tonband- bzw. Kassettengerät im Unterschied zur Schule ausgestattet. Dies ist nicht nur ein weiterer Beleg für die relative "öffentliche Armut", sondern legt auch die Frage nahe, ob die Schhule die privat verfügbaren Arbeitsmittel genügend ausnutzt. Darauf wird noch zurückzukommen sein.

Der Ausschluß der Schüler vom selbständigen und prinzipiell ganztägigen Gebrauch der kollektiven Arbeitsmittel der Schule war kein Problem in einer Zeit, wo das einzige Arbeitsmittel das Schulbuch war und die Lehrmittel einen

152

relativ geringen technologischen Standard aufwiesen. Heute jedoch ist gerade für den politischen Unterricht nicht nur das Schulbuch ein Lehrmittel, sondern - wie sich zeigen wird - auch die politische Publizistik im weitesten Sinne. Zudem sind die Funk- und Fernsehaufzeichnungen ein unentbehrliches Arbeitsmittel geworden, dessen Kosten jedoch nicht mehr einfach dem einzelnen S6hüler bzw. seiner Familie zugemutet werden können.

Die politische Bibliothek (als selbständige oder als Teil einer allgemeinen) ist für den Gebrauch durch Lehrer und Schüler einzurichten, d. h. so, daß sie nicht nur ein Aufbewahrungsort für Bücher ist, sondern auch ein Ort, an dem man mit Büchern arbeiten kann. Da die Mittel für Neuanschaffungen im allgemeinen sehr begrenzt sind, sollte mit einer Prioritätenliste gearbeitet werden, die etwa folgende Rangfolge haben könnte:

a) wichtige Nachschlagewerke und Lexika;
b) verständlich geschriebene Gesamtdarstellungen von Themen, die für den Unterricht relevant sind;
c) wichtige und interessante Schulbücher, sofern sie nicht sowieso von der Klasse angeschafft werden;
d) sonstige, für den politischen Unterricht unmittelbar brauchbare Bücher wie Dokumentationen;
e) wichtige wissenschaftliche Publikationen zu unterrichtsrelevanten Themen.

Die Organisation der Bibliothek sollte so erfolgen, daß größtmögliche Handlichkeit mit geringstmöglichem Arbeitsaufwand verbunden ist. Im allgemeinen genügt dafür eine Aufteilung in wenige Sachgebiete (z. B. 1 = Handbücher/Lexika, 2 bis N = unterrichtsrelevante Sachgebiete usw.), die durch Farbaufkleber voneinander unterschieden werden, so daß die Rückstellung in das jeweilige Sachgebiet mühelos möglich ist. Vergrößert sich der Buchbestand, so daß das Auffinden eines einzelnen Buches schwieriger wird, kann man die Farbaufkleber mit der Nummer des Sachgebietes und dem Anfangsbuchstaben des Autors beschriften, z. B. für: Drechsler/Hilligen/Neumann: Gesellschaft und Staat. Lexikon der Politik, =

153

1/Drechs. Werden verschiedene Fachgebiete in ein und derselben Bibliothek untergebracht, so lassen sich diese ebenfalls noch einmal durch größere Farbaufkleber unterscheiden.

Von vornherein sollten von jedem Band zwei Karteikarten angelegt werden, eine für den alphabetischen Verfasserkatalog, eine für den Sachgebietskatalog, der ebenfalls alphabetisch zu sortieren wäre. Die Ausleihe von Büchern kann gegebenenfalls so kontrolliert werden, daß der Ausleiher einen entsprechenden Zettel hinter die zugehörige Karteikarte steckt, der bei Rückgabe wieder entfernt wird. Der Zettel sollte jedoch erheblich niedriger sein als die Karteikarte, damit er das Durchblättern des Katalogs nicht stört.

Nötig wäre, daß die Bibliothek wenigstens einige Arbeitsplätze hat, auch wenn ihre ganztägige Benutzung noch nicht realisierbar ist. Es muß möglich sein, in Büchern zu blättern, sich etwas zu notieren, etwas abzutippen usw.

Schulbücher und Lehrmittel

Gerade für das Fach Politik ist der Wert des Schulbuches seit einigen Jahren sehr umstritten. Manche Autoren und Praktiker halten es für ein Überbleibsel des lehrerzentrierten Unterrichts und geben deshalb beweglichen, leicht auszuwechselnden Materialien wie Lose-Blatt-Sammlungen den Vorzug. Außerdem verweisen sie auf die Ergebnisse von Schulbuch-Untersuchungen, die die meisten Schulbücher des Faches Politik als fachlich und didaktisch rückständig und von problematischer politischer Ideologie kennzeichnen. Seit den fünfziger Jahren läßt sich beim politischen Schulbuch ein deutlicher Wandel beobachten. Waren die Schulbücher zunächst mehr als Lehrbuch abgefaßt, das politische Themen sachlich zusammenhängend darstellt mit Angaben für die Arbeit in der Klasse und Aufforderungen an die Schüler ("vergleiche ... ", "überprüfe ... ", "stelle

154

fest ... ", usw.), so haben in den letzten Jahren die Schulbücher zunehmend den Charakter von Arbeitsbüchern erhalten. Zusammenhängende Darstellungen fehlen nun meist, dafür sind lose kommentierte kontroverse Materialien aufgenommen, aus denen Lehrer und Schüler sich einen gedanklichen Kontext machen sollen.

Den Anhängern eines schülerorientierten, auf höchstmögliche Eigenaktivität gegründeten Unterrichts mag diese Entwicklung fortschrittlich erscheinen. Jedoch fragt sich, ob gerade für diese Funktion, der Bereitstellung von Arbeitsmaterial, das Schulbuch nicht überflüssig geworden ist, weil für das Fach Politik täglich neue, aktuelle Materialien von den Massenmedien bereitgestellt werden, die der Unterricht nutzen kann. Gewiß, die Aufbereitung dieses Materials wird zusätzliche Arbeit kosten, aber vielleicht eben auch die Schüler besonders interessieren. Unter dem Anspruch des hier vertretenen, auf die wissenschaftliche Bearbeitung des Bewußtseins angelegten Konzepts für den politischen Unterricht ist jedo~ das SchulLuch als bloße gedanklich nicht weiter strukturierte Materialsammlung auch prinzipiell unbefriedigend. Was dabei fehlt, ist eben die Vorgabe eines gedanklichen Zusammenhangs, der keineswegs ideologisch-definit formuliert sein muß, sondern im wesentlichen durchaus als ein Zusammenhang von Problemen dargeboten werden kann. Ergebnisse der wissenschaftlichen Beschäftigung mit der Politik sind ja nicht nur eine Summe von Tatsachen, sondern gerade auch deren Interpretation in einem theoretischen Zusammenhang. Deren Niveau kann grundsätzlich nicht dadurch erreicht werden, daß Schüler auf der Grundlage eines noch so authentischen Materials sich induktiv darauf einen Vers machen. Vielmehr müssen sie mit solchen theoretischen Konstrukten selbst konfrontiert werden. In den oberen Klassen des Gymnasiums besteht wenigstens teilweise die Möglichkeit, solche Konstrukte im Original zu bearbeiten, für jüngere Jahrgänge müßten solche Texte eigens geschrieben werden. Solche Schulbücher gibt es leider nicht, und es ist auch fraglich, ob sie sich angesichts der herrschenden

155

"über-pädagogischen" Auffassungen bei Verlegern und ministeriellen Schulbuchkommissionen durchsetzen könnten Die logisch-systematisch nicht weiter durchstrukturierten, bloß additiv-kontroversen Material-Sammlungen lassen nicht nur weitgehend beliebige Interpretationen zu, sie räumen auch dem Lehrer eine Interpretations-Priorität ein; er kann praktisch alles daraus herauslesen, was er will, ohne daß seine Interpretationen durch den gedanklichen Zusammenhang des Schulbuch-Textes zur Rechtfertigung gegenüber den Schülern verpflichtet wären.

Trotz der gegenwärtig schlechten Schulbuchsituation hat es viele Vorteile, wenn dem Unterricht ein Schulbuch zu grunde liegt, auf dessen Grundlage gearbeitet werden kann Erstens nämlich ist es ungemein aufwendig, das ganze Unterrichtsmaterial selbst herzustellen; einfacher ist es, die Mängel des Schulbuches durch neues Material zu kompensieren. Zweitens gibt das Schulbuch dem Schüler eine gewisse Unabhängigkeit vom Lehrer; der Lehrer muß begründen, warum er mit dem Schulbuch-Text nicht übereinstimmt und ergänzende bzw. korrigierende Materialien und Gesichtspunkte einbringt. Drittens schließlich vermag das Schulbuch im Unterschied zu Einzelmaterialien Kontinuität des Unterrichts zu stiften, also alte Lernprozesse und -ergebnisse in neue wieder einzubringen. Diese Funktion sollte man nicht unterschätzen, denn wenig wäre gewonnen, wenn der politische Unterricht sich in lauter Einzelheiten und Einzelprojekten auflöste, die keine Beziehung zueinander hätten.

Sieht man dies alles zusammen, so spricht doch das meiste für die Verwendung eines Schulbuches im Fach Politik, wobei es eine andere Frage ist, ob es sich dabei um ein einzelnes Schulbuch handelt oder um eine Reihe von kleineren, themenbezogenen Einzelbänden. Unabhängig davon jedoch, in welchem Maße das Schulbuch den eben erörterten Qualitätsmaßstäben entspricht, ist es in keinem Falle einfach Inhalt und Ziel des Unterrichts, sondern Mittel und Gegenstand der Bearbeitung. Das Schulbuch enthält nicht von vornherein die Ergebnisse des Unterrichts.

156

Gleichwohl ist bereits deutlich geworden, daß das Schulbuch nicht das einzige Arbeitsmittel sein kann. Der Lehrer wird aktuell-interessante Lehrmittel immer auch selbst beschaffen müssen. Geht man davon aus, daß der Lehrer ohnehin selbst an der politischen Massenkommunikation teilnimmt, so kann die Gewinnung solcher Materialien gleichsam das Abfallprodukt seiner eigenen Information sein. Aber auch die Schüler sollten aufgefordert werden, zu einem im Unterricht behandelten Thema - gerade auch während eines Unterrichtsprojektes - ihnen interessant erscheinendes Material z.B. aus der Presse mitzubringen, um es in den Unterricht einbeziehen zu lassen.

Abgesehen von Schulbüchern wird von der Lehrmittelindustrie auch für den politischen Unterricht inzwischen eine Fülle von zusätzlichen Lehrmitteln angeboten. Von Filmen, Tonbändern und Reproduktionsmitteln wird anschließend noch die Rede sein. Aus dem gegenwärtigen Angebot der Lehrmittelindustrie z.B. an Transparenten, Dia-Serien, Ton- und Filmkassetten bzw. -platten usw. ist das meiste didaktisch noch nicht durchdacht und braucht deshalb hier nicht weiter erörtert zu werden. Eine Ausnahme bilden Dia-Serien, die optisch eindrucksvolle Wiedergaben von Originalen (z. B. von politischen Plakaten) vermitteln. Oft werden Dia-Serien mit einem Tonband-Text geliefert. Solche Tonbandserien sind in der Regel am ehesten interessant unter dem Aspekt, daß sie von den Schülern im Sinne einer "Produktion" verändert werden können. Gleichwohl ist die Frage, ob sich dafür die Anschaffungskosten lohnen. Zunächst jedenfalls sollte man das einschlägige Dia-Angebot der Bildstellen prüfen. Zudem können geeignete Dias (z. B. während eines Wahlkampfes) auch von an der Fotografie interessierten Schülern hergestellt werden, von den Möglichkeiten des Lehrers ganz zu schweigen.

157
 

Filme

Über die Stadt- bzw. Kreisbildstellen sowie über die zuständige "Landeszentrale für politische Bildung" und die "Landesfilmdienste" kann die Schule kostenlos 16-mmTonfilme für den Unterricht ausleihen. Entsprechende Verzeichnisse sind bei den Bildstellen zu erhalten. Auch kommerzielle Verleihfirmen bieten 16-mm-Filme an, aber die Leihkosten dürften selten aufgebracht werden können.

Es bedarf keiner umfangreichen Begründung dafür, daß der Film für den politischen Unterricht eine große Rolle spielt. Ist er doch, ob als Dokomentar- oder als Spielfilm, eine politische Aussage sui generis. Die von den Bildstellen angebotenen, für das Fach Politik relevanten Filme lassen sich in zwei Gruppen einteilen: Entweder werden im normalen, kommerziellen Verleih herausgebrachte Spiel-, Dokumentar- oder Kurzfilme für den "nicht-gewerblichen Verleih" in Schulen eingekauft; oder das Münchener "Institut für Film und Bild in Wissenschaft und Unterricht" (FWU) bzw. die Bonner "Bundeszentrale für politische Bildung" hat eigene Produktionen für pädagogische Zwecke herstellen lassen.

Wie nicht anders zu erwarten, ist die Qualität dieses Angebotes außerordentlich unterschiedlich; das zeigt sich nicht nur an den "Eigenproduktionen" der genannten Institutionen, bei denen die pädagogischen Intentionen oft die filmische Qualität überspielen, sondern ist auch darauf zurückzuführen, daß diese Institutionen politischen Kontrollen bzw. Selbstkontrollen unterliegen, die sie allzu oft daran hindern, kritische und umstrittene, aber gerade deshalb didaktisch interessante Streifen zu übernehmen bzw. selbst zu produzieren.

Allerdings ändert sich diese "Marktlage" in dem Augenblick, wo eine Schule über ein Fernseh-Aufzeichnungsgerät verfügt und Filme aus dem Fernsehprogramm mitgeschnitten werden können. Wegen des dadurch erheblich erweiterten Angebots von Filmen, die im Unterricht eingesetzt werden könnten, wollen wir die Benutzung von Filmen im

158

politischen Unterricht an dieser Stelle etwas ausführlicher behandeln.

Hinsichtlich des Bildstellen-Angebotes an Filmen kann man sich auf die zur Verfügung gestellten Informationen nicht unbedingt verlassen, man muß sich die Filme vor dem Einsatz im Unterricht auf jeden Fall ansehen. Das gilt selbstverständlich auch für Fernsehaufzeichnungen. Zweckmäßig ist, das fachlich relevante Angebot in Sichtveranstaltungen zu prüfen. Für den Anfänger ist das zunächst mühsam, aber wenn er die unterrichtlichen Möglichkeiten des Films nutzen will, muß er sich dem schon unterziehen. Manche Bildstellen bieten in ihren Räumen Sichtveranstaltungen an; sonst muß der Lehrer sich die Filme, die er noch nicht kennt, bestellen, um sich in der Schule einen Kino-Nachmittag zu machen. Vorführgeräte stellen die Bildstellen übrigens auch zur Verfügung. Auch schlechte Filme können natürlich für den Unterricht nützlich sein. Man sollte zwar auch aus pädagogischen Gründen keine schlechten Filme herstellen, aber wenn sie einmal da und in Umlauf sind, repräsentieren sie ein Stück schlechter Wirklichkeit bzw. Ideologie und können insofern selbstverständlich Gegenstand des Unterrichts sein.

Im Rahmen eines Lernprozesses kann ein Film (wie eine Tonaufzeichnung auch) folgende Funktionen haben:

a) er kann als Einstieg in einen Lernprozeß dienen; dann muß er jene Eigenschaften haben, die oben für einen guten Einstieg genannt wurden;

b) die Einstiegsfunktion kann auch so modifiziert sein, daß ein Film für ein erstes unstrukturiertes Gespräch genutzt wird, aus dem sich dann der Einstieg ergibt;

c) er kann zur Illustration im Rahmen eines Lernprozesses verwendet werden, weil er einen bestimmten Aspekt des Themas besser zeigen kann als verbale Darstellungen. Das gilt z. B. für den emotional-affektiven Gehalt politischer Situationen und Ereignisse.

d) Er kann im Rahmen eines Lernprojektes neue Impulse setzen, wie das in anderer Weise etwa ein Lehrervortrag vermag;

159

e) er kann selbst das Hauptthema sein, z. B. als Stück der Massenkommunikation;

f) er kann im Sinne einer "Produktion" bearbeitet, z. B. mit einer neuen Tonfassung versehen werden.

Je nach der Funktion des Films innerhalb eines Lernprozesses muß er ausgewählt werden. Wegen seiner besonderen Intensität erhält der Film als Lehrmittel immer auch ein gewisses Eigengewicht: Er ist schwerer als verbale oder graphische oder bloß akustische Aussagen auf vorgefaßte Lernziele hin funktionalisierbar. Wer Filme im politischen Unterricht einsetzt, muß deshalb also damit rechnen, daß er für deren Interpretation eine gewisse Zeit benötigt.

Überhaupt ist der Einsatz von Filmen nur dann ergiebig, wenn der Lehrer auch über formale und dramaturgische Grundkenntnisse verfügt und deshalb zuverlässige Hilfen bei der Interpretation geben kann. Außerdem muß auch hier der Grundsatz gelten, daß der Einsatz von Filmen nur dann sinnvoll ist, wenn es für den jeweiligen Zweck kein besseres Arbeitsmittel gibt. Im übrigen ist der Begriff "Arbeitsmittel" - wie schon betont wurde - hier ein wenig irreführend, weil es sich beim Film, wie auch bei den Tonbändern und Funksendungen, an sich um selbständige Interpretations- und Aussagensysteme handelt, die nicht nur Arbeitsmittel sind, sondern selbst Wirklichkeiten bzw. Darstellungen von Wirklichkeiten, also auch Gegenstand und Thema von Unterricht. Aus diesem Grunde können sie auch nur insofern Arbeitsmittel sein, als sie in ihrer eigentümlichen Struktur verstanden und interpretiert sind. Man geht z. B. an der Aussagekraft vorbei, wenn man aus einem Spielfilm nur oberflächlich die Story herausliest und sie zum Thema des Unterrichts macht, ohne die filmische Konkretion dieser Story ebenfalls ernstzunehmen. Würde man darauf verzichten, so wäre das ähnlich bedenklich, wie wenn man wissenschaftliche Erkenntnisse und Methoden ungeniert auf sog. "pädagogische" Ziele hin verfälschte.

Für den Einsatz von Filmen sind ferner die folgenden Überlegungen und Hinweise nützlich:

160

1. Je länger die Filme sind, um so größer ist ihr Eigengewicht, um so mehr muß also der Film selbst zum Thema werden, und um so mehr bestimmt er von sich aus seine didaktische Funktion. Ein abendfüllender Spielfilm z. B. kann schlecht zum Zwecke eines neuen Impulses und kaum zum Zwecke der Illustration, sondern allenfalls zur Exploration eines zu bearbeitenden Themas, also zum Einstieg werden. Eine längere Dokumentation übernimmt, ob man will oder nicht, systematische Vortragsfunktionen. Kurzfilme dagegen (ob Dokumentarfilme oder Spielfilme) sind weitaus beweglicher, nämlich im Grunde für alle vorhin genannten Funktionen einsetzbar. Kurzfilme sind also im allgemeinen eher für den Unterricht geeignet als längere Filme.

2. Zu unterscheiden wäre ferner zwischen Spielfilmen, Dokumentarfilmen und Lehrfilmen, die ihre je eigentümlichen Chancen haben.

a) Spielfilme enthalten eine an individuellen Beispielen gestaltete allgemeine Wirklichkeitsbeschreibung in einer Aussageform, die ähnlich wie bei der literarischen Gestaltung so nicht durch politische Publizistik gestaltet und ersetzt werden kann. Durch die filmische Intensität vermag der Zuschauer seine eigenen Probleme als nicht nur individuelle und private zu erkennen, sondern auch als solche, die er trotz aller individuellen Modifikation mit vielen anderen teilt. Oder er findet - was nicht weniger wichtig ist - durch den Film Zugang zu spezifischen Problemen anderer Menschen, die unter anderen subkulturellen, politischen und sozio-ökonomischen Bedingungen leben, einen Zugang, den ihm rational-verbalisierende Analysen so nicht vermitteln können. Zugleich bietet der Spielfilm jedoch die Möglichkeit zur rationalen Distanz: In der Diskussion des Films muß man nicht über seine eigene Identität, Betroffenheit und Emotionalität sprechen, man kann seine Subjektivität vielmehr auf das Filmgeschehen projizieren und dort abarbeiten. Kein Arbeitsmittel dürfte so geeignet sein für die "wechselseitige Erschließung" objektiver und subjektiver Konflikte wie der Spielfilm.

161

b) Dokumentarfilme sind nicht - wie oft angenommen wird - "objektive" filmische Darstellungen eines Themas, sozusagen auf das nackte Dokument reduzierte Wirklichkeitsbeschreibungen; ein derartiger Anspruch wäre schon deshalb nicht einlösbar, weil Wirklichkeit aus einer ganzen Reihe von Gründen gar nicht einfach abfotografiert werden kann, und weil viele Gründe und Hintergründe des Themas gar nicht bildlich sichtbar gemacht werden können. Der Spielfilm vermag diese Schwierigkeiten durch eine konstruierte Handlung zu überbrücken. Auch der Dokumentarfilm ist also immer eine subjektive Darstellung eines Themas, eine parteiliche Darstellung, die jedoch aufdringlich oder zurückhaltend, direkt-aggressiv oder feuilletonistisch-verspielt, filmisch plausibel oder allzu direkt sein kann. Die filmischen Darstellungsmöglichkeiten ermöglichen wie beim Spielfilm auch hier Nuancen und Aspekte, die der bloß verbalen Darstellung kaum möglich sind. Die von vornherein notwendigerweise subjektive Darstellung fordert - und das ist gerade für den politischen Unterricht wichtig - Prüfung und Kritik heraus. Es bedarf gar keiner zusätzlichen pädagogischen Aufforderung dazu, vielmehr ist kritisches und kontrollierendes Verhalten beim Dokumentarfilm sozusagen ein Bestandteil des Filmes selbst: Der Dokumentarfilm ist das ideale "imperfekte Unterrichtsmittel" (Paul Heimann).

c) Lehrfilme bzw. Unterrichtsfilme sind von vornherein aus didaktisch-systematischen Gesichtspunkten konzipiert, sie sind eine Art von "verfilmtem (Lehrer-) Vortrag". Die Filmbilder sind dem Lehrtext untergeordnet und dienen diesem zur Veranschaulichung und Interpretation. Große Chancen hat dieser Filmtypus vor allem in naturwissenschaftlichen Fächern, im politischen Unterricht jedoch sind sie erheblich geringer. Nimmt man die Möglichkeiten des Trickfilms und der "beweglichen Graphik" hinzu, so sind vor allem zwei Bereiche für den "filmischen Vortrag" geeignet: erstens die Darstellung sachlich-logischer Einzelzusammenhänge, was in etwa der Funktion des Lehrervortrags entspräche; zweitens die Darstellung menschlicher

162

Verhaltensweisen (z.B. Verhalten in Gruppen). Didaktisch gesehen sind die Möglichkeiten des "filmischen Vortrags", vor allem des Kurzvortrags, noch keineswegs ausgeschöpft, der ja mit seinen optischen Veranschaulichungen in mancher Hinsicht dem Lehrervortrag überlegen sein kann; es ist vorstellbar, daß der Politik-Lehrer demnächst über eine ganze Reihe entsprechender Filme verfügen kann, die er anstelle eigener Kurzvorträge einsetzt. Allerdings stehen dem einstweilen noch die verhältnismäßig hohen Kosten und auch die technische Umständlichkeit entgegen.

Tonbänder und Schallplatten

Technisch einfacher zu handhaben sind Tonträger, nämlich bespielte Tonbänder und Schallplatten. Da Schallplatten technisch sehr empfindlich sind, werden sie von den Bildstellen nicht ausgeliehen, sie müßten also auf dem üblichen Wege gekauft werden. Das für den politischen Unterricht relevante Angebot ist jedoch fast bedeutungslos.

Tonbandaufnahmen, z. B. Mitschnitte von Schulfunksendungen sowie von dem schon erwähnten Münchener Institut hergestellte Eigenproduktionen werden von den Bildstellen ausgeliehen. Die Frage ist jedoch auch hier, welche Funktionen Tonträger erfüllen können, zumal Bandgeräte und Tonbänder so billig geworden sind, daß jeder Lehrer vom Funk mitschneiden kann, was er braucht.

Wir können die Vortrags-Funktion, die eben beim Film noch betont wurde, hier weitgehend ausschalten: Ein Vortrag auf Tonträgern hätte im allgemeinen gegenüber dem Lehrervortrag nur Nachteile.

Anders steht es schon mit akustischen Originaldokumenten: Hitlers Rede zum Ermächtigungsgesetz z. B. ist wirklichkeitsnäher in der akustischen Wahrnehmung als wenn man sie nur liest. Ähnliches gilt für politische Debatten, politische Lieder oder politisch relevante Hörspiele. Lieder und Hörspiele werden in gewissem Umfang von der Schallplatten-Industrie angeboten.

163

Abgesehen von diesen relativ begrenzten Möglichkeiten, bespielte Tonträger einzusetzen, liegt die Bedeutung des Tonbandgerätes für den politischen Unterricht auf zwei anderen Gebieten:

Erstens kann das Tonbandgerät im politischen Unterricht als Produktionsmittel eingesetzt werden, indem z. B. Schüler die Ergebnisse ihres Unterrichts mediengerecht zu einer Bandaufzeichnung produzieren (vgl. dazu den Abschnitt über die "Produktion"). Je nach Projekt können Interviews z.B. mit Experten (vgl. den Abschnitt über die "Expertenbefragung") hergestellt und vor der Klasse reproduziert werden. Schon mit zwei Bandgeräten lassen sich Tonfolgen (z. B. Features) herstellen, bei denen eigener Text, Interviews und sonstige Mitschnitte verwendet und montiert werden können.

Jedoch muß hier sogleich an die schon im Abschnitt über die "Produktion" erwähnten Schwierigkeiten erinnert werden: Die Aufnahmen müssen technisch einigermaßen annehmbar sein, und das muß man lernen. Deshalb sollte man mit nicht zu umfangreichen Aufgaben (z. B. Interviews) beginnen, um die technischen Schwierigkeiten (Nebengeräusche, Mikrophonstellung, Außengeräusche usw.) erst einmal kennenzulernen. Vor allem der Lehrer muß die Technik ohnehin souverän beherrschen, damit er die Schüler richtig einüben kann, bzw. er sollte sich von einem Schüler einüben lassen.

Zweitens kann das Tonbandgerät zu Aufzeichnungen von Funksendungen eingesetzt werden, die dann im Unterricht verwendet werden können. Geeignet dafür sind in erster Linie Schulfunksendungen, aber auch andere Sendungen können interessant sein. Der Lehrer sollte selbst ein Tonbandgerät besitzen, mit dem er zu Hause mitschneiden kann. Aber auch ein Schüler könnte, wenn er über die entsprechende Ausrüstung verfügt, darum gebeten werden. Der Nachteil üblicher Funksendungen besteht vor allem darin, daß sie zu lang und meist auch für ein anderes Publikum verfaßt sind. Deshalb dürften auch in Zukunft vor allem Schulfunksendungen in diesem Zusammenhang von

164

Interesse sein. Sie werden zwar zur Schulzeit gesendet, aber nur in Ausnahmefällen kann der Unterricht auf den Sendetermin abgestimmt werden. Zudem liegt der eigentliche Nutzen nicht im einmaligen Hören, sondern darin, daß man durch die Aufzeichnung mehrmals wiederholen und an bestimmten Stellen unterbrechen kann usw. - also in der beliebigen Reproduzierbarkeit.

Im allgemeinen sind die Schulfunksendungen leider noch der Vorstellung verhaftet, man müsse politisch-gesellschaftliche Probleme dramatisieren, also in eine Spielhandlung binden. Das mag in vielen Fällen, vor allem für jüngere Klassen, eine ergiebige didaktische Konstruktion sein, die sich besonders für einen Einstieg eignet. Grundsätzlich jedoch kommt darin eine falsche Pädagogisierung zum Ausdruck. Es ist nämlich nicht einzusehen, warum die funkische Form des Hörspiels auf Kosten der eigentlich der Information dienenden Funkformen wie Dokumentation oder Feature ein derartiges Übergewicht haben soll. Es fehlen z.B. weitgehend Debatten-Zusammenstellungen aus den Diskussionen des Parlamentes über wichtige Fragen wie die Ostverträge oder die Notstandsgesetze. Eine falsch verstandene Pädagogisierung scheint hier dem politischen Original-Material zu mißtrauen. Für den einzelnen Lehrer bedeutet die Zusammenstellung solchen politischen Originalmaterials eine erhebliche Arbeit; denn er muß z. B. größere Parlamentsdebatten nicht nur mitschneiden, sondern anschließend auch wieder zu einer brauchbaren Kurzfassung zusammenschneiden. Allerdings bringen die Sender bei wichtigen Debatten in den Abendprogrammen auch von sich aus Zusammenfassungen, die übernommen werden könnten.
 

Funk und Fernsehen

Die bisherige Argumentation in diesem Kapitel zeigt bereits die Bedeutung der großen Massenmedien Funk und Fernsehen für den politischen Unterricht. In der Tat ist kaum vorstellbar, daß ein Politik-Lehrer nicht ständig

165

schon zu seiner eigenen Information an dieser politischen Massenkommunikation teilnimmt. Wenn es zudem im politischen Unterricht wesentlich darum geht, die politische Wirklichkeit außerhalb der Schule zu ihrer intellektuellen Bearbeitung in die Schule hineinzuholen, dann kommt diesen Massenmedien eine überragende Bedeutung sowohl als Arbeitsmittel wie als Arbeitsgegenstand zu. Denn nur die sehr begrenzte Wirklichkeit, die unmittelbar individuell erfahrbar ist, kann ohne deren Vermittlung erfahren werden. Aber selbst das ist fraglich, weil diese individuellen Erfahrungen ohne die Thematisierung und Interpretation in den Massenmedien keine objektivierbare Qualität erhalten könnten. Die objektiven politisch-gesellschaftlichen Probleme jedenfalls sind nur auf dem Weg über die großen Massenmedien erfahrbar, verstehbar und zum Gegenstand eigener politischer Reaktionen zu machen. Man muß bei aller mehr oder weniger berechtigten Kritik an den Massenmedien sich vor Augen halten, daß gerade Funk und Fernsehen einen technologischen Fortschritt für die Herstellung einer demokratischen Öffentlichkeit sowie überhaupt für die Präsentation politischer Probleme und Lösungen darstellen, der vom politischen Unterricht einfach nicht mehr unterlaufen oder ignoriert werden kann.

Die Einbeziehung von Funk und Fernsehen in den politischen Unterricht war jedoch solange nicht möglich, wie entsprechende technisch einfache und preislich erschwingliche Reproduktionsgeräte zur Aufnahme und beliebig häufigen Wiedergabe fehlten. Nur was unbegrenzt reproduzierbar ist - wie der Text eines Buches - kann zum Mittel oder Gegenstand intellektueller Bearbeitung werden. Insofern kann der technologische Fortschritt, der in den Sendemöglichkeiten selbst liegt, durch die technologische Möglichkeit einer tendenziell jedermann zugänglichen Reproduktion erst richtig ins kritische Bewußtsein genommen werden. Und insofern Urheberrechte immer noch die unbegrenzte Reproduktion einschränken, sind sie in dem Sinne reaktionär, daß sie dem Fortschritt der intellektuellen Produktionsmittel im Wege stehen.

166

Für die Aufzeichnung durch Tonbandgeräte ist das technische Problem seit langem gelöst. Jeder Lehrer kann sich als Privatperson ein solches Gerät mit entsprechender Minimalausstattung leisten, und jede Schule auch. Auch brauchbare Fernsehaufzeichnungsgeräte (Video-Recorder) sind seit einiger Zeit im Handel, sind aber für die private Anschaffung und auch für so manchen Schuletat immer noch zu teuer. Jedoch ist die Benutzung solcher Geräte grundsätzlich möglich geworden. Die Schwierigkeit scheint weniger im Preis zu liegen - wie sich schon bei den Tonbandgeräten zeigte - , sondern darin, daß die Lehrer ihren Einsatz aus welchen Gründen auch immer für unwichtig oder unerwünscht halten. Man muß sich jedoch darüber klar sein, daß die Schüler an den politischen Sendungen etwa des Fernsehens zunehmend teilnehmen und daß sie zunehmend den politischen Unterricht als im Vergleich damit technologisch rückständig erfahren werden, wenn dieser auf den Einsatz solcher Medien verzichtet. Technologische Rückständigkeit ist aber zumindest auf die Dauer auch immer verbunden mit ideologischer und didaktischer Rückständigkeit. Manches kann der Lehrer eben schon aus technischen Gründen nur schlechter als Funk und Fernsehen.

Mit der technischen Reproduzierbarkeit von Funk- und Fernsehsendungen zu jedermanns Gebrauch ist die Lehrmittelfrage überhaupt in ein neues Stadium getreten. Bisher nämlich fand hinsichtlich der Lehrmittel seitens der Kultusbürokraten (Genehmigungsverfahren) wie auch seitens der Lehrmittelindustrie eine nicht unerhebliche Vorauswahl statt. Diese Grenzen werden durch die genannten technischen Reproduktionsmöglichkeiten grundsätzlich gesprengt. Damit kann der politische Unterricht nicht nur eine neue technische, sondern auch eine neue inhaltliche Qualität gewinnen.

Aber auch aus einem weiteren Grunde wäre die Einbeziehung der öffentlichen Informationen in den politischen Unterricht wichtig. Ein Problem des Lehrers ist ja, daß er im Unterricht ein gewisses fachlich-sachliches Monopol hat,

167

das die Schüler im allgemeinen nur schwer überprüfen können. Schon das Schulbuch hatte, wie wir sahen, seine Funktion nicht zuletzt darin, daß es Texte enthält, die eben nicht vom eigenen Lehrer stammen. Auch Funk- und Fernsehsendungen könnten nicht zuletzt die Funktion haben, daß der Lehrer sich gegenüber den Schülern mit von ihm selbst stammenden Aussagen und Positionen auseinandersetzen muß.
 

Reproduktionsmittel

Die bisherigen Überlegungen haben gezeigt, daß nur ein Teil der für den politischen Unterricht nötigen Arbeitsmittel in standardisierter Form von den Bildstellen bzw. von der Industrie produziert werden kann, nämlich nur solche, die nicht auf unmittelbare Aktualität angewiesen sind. Da jedoch die Sache Politik immer wieder aktuell zur Debatte steht, ist gerade der politische Unterricht sehr viel stärker als andere Fächer darauf angewiesen, sich einen großen Teil der nötigen Arbeitsmittel selbst zu produzieren, also die politische Aktualität zum Zwecke der Bearbeitung in den Unterricht hineinzuholen. Wie schon mehrfach betont wurde, ist dies keineswegs nur die Aufgabe des Lehrers, daran können sich vielmehr grundsätzlich auch die Schüler beteiligen, speziell solche, die privat über eine technische Ausstattung wie Fotoapparate (für Dias) und Tonbandgeräte verfügen. Teilweise sollte der Unterricht im Sinne einer Produktion sogar das Ziel haben, geeignete Lehrmittel - auch für andere Schüler und andere Klassen - herzustellen.

Voraussetzung jedoch dafür, daß dies unter einem möglichst geringen Zeitaufwand und möglichst effektiv geschehen kann, ist das Vorhandensein bestimmter, der Reproduktion dienender Apparate. Deshalb sollten dem politischen Unterricht möglichst folgende Geräte zur Verfügung stehen, die natürlich auch von anderen Fächern mitbenutzt werden können:

168

Einige Schreibmaschinen, mit denen eigene Texte der Schüler und Lehrer sowie fremde Texte zum Zwecke der Vervielfältigung (z. B. auf Umdruck-Matrize oder einfach mit Durchschlägen) geschrieben bzw. abgeschrieben werden können. Der Politik-Lehrer muß selbstverständlich selbst eine Schreibmaschine besitzen und benutzen können. In der Schule müssen auch Schüler eine Schreibmaschine gelegentlich zur Verfügung haben - einige Methoden, wie das Planspiel, setzen dies voraus - , und auch während des üblichen Unterrichts muß zwischendurch die Benutzung einer Schreibmaschine möglich sein.

Ein Umdruck-Vervielfältiger. Im allgemeinen dürfte ein Gerät für die ganze Schule genügen. Der Umdrucker hat gegenüber anderen, mit Wachsmatrizen zu bedienenden Vervielfältigungsgeräten den Vorteil, daß er in Anschaffung und Verbrauch billiger ist, daß die Matrizen aufbewahrt und erneut benutzt werden können (bis zu einer Auflage von etwa 150 bis 200) und daß vor allem die Matrizen auch mit der Hand beschrieben bzw. mit Zeichnungen, Graphiken und ähnlichem versehen werden können.

Ein Trockenkopiergerät, mit dem man auch Kopien aus Büchern herstellen kann (es gibt billige Geräte, die nur von Einzelblättern kopieren). Auch hier genügt meist ein Gerät für die ganze Schule. Es hat den Vorteil, daß man gedruckt vorliegende Texte, Graphiken, Tabellen usw. nicht mühsam abschreiben bzw. abzeichnen muß. Allerdings ist das Kopier-Papier verhältnismäßig teuer.

Ein Dia-Projektor mit notwendigem Zubehör. Beim Kauf sollte man sich von der zuständigen Bildstelle beraten lassen.

Mindestens zwei Tonbandgeräte mit entsprechendem Zubehör. Beim Kauf sollte man sich wieder von der Bildstelle beraten lassen, denn das Gerät muß für den Schulgebrauch gewisse technische Leistungen erbringen, z.B. eine bestimmte Wiedergabe-Leistung. Mindestens zwei Geräte sind nötig, damit man z. B. bei Eigenproduktionen Überspielungen vornehmen oder aus größeren Sendungen Aus-

169

schnitte herstellen kann. Wie schon betont, gehört ein Tonbandgerät zur "Berufsausstattung" des Politik-Lehrers (obwohl das Finanzamt darüber anders denkt). Tonbandgeräte können übrigens manchmal auch von den Bildstellen ausgeliehen werden.

Ein Radiogerät wäre unter Umständen nützlich, ist aber dann entbehrlich, wenn der Lehrer selbst über Radio- und Tonbandgerät verfügt, es sei denn, Schulfunksendungen sollen original im Unterricht gehört werden.

Ein 16-mm-Tonfilmgerät. Es kann zwar von der Bildstelle auch ausgeliehen werden, aber der damit verbundene Aufwand wird sich bald als Hemmnis für die Benutzung überhaupt erweisen. Ein solches Gerät muß jede Schule ständig zur Verfügung haben. Bei der Anschaffung beraten wieder die Bildstellen.

Ein Video-Recorder. Wie schon erwähnt wurde, ist dieses Gerät noch verhältnismäßig teuer, auch die Bildbänder sind erheblich teurer als Tonbänder. Gleichwohl hat das Fernsehen für den politischen Unterricht eine so große Bedeutung, daß es sich der Unterricht gar nicht leisten kann, auf die Benutzung von Sendungen zu verzichten, ganz abgesehen davon, daß das Angebot des Fernsehens eben entschieden umfangreicher ist als das Bildstellen-Angebot. Eher kann man noch auf das relativ teure Tonfilmgerät verzichten als auf den Video-Recorder.

Ein Fernsehgerät. Vor allem unter dem Zeichen des beginnenden Schulfernsehens gehört ein stationäres Fernsehgerät (mit Anschluß für Video-Recorder) eigentlich in jeden Klassenraum. Ein Kompromiß wäre ein tragbares oder fahrbares Gerät, oder aber die Einrichtung eines Klassenraumes, der nur für diesen Zweck benutzt wird. Für jede einzelne Schule sähe der optimale Kompromiß jeweils verschieden aus. Wichtig ist nur, daß die Benutzung mit einem nach Lage der Dinge minimalen Aufwand gewährleistet ist. Das gilt auch für die Aufzeichnung selbst. Am zweckmäßigsten ist, wenn der Lehrer die Aufzeichnung an seinem privaten Fernseher vornimmt, den er sich dafür für geringe Kosten allerdings herrichten lassen muß.

170

Eine Zeitschaltuhr. Sie ist für die Aufnahme von Funk- und Fernsehsendungen deshalb unentbehrlich, weil sich mit ihrer Hilfe die Aufnahmezeit vorher programmieren läßt und die Aufnahme unabhängig von persönlicher Anwesenheit erfolgen kann. Sie ist auch für die private Ausstattung des Lehrers zu empfehlen.

Es genügt jedoch nicht, diese Geräte bloß zur Verfügung zu haben, sie müssen auch funktionsgerecht aufgestellt werden können. Die technisch relativ einfache Handhabung wird nämlich dennoch zu einem unnötigen Aufwand, wenn die Geräte ständig transportiert und auseinandergekabelt werden müssen. Das gilt insbesondere für die Funk- und Fernsehausstattung. Eigentlich müßte zumindest ein "Aufnahme-Set" von Fernsehgerät, Video-Recorder, Radiogerät, Tonbandgerät und Zeitschaltuhr fest installiert sein, möglichst in einem Raum, der auch zur Wiedergabe genutzt werden kann. Die bloß zur Wiedergabe benötigten Einzelgeräte lassen sich eher transportieren.

Unsere Vorschläge für die apparative Ausstattung der Schule für den politischen Unterricht sowie überhaupt zur Frage der Arbeitsmittel sind bemüht, illusorische Forderungen gar nicht erst zu erheben, sondern sich auf das zu konzentrieren, was von den Anforderungen eines politischen Unterrichts her unumgänglich ist, wenn er nicht in einen fatalen technologischen Rückstand gegenüber den Informationssystemen kommen will, über die die Schüler außerhalb der Schule längst verfügen. Trotzdem werden viele Lehrer angesichts ihres tatsächlichen Lehrmittel-Etats auch diese Vorschläge für illusorisch halten. Gleichwohl muß auf ihrer Realisierung aber bestanden werden; denn es handelt sich hier nicht um "Lehrmittel", die auch zur Not fehlen könnten, weil der Lehrer sie durch zusätzliches methodisches Engagement ersetzen könnte. Vielmehr handelt es sich um Arbeitsmittel, die durch nichts ersetzbar sind, deren Fehlen eben notwendigerweise einen schlechteren als objektiv nötigen Unterricht zur Folge hat. Es ist so ähnlich, als wenn man mit dem Standard der industriellen

171

Arbeitsmittel aus dem 19. Jahrhundert moderne Güterproduktion betreiben sollte. Man muß jedoch auch annehmen, daß die Lehrer selbst die Forderung nach den notwendigen Arbeitsmitteln nicht entschieden genug vertreten - vielleicht weil sie doch irgendwie noch glauben, daß sie selbst das eigentlich wichtige Arbeitsmittel seien. Zudem tun die Hochschulen sehr wenig, um die angehenden Lehrer mit den Problemen der speziellen Arbeitsmittel zu konfrontieren, ja, die Frage der Arbeitsmittel überhaupt zu einem Problem der Unterrichtsmethodik zu machen. Dieser Mangel wiegt aber, wie wir sahen, gerade für den politischen Unterricht besonders schwer.
172

 URL des Dokuments: : http://www.hermann-giesecke.de/metho6.htm

Inhaltsverzeichnis