Hermann Giesecke /Annelie Keil /Udo Perle

Pädagogik des Jugendreisens

München: Juventa-Verlag 1967



INHALT

Zu dieser Edition

VORWORT 

EINLEITUNG 

ERSTER TEIL: PROBLEME EINER PÄDAGOGISCHEN THEORIE DES TOURISMUS

Kritik pädagogischer Freizeittheorien
Kritik pädagogischer Urlaubsvorstellungen
Entwurf eines theoretischen Ansatzes
Allgemeine Lerndefizite jugendlicher Touristen

ZWEITER TEIL: TOURISMUS ALS LERN- UND ERFAHRUNGSFELD

Die sozialen Beziehungen
Größe und Integration der Reisegruppe; Die Altersgliederung; Die gemischt-geschlechtliche Zusammensetzung; Die Zusammensetzung nach sozialen Schichten

Der Komfort.
Der private Komfort; Der Geselligkeitskomfort

Das Angebot
Die sachlich orientierte Geselligkeit; Die gemischt-geschlechtliche Geselligkeit; Die Erschließung der touristischen Umwelt

Führungsstile und Beziehungen zwischen Leitung und Gruppe.
Die Beziehungen von Leitung und Feriengruppe als Rollen-Ensemble; Kollektive Führungsformen; Urlaub als zeitlicher Prozeß;

Für und wider den "jugendeigenen" Tourismus

DRITTER TEIL: FOLGERUNGEN UND VORSCHLÄGE

Entwurf einer Didaktik der Reiseleiterausbildung
Vorschläge für die Veranstalter
Vorschläge für die öffentliche Subvention
Vorschläge für weitere pädagogische Experimente

QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS



Zu dieser Edition

Die "Pädagogik des Jugendreisens" erschien 1967 im Juventa-Verlag München. Das Buch  stützte sich vor allem auf eine umfangreiche sozialwissenschaftliche Untersuchung unter der Leitung von Helmut Kentler, die damals bereits vorlag, aber erst 1970 in zwei Bänden veröffentlicht wurde (Helmut Kentler/ Thomas Leithäuser/ Hellmut Lessing: Jugend im Urlaub. Weinheim 1970). Kernstücke waren aus der "teilnehmenden Beobachtung" gewonnene Berichte über zahlreiche jugendtouristische Projekte sowie die Aufarbeitung der bereits vorliegenden soziologischen Fachliteratur.

Für die pädagogische Interpretation dieses Materials, die Gegenstand der vorliegenden Edition ist, gab es damals kaum Vorbilder. Das Thema lag außerhalb des erziehungswissenschaftlichen bzw. pädagogischen Gesichtskreises. Die damals aufblühenden jugendtouristischen Projekte überwanden nämlich das jahrzehntelange Monopol des am Ideal des "Jugendgemäßen" orientierten jugendpflegerischen Urlaubs für Jugendliche und stellten ihm eine Alternative an die Seite, die am damals ebenfalls noch jungen kommerziellen Erwachsenentourismus orientiert war. Um diesen Veränderungsprozess zu verstehen, mussten die Autoren die damals herrschende kulturkritische Vorstellung über das Freizeit- und Konsumsystem verlassen und durften die neuen jugendtouristischen Projekte nicht mehr von vornherein lediglich vom Standpunkt der tradierten pädagogischen Normen aus bewerten. Vielmehr deuteten sie den Tourismus unter Anerkennung seiner kommerziellen Rahmenbedingungen als ein spezifisches Lernfeld, in dem allerdings "Erziehung" im herkömmlichen Sinne eines Normentransfers von Erwachsenen zu Jugendlichen nur noch eine begrenzte Bedeutung haben konnte. Die Leitfrage war vielmehr, was im Rahmen dieses besonderen Feldes für dessen optimale und souveräne Nutzung gelernt und wie solche Lernprozesse dort etwa von den Reiseleitern unterstützt werden könnten. Der daraus abgeleitete Entwurf einer Pädagogik des Jugendreisens wurde zudem nicht nur theoretisch skizziert, sondern auch mit einer Fülle praktischer Vorschläge angereichert, deren Erfahrungshintergrund die Aus- und Fortbildung von Reiseleitern war.

Der Text der ursprünglichen Druckfassung ist für diese Edition unverändert übernommen worden, lediglich die Rechtschreibung wurde aktualisiert. Die Seitenzahlen der Druckfassung wurden ebenfalls übernommen und befinden sich links unten am Ende der jeweiligen Seite.

Hermann Giesecke, März 2021

Vorwort

Diesem Buch liegt eine umfangreiche empirische Untersuchung des Studienkreises für Tourismus über das Urlaubsverhalten Jugendlicher zugrunde, die durch ein Team unter Leitung von Helmut Kentler im Jahre 1964 vornehmlich in südlichen Ländern durchgeführt wurde (8)*. Diese Untersuchung wurde von Hermann Giesecke, Heinz Hahn, Helmut Kentler und Udo Perle gemeinsam geplant. Angesichts des Umfangs des dabei gewonnenen und durch andere Einzelstudien (1 bis 16) noch vermehrten Materials erschien es sinnvoll, die sozialwissenschaftliche und pädagogische Aufarbeitung dieses Materials in zwei verschiedenen Publikationen vorzunehmen. Dabei konnten die Verfasser dieses Buches auf eine quantifizierende Auswertung verzichten und sich auf eine qualifizierende Interpretation der pädagogisch relevanten Daten beschränken. Wir stützten uns dabei vornehmlich auf die sechs Projekt-Monografien, die Helmut Kentler als typische Projekte unter den 44 untersuchten ausgewählt und ausführlich dargestellt hat (8/VI/l bis 6). Eine zusammenfassende Darstellung der sozialwissenschaftlichen Untersuchungsergebnisse wird Helmut Kentler demnächst unter dem Titel »Jugend im Urlaub« im Juventa Verlag veröffentlichen.
Neben der Auswertung des vorliegenden empirischen Materials unter pädagogischem Aspekt erschien es uns sinnvoll, die pädagogischen Probleme des modernen Jugend-
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tourismus auch unter der Perspektive der Schwierigkeiten der Veranstalter und Reiseleiter zu studieren; dies gelang durch eine umfangreiche Mitwirkung an der Reiseleiterausbildung für verschiedene Institutionen, an der sich besonders Heinz Hahn, Annelie Keil und Udo Perle beteiligten. Die dabei gewonnenen Informationen ergänzten die empirischen Erhebungen in hohem Maße. Zudem war Udo Perle im Auftrag eines Jugendreisedienstes als Praxisberater in zahlreichen Projekten tätig (61). Schließlich gelang es, unter Leitung von Udo Perle in drei Großprojekten des Jugendtourismus mit »verdeckt«, das heißt »in-offiziell« arbeitenden pädagogischen Teams Experimente durchzuführen, die die pädagogische »Ergiebigkeit« eines solchen Feldes testen sollten. Die Berichte der daran beteiligten Sozialpädagogen wurden ebenfalls von uns mit ausgewertet (11).

Diese Verschränkung von empirischen Daten mit vielfachen, aber nicht im eigentlichen Sinne »belegbaren« Erfahrungen zwang uns zur Teamarbeit bei der Darstellung: Hermann Giesecke entwarf den Gesamtplan des Buches und den ersten Teil des Manuskripts, Annelie Keil den zweiten und Udo Perle den dritten. Hermann Giesecke redigierte dann den Gesamttext, bis Einstimmigkeit über ihn erzielt wurde.
Die Quellennachweise wurden in den Text eingearbeitet. Sie lassen sich mit Hilfe des durchnumerierten Literaturverzeichnisses entschlüsseln. Die erste Zahl verweist auf die Nummer im Literaturverzeichnis, die zweite gibt die Seitenzahl wieder. Größere Anmerkungen und Dokumentationen wurden in den Text einbezogen, sie sind aber durch kleinere Schrift abgehoben. Die in den Projektberichten auftauchenden Orts- und Personennamen wurden von uns geändert und stimmen mit den tatsächlichen Namen nicht überein.

Herzlichen Dank schulden wir all den Stellen, die sowohl die jugendkundliche Untersuchung wie auch unsere jugendpädagogische Studie durch Zuschüsse gefördert haben: dem Arbeits- und Sozialministerium des Landes Nordrhein-
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Westfalen, dem Bayerischen Jugendring, dem Deutschen Jugendinstitut, dem Hessischen Jugendring, der Industriegewerkschaft Chemie, Papier, Keramik, der Industriegewerkschaft Metall und dem Jugendfahrtendienst. Besonders Herrn Prof. Dr. Küchenhoff vom Deutschen Jugendinstitut und Herrn Ministerialrat Weber vom Arbeitsministerium Nordrhein-Westfalen schulden wir Dank für ihre großzügige und verständnisvolle Hilfe. Aufrichtigen Dank schulden wir ferner Herrn Dipl.-Psych. Heinz Hahn vom Studienkreis für Tourismus für zahlreiche Ratschläge sowie für eine umfangreiche organisatorische Hilfe. Den Herren Heinz Hahn, Helmut Kentler und Hellmut Lessing danken wir schließlich für die kritische Durchsicht des Manuskripts.

Dieses Buch will und kann nicht mehr sein als ein erster umfangreicher Diskussionsbeitrag zu einem pädagogischen Feld, das bisher von der Erziehungswissenschaft recht wenig beachtet wurde und dessen Erörterung meist im Vorfeld kulturkritischer Polemiken stecken blieb. Wir hoffen, dass es den in diesem Feld Verantwortlichen hilft, ihre Maßnahmen zu verbessern.

Hermann Giesecke -  Annelie Keil -  Udo Perle

 


EINLEITUNG

Die pädagogische Diskussion über den modernen Jugendtourismus ist in Deutschland erst einige Jahre alt. Zwar sind auch in früheren Jahrhunderten Jugendliche aus verschiedenen Gründen gereist, wie Robert Baumann in seiner umfangreichen Berner Dissertation beschrieben hat (19). Aber sie blieben Minderheiten: Vaganten, Handwerksge-sellen oder junge Adelige. Erst die modernen sozialen Emanzipationsbewegungen — Konsequenzen der ersten industriellen Revolution — führten auch zur Emanzipation des Reisens: in dem Maße, wie die verschiedenen sozialen Schichten (Bürgertum, Arbeiterschaft, Frauen, Jugend) sich politisch-gesellschaftlich emanzipierten, brachen sie auch das Reisemonopol der anderen Schichten. Die bisher letzte Station dieses geschichtlichen Prozesses war wohl die Durchsetzung des Mädchenwanderns durch die Jugendbewegung. So gesehen ist die Diskussion um den Jugendtourismus nicht neu, sondern sehr alt. Schon um die Jahrhundertwende gab es für Reisen der Schüler und ihrer Lehrer eine ausgeprägte Theorie und Tradition, wie der Artikel »Schulreise« in der »Pädagogischen Enzyklopädie« von Walter Rein zeigt. »Wandertage« und »Schullandheim-Aufenthalte« haben auch heute noch eine große Bedeutung, und das eigene Schullandheim ist der Stolz so mancher Schule.

Aber die Tatsache, dass auf dem heutigen Höhepunkt der touristischen Entwicklung prinzipiell alle — auch junge — Menschen verreisen können und dass sie dies tendenziell auch tun, hat die Diskussion auf eine neue Ebene gehoben;
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denn diese Tatsache ist in de13r Geschichte neu und einmalig. Noch vor wenigen Jahren glaubte man, dass Jugendliche, wenn überhaupt, dann mit ihren Eltern oder mit ihren Jugendgruppen im Rahmen der allgemeinen Jugendpflege verreisen. Für beide Fälle schien eine besondere pädagogische Theorie nicht nötig: Eltern pädagogisch aufzuklären, gilt ganz allgemein als weitgehend überflüssig, und die Ferienveranstaltungen der organisierten Jugendpflege konnten scheinbar auf eine lange und gesicherte pädagogische Tradition zurückblicken.

Erst um das Jahr 1961 wurde eine Entwicklung bemerkt, die diese beschauliche Ruhe gleichsam unterwandert hatte. Beobachtungsberichte vor allem von Udo Perle und Helmut Kentler demonstrierten, dass es »massentouristische« Formen des jugendlichen Reisens gab, die in kaum einer Hinsicht in das überlieferte Leitbild des jugendlichen Reisens mehr hineinpassten (7; 12; 13). Die an diese Berichte anschließende öffentliche Diskussion übertrieb dann leider die dort erwähnten sexuellen Libertäten, so dass auf diese Weise die pädagogische Problematik des jugendlichen Tourismus ungebührlich vereinfacht wurde. Davon abgesehen hatten diese Beobachtungsberichte nicht nur auf die quantitative Vermehrung des jugendlichen Reisens aufmerksam gemacht, sondern auch auf ein zweites, vielleicht noch gravierenderes Novum: auf die Tatsache nämlich, dass zum erstenmal in der neueren Geschichte immer mehr Jugendliche außerhalb der traditionellen Erziehungsmächte (Familie, Schule, Kirche, Jugendpflege) verreisen. Allmählich und von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt hatte der Markt — wie schon im Hinblick auf andere Konsumgüter — so auch hier das jugendliche Publikum erfasst und gegenüber den traditionellen pädagogischen Bindungen autonomisiert.

Nun wurde offensichtlich, dass die jugendpflegerische Tradition nicht einfach auf dieses neue Phänomen angewendet werden konnte. Dadurch, dass immer mehr Jugendliche verreisen konnten, wurden die jugendpflegerischen Maßnahmen auf diesem Gebiet schon quantitativ überfahren.
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Für die Reiseangebote der traditionellen pädagogischen Einrichtungen hatte das die Folge, dass sie mit den neuen Anbietern in eine Konkurrenzsituation gerieten, gewissermaßen ihres »pädagogischen Monopols« beraubt wurden. Noch vor wenigen Jahren hatte man es in der Jugendpflege mit kleinen Zahlen und kleinen Gruppen in einfachen organisatorischen Zusammenhängen zu tun, die von wenigen Hauptamtlichen und zahlreichen Ehrenamtlichen gemeistert werden konnten. Seit man begonnen hat, das Volumen der eigenen Maßnahmen erheblich auszuweiten, stellen sich auch hier massentouristische Probleme ein: der organisatorische Apparat, weiterhin auf ehrenamtliche Kräfte gestützt, wird immer krisenanfälliger; die Auswahl der geeigneten Mitarbeiter, bisher vor allem durch persönliche Bekanntschaft erleichtert, muss sich zunehmend »objektiver«, »unpersönlicher« Maßstäbe bedienen; die Programme, bisher vorwiegend aus einem langen Gemeinschaftsprozeß der reisenden jugendlichen Gruppe erwachsen, müssen zusehends normiert, in die Verkaufssprache der Werbung gekleidet und an ein anonymes Publikum herangetragen werden. Udo Perle, Helmut Kentler und Hermann Giesecke unternahmen 1964 die ersten Ansätze, dieses neue Feld pädagogischen Fragestellungen theoretisch zu öffnen. Diese ersten Überlegungen fanden in den Beiträgen der Autoren zu dem Buch »Jugendtourismus« (39) ihren Abschluss (27; 47; 48; 62).

Inzwischen war klargeworden, dass ohne sorgfältige empirische Unterlagen auch die pädagogischen Überlegungen nicht weitergehen konnten. So gelang es im Sommer 1964, eine erste umfangreiche Untersuchung über jugendliches Urlaubsverhalten (18- bis 25jährige) in südlichen Ländern unter Leitung von Helmut Kentler durchzuführen und auszuwerten (8). Die Absicht, unmittelbar danach an der Ostseeküste eine weitere Untersuchung (10- bis 17jährige) durchzuführen, musste aus finanziellen Gründen wieder aufgegeben werden. Außer der genannten Untersuchung liegen mehrere durch den Studienkreis für Tourismus in Auftrag gegebene Beobachtungsstudien vor, die sich aber
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weitgehend auf den Erwachsenentourismus erstrecken; sofern sie Projekte des Jugendtourismus zum Gegenstand haben, sind sie nicht miteinander koordiniert und deshalb nur bedingt vergleichbar (2; 5; 6; 7; 10; 12; 13; 15; 16). Abgesehen von der touristischen Sonderform des Wanderns liegen erziehungswissenschaftliche Darstellungen überhaupt nicht vor (21; 65). Vor allem aber fehlt es noch an pädagogischen Experimenten, das heißt an Studien, die nicht nur die Tatsächlichkeit, sondern auch die pädagogische Veränderbarkeit des jugendlichen Reiseverhaltens zum Gegenstand haben (vgl. 6; 11).

Somit ist also die empirische Basis recht schmal, und der erziehungswissenschaftliche Vorstoß in dieses neue Feld traditionslos und ungesichert. Es kann daher in diesem Buch nur darum gehen, ein erstes, offenes und durch weitere Diskussionen und Forschungen korrigierbares Interpretationsmodell zu entwerfen. Dabei betrachten die Verfasser ihre bisherigen Veröffentlichungen zu diesem Thema als Vorstudien, die sie im einzelnen nicht zitieren wollen. So nahe es läge, dieses Buch mit einer Geschichte der pädagogischen Gedanken zum jugendlichen Reisen zu beginnen, so wenig würden wir damit die neue Problematik des jugendlichen Tourismus wirklich erreichen; denn diese pädagogische Überlieferung ist begrenzt auf den Bereich der traditionellen Erziehungsmächte, den es ja gerade zu überschreiten gilt. Um die pädagogische Bedeutung des modernen Tourismu13s erkennen zu können, müssen wir uns viel-mehr seinem System selbst zuwenden. So erscheint es uns sinnvoller, im ersten Teil nicht die Geschichte des pädagogischen Jugendreisens, sondern die Geschichte der pädagogischen Freizeittheorie knapp nachzuzeichnen, um zu prüfen, inwieweit diese Theorie dem Phänomen der Freizeit gerecht werden und inwiefern eine pädagogische Theorie des Jugendtourismus daran anknüpfen kann. Es wird sich dabei zeigen, dass nicht nur diese Theorien, sondern auch die heute in der Praxis allgemein auffindbaren Vorstellungen über Reisepädagogik für einen überzeugenden theoretischen Ansatz ungeeignet sind. Aus der Kritik an jenen
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Theorien und Vorstellungen heraus wollen wir dann einen eigenen Ansatz formulieren, in dem wir den modernen Tourismus als ein eigentümliches, unaustauschbares Lern- und Erfahrungsfeld definieren.
Der zweite Teil wird dieses Feld näher beschreiben, indem er im Rahmen des vorliegenden empirischen Materials ein Faktorenmodell entwickelt, das die Lernwirkungen und Lernhemmungen in einen geordneten Zusammenhang bringt.

Der letzte Teil schließlich entwickelt sowohl aus dem vorhandenen wissenschaftlichen Material wie aus den praktischen Erfahrungen der Autoren Vorschläge für die Reiseleiterausbildung, für die Reiseveranstalter und für die öffentliche Subvention sowie für weitere pädagogische Forschungen.

Für das Verständnis des folgenden ist es nützlich, sich von vornherein über die zentralen Begriffe »Tourismus« und »Jugend« zu verständigen. Tourismus ist für uns eine Sammelbezeichnung für alle organisierten Formen des Urlaubsreisens, ob sie nun »rein kommerziell« sind oder mit pädagogischen Motiven aus öffentlichen Mitteln subventioniert werden. Eine von uns selbst in früheren Veröffentlichungen vorgeschlagene prinzipielle Trennung zwischen diesen Veranstaltungsformen scheint uns nicht länger zweckmäßig. Wir verstehen unter »Tourismus« also zum Beispiel von vornherein sowohl die organisierte Massenreise von kommerziellen Reiseunternehmungen als auch sogenannte »Jugenderholungs-maßnahmen« der Jugendpflege, soweit es sich nicht um Stadtranderholung oder Kurmaßnahmen handelt. Die zwischen beiden Formen bestehenden Unterschiede zeigen nur, dass der moderne Tourismus — bei Licht betrachtet — keineswegs ein konformistisches Gesicht hat, sondern eine Fülle von Reiseformen widerspruchslos in sich vereinigen kann.

Die zahlreichen jugendlichen Einzelreisenden sowie die Gruppen der Gammler, Tramper usw. bleiben schon des-
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halb in diesem Buch unberücksichtigt, weil es über sie noch gar keine Untersuchungen gibt. Wir halten das Moment der Organisation im Sinne eines mehr oder weniger umfangreichen Systems von Dienstleistungen deshalb für so wichtig im Rahmen dieser Definition, weil es das Gesicht des modernen Tourismus entscheidend bestimmt. Wenn dank der ökonomischen und gesellschaftlichen Entwicklung tendenziell alle Menschen verreisen können — noch dazu in bestimmten Stoßzeiten —, dann wird ein ungeheures Maß an vorplanender Organisation erforderlich. Das Verkehrschaos in den Hauptreisezeiten belehrt uns darüber, was geschehen würde, wenn tatsächlich jeder »spontan« und »auf eigene Initiative« verreisen wollte. Die planende Organisation zwingt zur Rationalisierung und ermöglicht sie: verreisen wird billiger und dadurch wieder für mehr Menschen erschwinglich. Die unumgänglich notwendige Organisation gewinnt nun auch Einfluss auf die Formen des Verreisens. Preisgünstig ist das, was leicht zu organisieren ist. Das hat nun keineswegs dazu geführt, wie man meist fälschlich annimmt, dass alle früheren »klassischen« Formen des Verreisens von der touristischen Form überflügelt worden seien. Vielmehr haben wir heute einen Formenreichtum des Reisens wie nie zuvor. Man kann sich keine noch so eigenwillige Reise ausdenken, die nicht in jedem Falle leichter zu organisieren wäre als noch vor 50 Jahren.

Wir messen dem Organisationscharakter des modernen Tourismus deshalb eine so konstitutive Bedeutung zu, weil man keine pädagogische Theorie des Tourismus mehr entwerfen kann, die nicht davon ausgeht, dass prinzipiell alle Menschen verreisen können. Dieser Gesichtspunkt ist deshalb so wichtig, weil alle herkömmlichen pädagogischen Theorien über das jugendliche Reisen Theorien für Minderheiten waren; sie hatten nur solange eine Chance, wie nicht alle Menschen, die dafür in Frage kamen, sie auch beanspruchten. Am deutlichsten lässt sich das am Wandern zeigen. Alle deutschen Wandergegenden sähen monatelang wie der Berliner Grunewald am Sonntagnachmittag aus,
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wenn alle Menschen, die verreisen können, wandern wollten — wie das der bisher herrschenden pädagogischen Theorie vorschwebt. Die Exklusivität des Wanderns beruht gerade darauf, dass die meisten anderen Reisenden sich anderer Reiseformen bedienen. Eine pädagogische Theorie des Tourismus muss also den inneren Zusammenhang von Demokratisierung und Massenorganisation grundsätzlich akzeptieren, wenn sie ernst genommen werden will. Das bedeutet aber, dass Probleme des modernen Jugendtourismus eben nicht mehr einfach aus der Perspektive der jugendpflegerischen Tradition betrachtet werden können.

Unter »Jugend« verstehen wir hier ganz formal junge Leute im Alter von 15 bis 25 Jahren, ohne dass wir von vornherein dieser Altersstufe eine bestimmte pädagogische Sinngebung erteilten außer der, dass es sich um ein Alter handelt, für das Lernvorgänge der verschiedensten Art als die subjektive Seite von Emanzipationsvorgängen eine besondere Bedeutung haben. Deshalb verzichten wir auch darauf, eine irgendwie geartete »Anthropologie des Jugendalters« mit der touristischen Realität zu konfrontieren und daraus irgendwelche Schlüsse zu ziehen. Für unseren Zusammenhang genügt vollauf zu wissen, dass das Jugendalter ein besonders lernbedürftiges und lernbereites Lebensalter ist und dass der Tourismus ein sozio-ökonomisches System ist, in dem souverän zu leben jedermann lernen muss. Gerade im modernen Tourismus müssen zahllose Erwachsene mindestens soviel und nichts anderes lernen als junge Leute auch. Freizeit und Tourismus haben die Erwachsenengeneration ebenso überrascht wie die junge, und die eine hat vor der anderen keineswegs einen Erfahrungsvorsprung. Insofern für Jugendliche und Erwachsene das objektive System des Tourismus dasselbe ist, gelten für beide Gruppen auch dieselben Lernprobleme. Hier sind deshalb wie auch schon in vielen anderen Bereichen die Grenzen zwischen »Jugendbildung« und »Erwachse-nenbildung« fließend geworden.
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ERSTER TEIL:

PROBLEME EINER PÄDAGOGISCHEN THEORIE DES TOURISMUS

Kritik pädagogischer Freizeittheorien

Zweifellos gehört der Tourismus in den größeren Zusam-menhang der modernen Freizeit. Historisch gesehen ist Freizeit ein Produkt der Industriegesellschaft. Gewiss gab es auch vor der industriellen Revolution arbeitsfreie Zeit, und manche frühere Kultur — wie die klassische griechische — könnte man von heute aus gesehen eine Freizeitkultur nennen. Aber eine solche Analogie würde deshalb nicht weit führen, weil die moderne Auffassung von Frei-zeit auch einen anderen Arbeitsbegriff voraussetzt, den man früher nicht kannte. In den Zeiten vor der industrie-len Revolution war die Arbeit der Menschen integriert in alle übrigen sozialen Beziehungen. Sie erfolgte weitgehend innerhalb der Familie; Wohnung und Arbeitsplatz waren meist noch nicht getrennt. Die zahlreichen — vor allem kirchlichen — Feiertage waren weniger eine »arbeitsfreie« Zeit, sie dienten vielmehr dazu, die gemeinsame Arbeit festlich zu überhöhen. Mit einem Wort: Arbeitsrolle und Freizeitrolle waren identisch. Natürlich gilt dies nur cum grano salis: Die industrielle Revolution kam nicht einfach über Nacht, sondern war — zum Beispiel durch den Kauf-mann, der durch weite Reisen neue größere Märkte erschloss — lange vorbereitet. Trotzdem war der durch die moderne Industrialisierung geprägte Arbeitsbegriff eine
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Revolution. Erst indem nämlich der abstrakte, von allen konkreten sozialen Beziehungen losgelöste »Profit« zur Leitvorstellung des Wirtschaftens wurde, wurde es möglich, große Investitionen zur Erhöhung der Produktivität vorzunehmen, und indem der Begriff der Arbeit wieder-um der Leitvorstellung der optimalen Produktivität un-terworfen wurde, musste er aus den bisherigen sozialen Beziehungen und Pflichten herausgelöst werden: an der Arbeit interessierte nur noch das, was als Produktivität an ihr messbar und kalkulierbar ist. Und nun erst wird die Arbeit wahrhaft »unmenschlich«, erscheint der Kampf nicht nur um höhere Löhne, sondern auch um immer mehr »freie« (das ist von dieser neuen Arbeit freie) Zeit als zentrale sozialpolitische Forderung. Das Auseinanderfallen von Arbeit und Freizeit ist also das Produkt der modernen industriellen Entwicklung, und der Mensch des Mittelalters hätte dieses Problem überhaupt nicht verstanden. Einfache historische Analogien sind hier also fehl am Platz. Es ist sinnvoller davon auszugehen, dass Freizeit ein geschichtlich neues Phänomen ist, das mit der modernen Industrie heraufkommt. Dabei zerstörte der frühe Kapitalismus zunächst die alte Relation von Arbeit und Musse; aber die technischen Revolutionen setzten neue Produktionsmöglichkeiten und Möglichkeiten der Verteilung der Produkte frei, so dass für immer mehr Menschen die Arbeitszeit immer mehr herabgesetzt werden konnte: die moderne Industrie selbst hat die Freizeit produziert.

Während die Freizeit inzwischen zum Gegenstand zahl-reicher sozialwissenschaftlicher Untersuchungen und sozial-philosophischer Betrachtungen geworden ist, lassen sich die pädagogischen Analysen — sieht man von einer etwas um-fangreicheren Aufsatzliteratur ab — leicht aufzählen. Der Begriff »Freizeit-Pädagogik« ist sehr viel jünger als das Phänomen der Freizeit selbst. Dass die Freizeit eine pädagogische Herausforderung darstelle, ist zum ersten Mal im Rahmen der Erwachsenenbildung der zwanziger Jahre von Fritz Klatt ausführlicher dargestellt und gleich auch praktisch angegangen worden. Diese pädagogische »Ver-
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spätung« verdient unsere Aufmerksamkeit; denn diejenigen sozialen Schichten, die sich Freizeit ökonomisch leisten konnten, hatten immer auch schon ihre Freizeitprobleme, ohne dass man auf den Gedanken gekommen wäre, dafür eine Freizeitpädagogik zu begründen. So ist die französische Revolution nicht zuletzt auch darauf zurückzufüh-ren, dass die damaligen »Muße-Klassen« (Geistlichkeit und Adel) gerade wegen ihrer sozial funktionslosen Verschwendungssucht den Zorn des Dritten Standes erregt hatten. Aber der Dritte Stand propagierte keine »Konsumerziehung« für junge Adelige, sondern die Revolution, und von allem anderen einmal abgesehen hätte die Erziehungsabsicht erst einmal die reale Macht über die herrschenden Klassen vorausgesetzt.

Thorstein Veblen schrieb 1899 sein Buch »The Theory of the Leisure-Class«, in dem er die führende Schicht der Klassengesellschaft um die Jahrhundertwende als eine »Muße-Klasse« beschrieb. Aber das Buch wurde erst 1958 unter dem Titel »Die Theorie der feinen Leute« ins Deutsche übersetzt, ein Beleg dafür, dass zu Beginn des Jahrhunderts die deutsche »herrschende Klasse« ihre Freizeit nicht als problematisch empfand oder gar sich bemüßigt fühlte, sie auf pädagogische Weise »sinnvoll« zu machen. Der Begriff »Freizeitpädagogik« taucht vielmehr erst in dem Augenblick auf, wo das Freizeitmonopol der oberen Schichten zugunsten der unteren gebrochen wird, und er meinte von Anfang an eine »fürsorgerische« Zuwendung der mittleren und oberen Schichten zur Arbeiterschaft. Ähnliches lässt sich für das Entstehen der pädagogischen Diskussion über den modernen Tourismus sagen: sie entsteht in größerem Umfange erst Mitte der fünfziger Jahre mit dem Aufkommen des »Massentourismus«, unter dessen Fahne das Reiseprivileg der oberen Schichten mehr und mehr gebrochen wird.

Als gegen Ende des 19. Jahrhunderts unter dem Druck der Arbeiterbewegung in Deutschland Arbeitszeitverkürzungen diskutiert wurden, spielte die Befürchtung eine Rolle, dass »Müßiggang aller Laster Anfang« sei. Mit diesem
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Argument wurde sogar die Gesetzgebung zur Einschränkung der Kinderarbeit bekämpft. Bei den konservativen Gegnern vermischten sich Interessenbehauptungen mit »pädagogischen« Begründungen: man fürchtete, dass eine größere Freizeit für die Arbeiter zu allgemeiner Unordnung führen würde. Diese Befürchtungen waren keineswegs ganz aus der Luft gegriffen. Man muss nur die Sozialreports aus dem 19. Jahrhundert nachlesen — zum Beispiel »Die Lage der arbeitenden Klasse in England« von Friedrich Engels —, um zu erkennen, dass die wenige Freizeit zwischen einem 16stündigen Arbeitstag und der Schlafzeit durchaus ausreichte, um ganze Arbeiterviertel in Trunksucht und sittliche Verwahrlosung zu stürzen. Der Unterschied war nur, dass die einen diesen Zustand für »natürlich« und unabänderlich und die anderen — keineswegs nur die Marxisten — für ein Produkt der gesellschaftlichen Verhältnisse und damit für abänderbar hielten.

Ferner ist zu bedenken, dass um die Jahrhundertwende die sichtbarste Freizeitbeschäftigung der organisierten Arbeiterschaft die politische Aktivität in der SPD und in den Gewerkschaften sowie die politische Schulung in den Bildungsveranstaltungen dieser Organisationen war. Man muss sich an den Schrecken erinnern, den der anscheinend unaufhaltsame Aufstieg der organisierten, streng disziplinierten und kampfentschlossenen Arbeiterschaft vor dem Ersten Weltkrieg dem Bürgertum einflößte, um zu verstehen, dass man einer größeren Freizeit mit sehr gemischten Gefühlen entgegensah.

Auf diesem Hintergrund muss man die Tatsache würdigen, dass die moderne Freizeitpädagogik von Anfang an die Freizeit vorwiegend für ein Problem der Arbeiter hielt; manche Ressentiments gegenüber der Freizeittätigkeit der »unteren Schichten« und die mehr oder weniger verhüllten dirigistischen Antriebe hängen wohl auch heute noch damit zusammen.

Diese kleine historische Reminiszenz soll uns einen ersten Ansatz zur Kritik der gegenwärtigen pädagogischen Frei-
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zeittheorien liefern. Wenn Wilhelm Flitner sagt, jede neue Emanzipation des Menschen habe auch neue pädagogische Bemühungen hervorgerufen, weil man erst lernen müsse, die neuen Freiheiten zu gebrauchen (»Freiheit als pädagogisches Problem«. Beilage zu »Das Parlament« vom 28. Januar 1959), so muss man hinzufügen, dass neue Freiheiten ja nicht über Nacht für alle Menschen gewonnen wurden, sondern jeweils für bestimmte Schichten und Gruppen. Es ist also wichtig, dass die moderne Freizeitpädagogik ursprünglich als eine Art »Pädagogik für Arbeiter« konzipiert war und dass die Einsicht, Freizeit könne auch für »gebildete Schichten« ein Problem sein, sich sehr viel langsamer durchgesetzt hat. Erst in der Freizeitmonographie von Erich Weber (74) ist dieser Unterschied weitgehend verschwunden. Ein letzter Nachhall dieses Entstehungszusammenhanges ist es, wenn heute in der Schuldiskussion die Freizeitproblematik zwar immer stärker für die Volks- und Berufsschule, kaum aber für die Oberschule diskutiert wird. Die literarisch-ästhetische »Bildung« an den Gymnasien scheint der Antinomie von Arbeit und Freizeit überhaupt enthoben zu sein.

Dieser hier nur knapp angedeutete Zusammenhang zwischen der modernen Freizeit-Emanzipation und der Freizeitpädagogik soll die Vermutung begründen, dass die moderne Freizeitpädagogik vielleicht viel stärker dazu diente, den emanzipatorischen Charakter der modernen Freizeit für die unteren Schichten wieder zurückzudrängen oder mindestens zu kanalisieren, als dass sie dieser emanzipatorischen Tendenz zur Realisierung verhalf. In gewisser Weise kann man natürlich die Jugendbewegung und auch die öffentliche Jugendpflege als Vorläufer der modernen Freizeitpädagogik betrachten. Allerdings hat sich die Jugendbewegung schon deshalb nicht selbst so verstanden, weil ihr als einer überwiegend von Studenten und Oberschülern getragenen Bewegung der Widerspruch von Arbeit und Nicht-Arbeit gar nicht recht klargeworden war. Anders verhält es sich schon mit der öffentlichen Jugendpflege, die ja nicht zuletzt aus der Absicht geboren
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wurde, der politischen Jugendarbeit der Arbeiterorganisationen Einhalt zu gebieten. Vereinsgesetz und erster Jugendpflegeerlass in Preußen fielen ja nicht zufällig vor dem Ersten Weltkrieg zeitlich zusammen. Die politischen und pädagogischen Motive der Jugendpflege waren allerdings von Anfang an zweideutig. Die allgemeine Volksschulausbildung wurde schon wegen ihres zeitlichen Umfangs in den zwanziger Jahren als zunehmend unzureichend empfunden. Die Einführung der Berufsschulpflicht war die eine Antwort. Die andere erwuchs aus der Chance, junge Berufstätige in ihrer Freizeit jene Bildung nachholen zu lassen, die ihnen die zu kurze Schulzeit und die frühe Eingliederung in die Berufswelt vorenthielten, zumal eine Verlängerung der allgemeinen Schulpflicht als ökonomisch untragbar erschien.

So hatte die Zuwendung des pädagogischen Mittelstandes zur Arbeiterschaft und zur Arbeiterjugend unter der Überschrift der »Freizeit-Pädagogik« ein doppeltes Gesicht: Einerseits trug sie objektiv wesentlich zur Entpolitisierung der Freizeittätigkeiten dieser Schichten bei; andererseits waren ihre Motive subjektiv durchaus emanzipatorischer Art, insofern die Aufforderung, die Freizeit zur höheren Bildung zu nutzen, nicht zuletzt mit der gesellschaftlichen Emanzipation dieser Schichten begründet wurde. Dennoch hat dieser einleuchtende pädagogische Ansatz zwiespältige Folgen gehabt. Er konnte nun nämlich einen pädagogisch legitimierten Anspruch auf die Freizeit der Arbeiterjugend erheben, ohne zugleich für deren tatsächliche Emanzipationsbedingungen (Verlängerung der Schulzeit auf Kosten der Arbeitszeit) kämpfen zu müssen. Gerade dadurch, dass man höhere Bildung von der Freizeit und nicht durch andere Organisation der Arbeitszeit erwartete, wurden eben die emanzipatorischen Tendenzen in der Freizeit wieder aufgehoben oder zumindest eingeschränkt und verlangsamt. Für die Gegenwart ist bedeutsam geblieben, dass die inhaltlichen Vorstellungen über »sinnvolle« Freizeitgestaltung aus dieser sozialgeschichtlichen Ursprungssituation heraus mittelständisch-kleinbür-
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gerlich geblieben sind. Was sich heute Freizeit-Pädagogik nennt, ist nicht »die« Pädagogik, sondern die Summe pädagogischer Vorstellungen einer bestimmten sozialen Schicht, in der sich Vorstellungen über »die Arbeiter« mit solchen über »die Bildungsgüter« verbanden. Wie sich diese Entstehungssituation bis heute durchgehalten hat, werden wir im folgenden Kapitel noch genauer sehen, wo wir die pädagogischen Vorstellungen über den Tourismus analysieren.

Bevor wir uns aber den Problemen der Urlaubspädagogik zuwenden, wollen wir die vorliegenden pädagogischen Theorien zur Freizeit etwas genauer diskutieren. Dabei geht es uns nicht um Vollständigkeit des Materials, sondern um eine exemplarische Analyse der vier wichtigsten, verhältnismäßig umfangreichen Monographien. Die pädagogisch zweifellos nicht minder interessanten Arbeiten aus soziologischer Sicht sparen wir bewusst aus; sie werden in der Darstellung von Helmut Kentler gebührend berücksichtigt (8/II bis IV).

In der Volkshochschulbewegung nach dem Ersten Weltkrieg waren »Freizeitpädagogik« und »Urlaubspädagogik« noch synonyme Begriffe. Die »Freizeiten«, die Fritz Klatt in seinem Freizeitheim Prerow durchführte, waren Urlaubsfreizeiten, da sie von den Teilnehmern nur während ihres Urlaubs besucht werden konnten. In seinem Buch »Freizeitgestaltung« (49) aus dem Jahre 1929, das auch Beiträge seiner Mitarbeiter enthält und den bezeichnenden Untertitel »Grundzüge und Erfahrungen zur Erziehung des berufsgebundenen Menschen« trägt, entwickelt Klatt Elemente einer pädagogischen Freizeittheorie. Er geht von der anthropologischen Annahme aus, dass die Berufswelt den Menschen verstümmele, seine Fähigkeiten und Kräfte nur einseitig und halb herausfordere und entwickle. »Das Ziel der Freizeitgestaltung ist, durch die Entfaltung der ungenutzten Gesamtkräfte während der Urlaubszeit die abgenutzten Teilkräfte des Menschen zu ersetzen und so also den Arbeitsmenschen durch die in ihm selbst liegenden ungenutzten geistigen Kräfte zu heilen« (49, S. 1). Das hier
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zugrunde liegende anthropologische Modell ist in der Reformpädagogik der Zeit sehr verbreitet, zum Beispiel liegt es der damals entstehenden Theorie der musischen Bildung ebenfalls zugrunde. Es handelt sich um eine Art Defizit-Theorie: Die Freizeitpädagogik muss ausgleichen, kompensieren, was der reale, durch den Beruf determinierte Alltag versagt.

Helmut Kentlers spätere Formulierung vom Urlaub als »Auszug aus dem Alltag« (48) scheint hier schon vorweggenommen. Allerdings hält Klatt seine Freizeitpädagogik nur für eine Notlösung, die bei einer besseren Organisation der Arbeit wieder überflüssig werde: »Es ist klar, dass solche Freizeitpädagogik an Erwachsenen bei einem sinnvoll angelegten und kraftvoll durchgestalteten Arbeitsleben unseres Volkes weder nötig noch überhaupt erwünscht wäre. Freizeitpädagogik ist dadurch wesentlich gekennzeichnet, dass sie Notstandsarbeit ist und den Wunsch hat, sich selbst überflüssig zu machen« (49, S. 1). In diesem Satz steckt die zweite Prämisse Klatts, eine sozialpolitische, wie sie ebenfalls das pädagogische Denken der zwanziger Jahre beherrscht hat: das Leitbild einer vorindustriellen, »heilen« sozialen Welt, in der die in Gemeinschaft vollzogene Arbeit selbst wieder so »pädagogisch« sein könnte, dass eigene pädagogische Bemühungen um die freie Zeit überflüssig sein würden. Freizeit, von der Arbeitsleistung emanzipierte Zeit mit eigenständiger Erlebnis- und Erfahrungsstruktur, kann für Klatt keinen eigenen Sinn haben, weil er deren Voraussetzung, den industriellen, arbeitsteiligen Arbeits- und Berufsbegriff, nicht akzeptiert. Sein Freizeitbegriff ist negativ, durch die bloße Ablehnung der industriellen Entwicklung und damit auch ihrer Chancen für die Freiheit konzipiert. »Freizeit« ist ihm nur das Symptom dafür, dass die ursprünglich »heile« Welt verdorben ist. So wird nicht eine eigenständige Freizeitwelt, sondern der jeweilige Beruf zum zentralen Mittelpunkt der Freizeitgestaltung: »Erschließung und Erweiterung der Umwelt, soweit es irgend geht, aber immer nur vom Zentrum des Berufes aus, ist eigentlich das Bildungsziel der Freizeit« (49, S. 8).
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Die soziale Vorstellungswelt, aus der heraus Klatt argu-mentiert — und die er durchaus mit der ganzen »pädagogischen Bewegung« seiner Zeit teilt —, ist also die vorhin kurz charakterisierte vorindustrielle Arbeitssituation, die den Widerspruch von Freizeit und Arbeit und damit den unaufhebbaren Widerspruch zwischen verschiedenen Erziehungsaufgaben und Erziehungsinstitutionen noch gar nicht kennt. Dieses sozialromantische, weil durch die geschichtliche Entwicklung unwiderruflich liquidierte soziale Leitbild hat die Freizeitdiskussion der Pädagogik bis auf den heutigen Tag auf ein falsches Gleis geschoben. Da diese Sehnsucht nach den vor-industriellen Sozialstrukturen unter den Bedingungen der modernen, ganz anders gearte-ten Sozialstrukturen vertreten wird, nimmt sie unmittelbar politisch-ideologische Züge an. So ist nur folgerichtig, dass »der Aufstieg der begabten Jugend in allen Berufsständen« (49, S. 14) vornehmliches Ziel der Freizeitpädagogik ist. Das pädagogische Mittel dazu ist die richtige, pädagogisch gesteuerte »Erholung«. »Erholung« wird zur zentralen Kategorie der Tagungsgestaltung bei Klatt. Der enge Zusammenhang zwischen dem Begriff der Erholung und dem beruflichen Leistungsziel ist hier bereits vorhanden. »Erholung« ist dasjenige Maß an arbeitsfreier Zeit, das nötig ist, um sich willig und mit optimalem Effekt dem entfrem-deten Leistungsdruck der Arbeitswelt erneut zu unterwerfen.

Es ist einigermaßen erstaunlich, dass ein Autor, der von der Kritik des für inhuman erklärten gegenwärtigen Berufslebens ausgeht, dennoch in eben dieser Berufswelt das Ziel seiner Freizeitpädagogik sieht. Diesen Widerspruch löst Klatt durch einen pädagogischen und einen politisch-ideologischen Schluss. Pädagogisch glaubt er an die Kraft der je subjektiven Innerlichkeit. Die Realitäten der Arbeits- -und Berufswelt sind vom einzelnen her zwar nicht zu ändern, aber man kann sich ein anderes Bewusstsein von ihnen machen. Die »freie Zeit setzt sich zusammen aus all den Freiviertelstunden, freien Nachmittagen, Wochenenden und kleinen Urlaubszeiten des Jahres. Und diese unzu--
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sammenhängenden kleinen Zeitteile im Leben des Arbeitsmenschen zu einem einheitlichen hellen Band zu verbinden, welches das mühselige Arbeitsleben durchzieht, ja vielleicht durch diese Verbindung auch die Arbeit sinnvoll und tragbar macht, das ist die große Aufgabe der Freizeitpädagogik« (49, S. 2). Dazu, nämlich um den Alltag in dieser Weise in ein neues Bewusstsein zu bringen, sollte die gestaltete Urlaubszeit dienen. Dem entspricht eine vordemokratische, berufsständische Gesellschaftsvorstellung, die die Realitäten der Arbeitswelt zwar nicht ändert, aber »volksgemeinschaftlich« überhöht. Klatt meint, es »wüchse heute in unserem Volksganzen ein neuer, sehr ausgeprägter berufsständischer Gliederungswille auf, der einmal vielleicht so stark sein wird, um durch die partei- und klassenmäßige Einteilung durchzuwachsen. Der tiefliegende Beweis dafür ist, dass die Jugend aller Berufe sich heute für diese Ausprägung ihrer berufs-ständischen Ideale schon viel mehr einsetzt als die Jugend vor einem halben Menschenalter. Auch die junge Arbeiterschaft ringt durchaus um die Durchsetzung ihres Berufszieles, >die Beherrschung der Maschine und zwar scheint der so bezeichnete berufsständische Wille auch hier, wenigstens bei dem aufstrebenden Teil der jungen Arbeiterschaft, durchaus den Vorrang über den einseitig parteibedingten Klassengedanken gewinnen zu wollen. Die Frage, wie die eigene Lebensarbeit innerhalb der Berufsgruppen, in die der einzelne hineingestellt ist, sinnvoll und zielhaft wird, das ist eigentlich heute für jeden jungen Menschen, der sich zu einem Beruf vorbereitet oder schon darin steht, das geistige Zentrum, um das seine Gedanken gerade in seiner freien Zeit dauernd kreisen« (49, S. 7f.). Die Arbeit der »Freizeit-Hochschule« »dient so der ersten Bewusstwerdung des neuen berufsständischen Volksaufbaues« (49, S. 9). In diesem Zitat kommt noch eine weitere, ebenfalls zeittypische und bis heute verhängnisvolle Fehleinschätzung der Moderne zum Vorschein: die Magisierung des technischen Fortschritts, seine Isolierung von politischer und öko-nomischer Herrschaft. »Technik«, deren Symbol »die Ma-
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schine« ist, erscheint als neuer Naturzwang, als etwas, dem alle — die Herrscher wie die Beherrschten — gleichermaßen unterworfen sind. Ganz fern liegt der Gedanke, dass die emanzipatorischen Momente der Technik vielleicht zum Vorschein und zur Realität kommen könnten, wenn die Gesellschaft sie zu diesem Zwecke zu organisieren begänne. Der seit Marx bekannte Gedanke, dass die Misere des »entfremdeten Daseins« weniger etwas mit dem technischen Fortschritt zu tun habe als vielmehr mit der diesem Fortschritt nicht mehr angemessenen gesellschaftlichen Organisation der Arbeit, scheint gänzlich verlorengegangen.

Wir haben den Gedanken Fritz Klatts zur Freizeitpädagogik etwas ausführlicher Raum gegeben, um die politisch-ideologische Problematik aufzuzeigen, die mit der ersten ausführlicher formulierten pädagogischen Theorie der Freizeit untrennbar zusammenhängt. Die eingangs erwähnte Vermutung, dass Freizeitpädagogik von Anfang an eine mittelständisch-kleinbürgerliche pädagogische Ideologie war, lässt sich nun präzisieren: Politische Sehnsucht nach einer vorindustriellen, berufsständischen gesellschaftlichen Ordnung, Ignorierung der parteipolitischen und klassenpolitischen Realitäten, Flucht in die Innerlichkeit und damit die faktische Anerkennung dessen, was eigentlich bekämpft werden sollte, sowie eine Dämonisierung des technischen Fortschritts fanden untrennbar zusammen. Die durchgehende und umfassende Pädagogisierung der Freizeit auf solchem politisch-ideologischem Hintergrund ließ sich mühelos in die nationalsozialistischen KdF-Vorstellungen übernehmen, von deren Volksgemeinschafts-Pathos sie keineswegs besonders weit entfernt war. Im ideologiekritischen Sinne sind die freizeitpädagogischen Vorstellungen von Fritz Klatt und ihre Implikationen ge-radezu beispielhaft reaktionär und sogar faschistoid. Dies auszusprechen heißt nicht, nachträglich über einen verdienstvollen Pädagogen zu Gericht zu sitzen. Aber es ist wichtig, dass von den späteren pädagogischen Freizeittheoretikern kaum jemand sich kritisch mit Klatt auseinandergesetzt hat, dass man ihn vielmehr mehr oder weniger
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unkritisch als »Vorläufer« registriert hat. Da aber Fritz Klatt durchaus »repräsentativ« für eine gerade unter Pädagogen bis heute verbreitete Mentalität ist, ist eine sorgfältige Kritik unerläßlich.

Johannes Zielinski greift in seinem Buch »Freizeit und Erziehung. Zur Theorie und Praxis einer erzieherischen Gestaltung des Freizeitlebens« (77) aus dem Jahre 1954 die Ansätze Klatts auf und verknüpft sie mit eigenen Erfah-rungen als Leiter eines Erziehungsheimes bei Starnberg und mit einer eigenen qualitativen Untersuchung von Filmen, die damals in Münchener Kinos gezeigt wurden. Zielinski stellt sich bewusst in die Tradition Fritz Klatts (77, S. 75 ff.), erweitert aber dessen Freizeitbegriff auf alle Formen der freien Zeit. Bei ihm wird vielleicht noch deutlicher als bei Klatt, dass es sich bei der Freizeitpädagogik um einen pädagogischen Anspruch auf die Freizeit des Arbeiters handelt. »So geschah es denn, dass der Arbeiter, als er sich den Zehn-, später den Achtstundentag erkämpfte, als er angemessene Löhne erhielt, als seine gesamten Arbeits- und Daseinsbedingungen, sein Lebensstandard sich besserten, mit der ihm mehr und mehr zufallenden freien Zeit, der Freizeit, nichts Rechtes anzufangen wusste. Die Freizeit wurde ein >Danaer-Geschenk< und ist es bis heute geblieben!« (77, S. 49). Die »alten Erziehungsmächte« (Familie, Schule, Kirche) seien durch den »Rationalismus« zusammengebrochen. »Noch im 19. Jahrhundert waren es diese Faktoren, die ein Gewicht in der öffentlichen Erziehung und Meinungsbildung darstellten und maßgeblich die, wenn auch spärlich bemessene Zeit bestimmten und beherrschten. Unter den ätzenden Parolen marxistischer und kommunistischer, nationalsozialistischer und nihilistischer Propheten verloren sie mehr und mehr an Einfluss, und so wurde der Arbeiterschaft der Boden unter den Füßen entzogen, von dem aus eine kulturelle Durchdringung der Freizeit, echte Muße also, möglich geworden wäre« (77, S. 49 f.).
Die gegenwärtige (1954) Freizeitmisere des Arbeiters sieht Zielinski so: »Was tut denn der durchschnittliche Arbeiter
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in seiner Freizeit? Wenn er noch einigermaßen gesundes Leben in sich hat, geht er in den Schrebergarten (sofern er das Glück hat, einen zu besitzen). Oder er wandert, zumal am Wochenende. Oder er betätigt sich politisch, kommunal, vereinsgebunden, ehrenamtlich. Die Mehrzahl aber — und besonders die Jugend! — strebt dorthin, wo die unheimlich und als Bedrohung empfundene Langeweile von der Freizeitindustrie gefüttert und damit quasi-beruhigt wird. Man eilt in vollgepfropften Trambahnen zum Fußballplatz, man geilt um pornographische Literatur, liest Groschenhefte und Kitsch, zerstreut sich in Gaststätten, Varietes, Zirkussen, dreht das Radio auf, um ja nicht in den vier Wänden mal allein zu sein, vergnügt sich am Tanz bis zum ausschweifenden Jazz (als einer modernen Form des Veitstanzes), fühlt sich nur wohl im Kollektiv, flieht das Theater, wo es zu geistiger Auseinandersetzung herausfordert, und genießt am liebsten das Kino, das auf Grund seines komplexen Charakters ... rasch und billig alles vergessen macht, vor allem die dunkel fragenden Stimmen des Innern, das Raunen eines Gewissens, das untergründig aufklingt und in den Launen und der Gereiztheit des modernen Menschen seine kompensatorische Auslösung findet« (77, S. 51).

Es dürfte kaum ein Dokument geben, das das Unbehagen breiter Erzieherkreise an den Perspektiven der beginnenden Wohlstandsgesellschaft so ungebrochen widerspiegelt. Die Beobachtungen, die Zielinski hier wiedergibt — empirische Untersuchungen gab es damals kaum —, sind denen vergleichbar, die einige Jahre später jeder angesichts der ersten massentouristischen Welle machen konnte: buchstäblich über Nacht hatten Massen von Menschen freie Zeit und »Wohlstand« zur Verfügung, ohne je gelernt zu haben, produktiv damit umzugehen. Zielinski nahm an, dass diese Lernvorgänge ohne gezielten Einsatz aller pädagogischen Mittel nicht stattfinden würden und somit das »Danaer-Geschenk« der Freizeit zur Barbarei führen müsse. Was Zielinski übersah, war, dass solche kollektiven Lernprozesse weitgehend auch ohne gezielte pädagogische Ak--
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tionen ablaufen, sozusagen im Rahmen neuer sozialer Gewohnheiten selbst.

Eine praktikable Freizeittheorie entwarf Zielinski nicht; er beschränkte sich auf Postulate an die einzelnen Erziehungsinstitutionen. Lediglich den Spielfilm würdigte er eingehender, und er war wohl der erste Pädagoge nach dem Kriege, der nicht nur die moralische, sondern auch die künstlerische Seite dieses Mediums in die pädagogische Diskussion brachte. Aber die Bedeutung seines Buches besteht vor allem darin, dass es die Ursprungssituation der bundesrepublikanischen Freizeit markiert und dabei demonstriert, über wie wenig durchgeformte und geklärte Kategorien die Erziehungswissenschaft angesichts der Freizeit verfügte. Es zeigt die ganze theoretische Hilflosigkeit einer an abstrakten »Werten« orientierten Pädagogik, für die historische und andere empirische Tatsachen kein Gewicht, sondern allenfalls illustrative Funktion haben. »Die Konsequenz eines solchen Verständnisses von Pädagogik scheint zu sein, dass dann gar keine andere Möglichkeit bleibt, als immer nur dasselbe Thema zu variieren, aus immer neuen Anlässen die gleiche Reflexion zu vollziehen: über die Natur des Ich und seine Bildung« (Klaus Mollenhauer in: deutsche jugend 5/1966, S. 210). Für den Aspekt unseres Themas können wir diese Kritik noch schärfer fassen: Eine solche Pädagogik ist nicht sehr viel mehr als die wissenschaftlich legitimierte Organisation gesellschaftlicher Vorurteile, denen neue Tatsachen und Erfahrungen nichts mehr anhaben können.

Diese nun schon wissenschaftstheoretisch gewendete Kritik gilt mit Abstrichen auch für das Buch von Erich Weber: »Das Freizeitproblem. Anthropologisch-pädagogische Un-tersuchung« (71) aus dem Jahre 1963, obwohl die extremen politisch-weltanschaulichen und pädagogischen Meinungen hier verschwunden sind. Weber hält hier eine mittlere Position. Vor allem stand ihm nun im Unterschied zu den bisher zitierten Autoren ein umfangreiches empirisches Material der Soziologie zur Verfügung, mit dem extreme weltanschauliche Positionen nicht mehr zu halten waren.
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Aber die Erweiterung des Begriffes »Freizeitpädagogik«, die schon Zielinski vorgenommen hatte, behält er auch bei. Sein zentraler Leitgesichtspunkt ist der »anthropologische«. Weber fragt, was die moderne Freizeit für den Menschen bedeuten könne. Seine Antwort ist die Unterscheidung von »sinnvollem« und »sinnlosem« Freizeitverhalten. »Sinn hat, was als konstituierender Beitrag letztlich der Verwirklichung von in sich selbst gültigen Werten (= Sinnwerten) dient« (74, S. 147). »Sinnloses Freizeitverhalten« ist dann folgerichtig »als Negation des sinnvollen Freizeitverhaltens zu verstehen« (S. 153). Diese abstrakte Kennzeichnung bleibt verständlicherweise im Hinblick auf die Freizeitpraxis völlig folgenlos. Das muss Weber selbst zugeben: »Forderungen nach sinnvoller Freizeiterfüllung besitzen, solange sie lediglich als Postulate formuliert werden, nur geringe


zeittheorien liefern. Wenn Wilhelm Flitner sagt, jede neue Emanzipation des Menschen habe auch neue pädagogische Bemühungen hervorgerufen, weil man erst lernen müsse, die neuen Freiheiten zu gebrauchen (»Freiheit als pädago-gisches Problem«. Beilage zu »Das Parlament« vom 28. Januar 1959), so muss man hinzufügen, dass neue Frei-heiten ja nicht über Nacht für alle Menschen gewonnen wurden, sondern jeweils für bestimmte Schichten und Gruppen. Es ist also wichtig, dass die moderne Freizeit-pädagogik ursprünglich als eine Art »Pädagogik für Arbei-ter« konzipiert war und dass die Einsicht, Freizeit könne auch für »gebildete Schichten« ein Problem sein, sich sehr viel langsamer durchgesetzt hat. Erst in der Freizeitmono-graphie von Erich Weber (74) ist dieser Unterschied weit-gehend verschwunden. Ein letzter Nachhall dieses Ent-stehungszusammenhanges ist es, wenn heute in der Schul-diskussion die Freizeitproblematik zwar immer stärker für die Volks- und Berufsschule, kaum aber für die Ober-schule diskutiert wird. Die literarisch-ästhetische »Bildung« an den Gymnasien scheint der Antinomie von Arbeit und Freizeit überhaupt enthoben zu sein.

Dieser hier nur knapp angedeutete Zusammenhang zwi-schen der modernen Freizeit-Emanzipation und der Frei-zeitpädagogik soll die Vermutung begründen, dass die mo-derne Freizeitpädagogik vielleicht viel stärker dazu diente, den emanzipatorischen Charakter der modernen Freizeit für die unteren Schichten wieder zurückzudrängen oder mindestens zu kanalisieren, als dass sie dieser emanzipa-torischen Tendenz zur Realisierung verhalf. In gewisser Weise kann man natürlich die Jugendbewe-gung und auch die öffentliche Jugendpflege als Vorläufer der modernen Freizeitpädagogik betrachten. Allerdings hat sich die Jugendbewegung schon deshalb nicht selbst so ver-standen, weil ihr als einer überwiegend von Studenten und Oberschülern getragenen Bewegung der Widerspruch von Arbeit und Nicht-Arbeit gar nicht recht klargeworden war. Anders verhält es sich schon mit der öffentlichen Juendpflege, die ja nicht zuletzt aus der Absicht geboren
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wurde, der politischen Jugendarbeit der Arbeiterorgani-sationen Einhalt zu gebieten. Vereinsgesetz und erster Jugendpflegeerlass in Preußen fielen ja nicht zufällig vor dem Ersten Weltkrieg zeitlich zusammen. Die politischen und pädagogischen Motive der Jugendpflege waren allerdings von Anfang an zweideutig. Die allgemeine Volksschulaus-bildung wurde schon wegen ihres zeitlichen Umfangs in den zwanziger Jahren als zunehmend unzureichend emp-funden. Die Einführung der Berufsschulpflicht war die eine Antwort. Die andere erwuchs aus der Chance, junge Be-rufstätige in ihrer Freizeit jene Bildung nachholen zu las-sen, die ihnen die zu kurze Schulzeit und die frühe Ein-gliederung in die Berufswelt vorenthielten, zumal eine Ver-längerung der allgemeinen Schulpflicht als ökonomisch un-tragbar erschien.

So hatte die Zuwendung des pädagogischen Mittelstandes zur Arbeiterschaft und zur Arbeiterjugend unter der Überschrift der »Freizeit-Pädagogik« ein doppeltes Ge-sicht: Einerseits trug sie objektiv wesentlich zur Entpolitisierung der Freizeittätigkeiten dieser Schichten bei; ande-rerseits waren ihre Motive subjektiv durchaus emanzipatorischer Art, insofern die Aufforderung, die Freizeit zur höheren Bildung zu nutzen, nicht zuletzt mit der gesell-schaftlichen Emanzipation dieser Schichten begründet wur-de. Dennoch hat dieser einleuchtende pädagogische Ansatz zwiespältige Folgen gehabt. Er konnte nun nämlich einen pädagogisch legitimierten Anspruch auf die Freizeit der Arbeiterjugend erheben, ohne zugleich für deren tatsäch-liche Emanzipationsbedingungen (Verlängerung der Schul-zeit auf Kosten der Arbeitszeit) kämpfen zu müssen. Ge-rade dadurch, dass man höhere Bildung von der Freizeit und nicht durch andere Organisation der Arbeitszeit er-wartete, wurden eben die emanzipatorischen Tendenzen in der Freizeit wieder aufgehoben oder zumindest einge-schränkt und verlangsamt. Für die Gegenwart ist bedeut-sam geblieben, dass die inhaltlichen Vorstellungen über »sinnvolle« Freizeitgestaltung aus dieser sozialgeschicht-lichen Ursprungssituation heraus mittelständisch-kleinbür-
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gerlich geblieben sind. Was sich heute Freizeit-Pädagogik nennt, ist nicht »die« Pädagogik, sondern die Summe päd-agogischer Vorstellungen einer bestimmten sozialen Schicht, in der sich Vorstellungen über »die Arbeiter« mit solchen über »die Bildungsgüter« verbanden. Wie sich diese Ent-stehungssituation bis heute durchgehalten hat, werden wir im folgenden Kapitel noch genauer sehen, wo wir die päd-agogischen Vorstellungen über den Tourismus analysieren.

Bevor wir uns aber den Problemen der Urlaubspädagogik zuwenden, wollen wir die vorliegenden pädagogischen Theorien zur Freizeit etwas genauer diskutieren. Dabei geht es uns nicht um Vollständigkeit des Materials, son-dern um eine exemplarische Analyse der vier wichtigsten, verhältnismäßig umfangreichen Monographien. Die päd-agogisch zweifellos nicht minder interessanten Arbeiten aus soziologischer Sicht sparen wir bewusst aus; sie werden in der Darstellung von Helmut Kentler gebührend berück-sichtigt (8/II bis IV).

In der Volkshochschulbewegung nach dem Ersten Welt-krieg waren »Freizeitpädagogik« und »Urlaubspädagogik« noch synonyme Begriffe. Die »Freizeiten«, die Fritz Klatt in seinem Freizeitheim Prerow durchführte, waren Ur-laubsfreizeiten, da sie von den Teilnehmern nur während ihres Urlaubs besucht werden konnten. In seinem Buch »Freizeitgestaltung« (49) aus dem Jahre 1929, das auch Beiträge seiner Mitarbeiter enthält und den bezeichnenden Untertitel »Grundzüge und Erfahrungen zur Erziehung des berufsgebundenen Menschen« trägt, entwickelt Klatt Elemente einer pädagogischen Freizeittheorie. Er geht von der anthropologischen Annahme aus, dass die Berufswelt den Menschen verstümmele, seine Fähigkeiten und Kräfte nur einseitig und halb herausfordere und entwickle. »Das Ziel der Freizeitgestaltung ist, durch die Entfaltung der ungenutzten Gesamtkräfte während der Urlaubszeit die abgenutzten Teilkräfte des Menschen zu ersetzen und so also den Arbeitsmenschen durch die in ihm selbst liegenden ungenutzten geistigen Kräfte zu heilen« (49, S. 1). Das hier
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zugrunde liegende anthropologische Modell ist in der Re-formpädagogik der Zeit sehr verbreitet, zum Beispiel liegt es der damals entstehenden Theorie der musischen Bildung ebenfalls zugrunde. Es handelt sich um eine Art Defizit-Theorie: Die Freizeitpädagogik muss ausgleichen, kompen-sieren, was der reale, durch den Beruf determinierte Alltag versagt.

Helmut Kentlers spätere Formulierung vom Urlaub als »Auszug aus dem Alltag« (48) scheint hier schon vorweg-genommen. Allerdings hält Klatt seine Freizeitpädagogik nur für eine Notlösung, die bei einer besseren Organisa-tion der Arbeit wieder überflüssig werde: »Es ist klar, dass solche Freizeitpädagogik an Erwachsenen bei einem sinn-voll angelegten und kraftvoll durchgestalteten Arbeitsleben unseres Volkes weder nötig noch überhaupt erwünscht wäre. Freizeitpädagogik ist dadurch wesentlich gekenn-zeichnet, dass sie Notstandsarbeit ist und den Wunsch hat, sich selbst überflüssig zu machen« (49, S. 1). In diesem Satz steckt die zweite Prämisse Klatts, eine sozialpolitische, wie sie ebenfalls das pädagogische Denken der zwanziger Jahre beherrscht hat: das Leitbild einer vorindustriellen, »heilen« sozialen Welt, in der die in Gemeinschaft vollzogene Ar-beit selbst wieder so »pädagogisch« sein könnte, dass eigene pädagogische Bemühungen um die freie Zeit überflüssig sein würden. Freizeit, von der Arbeitsleistung emanzipierte Zeit mit eigenständiger Erlebnis- und Erfahrungsstruktur, kann für Klatt keinen eigenen Sinn haben, weil er deren Voraussetzung, den industriellen, arbeitsteiligen Arbeits-- und Berufsbegriff, nicht akzeptiert. Sein Freizeitbegriff ist negativ, durch die bloße Ablehnung der industriellen Ent-wicklung und damit auch ihrer Chancen für die Freiheit konzipiert. »Freizeit« ist ihm nur das Symptom dafür, dass die ursprünglich »heile« Welt verdorben ist. So wird nicht eine eigenständige Freizeitwelt, sondern der jeweilige Be-ruf zum zentralen Mittelpunkt der Freizeitgestaltung: »Erschließung und Erweiterung der Umwelt, soweit es irgend geht, aber immer nur vom Zentrum des Berufes aus, ist eigentlich das Bildungsziel der Freizeit« (49, S. 8).
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Die soziale Vorstellungswelt, aus der heraus Klatt argu-mentiert — und die er durchaus mit der ganzen »pädago-gischen Bewegung« seiner Zeit teilt —, ist also die vorhin kurz charakterisierte vorindustrielle Arbeitssituation, die den Widerspruch von Freizeit und Arbeit und damit den unaufhebbaren Widerspruch zwischen verschiedenen Er-ziehungsaufgaben und Erziehungsinstitutionen noch gar nicht kennt. Dieses sozialromantische, weil durch die ge-schichtliche Entwicklung unwiderruflich liquidierte soziale Leitbild hat die Freizeitdiskussion der Pädagogik bis auf den heutigen Tag auf ein falsches Geleise geschoben. Da diese Sehnsucht nach den vor-industriellen Sozialstrukturen unter den Bedingungen der modernen, ganz anders gearte-ten Sozialstrukturen vertreten wird, nimmt sie unmittelbar politisch-ideologische Züge an. So ist nur folgerichtig, dass »der Aufstieg der begabten Jugend in allen Berufsständen« (49, S. 14) vornehmliches Ziel der Freizeitpädagogik ist. Das pädagogische Mittel dazu ist die richtige, pädagogisch gesteuerte »Erholung«. »Erholung« wird zur zentralen Kategorie der Tagungsgestaltung bei Klatt. Der enge Zu-sammenhang zwischen dem Begriff der Erholung und dem beruflichen Leistungsziel ist hier bereits vorhanden. »Er-holung« ist dasjenige Maß an arbeitsfreier Zeit, das nötig ist, um sich willig und mit optimalem Effekt dem entfrem-deten Leistungsdruck der Arbeitswelt erneut zu unter-werfen.
Es ist einigermaßen erstaunlich, dass ein Autor, der von der Kritik des für inhuman erklärten gegenwärtigen Be-rufslebens ausgeht, dennoch in eben dieser Berufswelt das Ziel seiner Freizeitpädagogik sieht. Diesen Widerspruch löst Klatt durch einen pädagogischen und einen politisch-ideologischen Schluss. Pädagogisch glaubt er an die Kraft der je subjektiven Innerlichkeit. Die Realitäten der Arbeits- -und Berufswelt sind vom einzelnen her zwar nicht zu än-dern, aber man kann sich ein anderes Bewusstsein von ihnen machen. Die »freie Zeit setzt sich zusammen aus all den Freiviertelstunden, freien Nachmittagen, Wochenenden und kleinen Urlaubszeiten des Jahres. Und diese unzu--
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sammenhängenden kleinen Zeitteile im Leben des Arbeits-menschen zu einem einheitlichen hellen Band zu verbinden, welches das mühselige Arbeitsleben durchzieht, ja vielleicht durch diese Verbindung auch die Arbeit sinnvoll und trag-bar macht, das ist die große Aufgabe der Freizeitpädago-gik« (49, S. 2). Dazu, nämlich um den Alltag in dieser Weise in ein neues Bewusstsein zu bringen, sollte die ge-staltete Urlaubszeit dienen. Dem entspricht eine vor-demokratische, berufsständische Gesellschaftsvorstellung, die die Realitäten der Arbeitswelt zwar nicht ändert, aber »volksgemeinschaftlich« überhöht. Klatt meint, es »wüchse heute in unserem Volksganzen ein neuer, sehr ausgeprägter berufsständischer Gliederungs-wille auf, der einmal vielleicht so stark sein wird, um durch die partei- und klassenmäßige Einteilung durchzu-wachsen. Der tiefliegende Beweis dafür ist, dass die Jugend aller Berufe sich heute für diese Ausprägung ihrer berufs-ständischen Ideale schon viel mehr einsetzt als die Jugend vor einem halben Menschenalter. Auch die junge Arbeiter-schaft ringt durchaus um die Durchsetzung ihres Berufs-zieles, >die Beherrschung der Maschine und zwar scheint der so bezeichnete berufsständische Wille auch hier, wenig-stens bei dem aufstrebenden Teil der jungen Arbeiterschaft, durchaus den Vorrang über den einseitig parteibedingten Klassengedanken gewinnen zu wollen. Die Frage, wie die eigene Lebensarbeit innerhalb der Berufsgruppen, in die der einzelne hineingestellt ist, sinnvoll und zielhaft wird, das ist eigentlich heute für jeden jungen Menschen, der sich zu einem Beruf vorbereitet oder schon darin steht, das geistige Zentrum, um das seine Gedanken gerade in seiner freien Zeit dauernd kreisen« (49, S. 7f.). Die Arbeit der »Freizeit-Hochschule« »dient so der ersten Bewusstwerdung des neuen berufsständischen Volksaufbaues« (49, S. 9). In diesem Zitat kommt noch eine weitere, ebenfalls zeit-typische und bis heute verhängnisvolle Fehleinschätzung der Moderne zum Vorschein: die Magisierung des techni-schen Fortschritts, seine Isolierung von politischer und öko-nomischer Herrschaft. »Technik«, deren Symbol »die Ma-
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schine« ist, erscheint als neuer Naturzwang, als etwas, dem alle — die Herrscher wie die Beherrschten — gleicherma-ßen unterworfen sind. Ganz fern liegt der Gedanke, dass die emanzipatorischen Momente der Technik vielleicht zum Vorschein und zur Realität kommen könnten, wenn die Gesellschaft sie zu diesem Zwecke zu organisieren begänne. Der seit Marx bekannte Gedanke, dass die Misere des »ent-fremdeten Daseins« weniger etwas mit dem technischen Fortschritt zu tun habe als vielmehr mit der diesem Fort-schritt nicht mehr angemessenen gesellschaftlichen Organi-sation der Arbeit, scheint gänzlich verlorengegangen.

Wir haben den Gedanken Fritz Klatts zur Freizeitpäd-agogik etwas ausführlicher Raum gegeben, um die poli-tisch-ideologische Problematik aufzuzeigen, die mit der ersten ausführlicher formulierten pädagogischen Theorie der Freizeit untrennbar zusammenhängt. Die eingangs er-wähnte Vermutung, dass Freizeitpädagogik von Anfang an eine mittelständisch-kleinbürgerliche pädagogische Ideo-logie war, lässt sich nun präzisieren: Politische Sehnsucht nach einer vorindustriellen, berufsständischen gesellschaft-lichen Ordnung, Ignorierung der parteipolitischen und klassenpolitischen Realitäten, Flucht in die Innerlichkeit und damit die faktische Anerkennung dessen, was eigent-lich bekämpft werden sollte, sowie eine Dämonisierung des technischen Fortschritts fanden untrennbar zusammen. Die durchgehende und umfassende Pädagogisierung der Frei-zeit auf solchem politisch-ideologischem Hintergrund ließ sich mühelos in die nationalsozialistischen KdF-Vorstellun-gen übernehmen, von deren Volksgemeinschafts-Pathos sie keineswegs besonders weit entfernt war. Im ideologiekritischen Sinne sind die freizeitpädagogischen Vorstellungen von Fritz Klatt und ihre Implikationen ge-radezu beispielhaft reaktionär und sogar faschistoid. Dies auszusprechen heißt nicht, nachträglich über einen ver-dienstvollen Pädagogen zu Gericht zu sitzen. Aber es ist wichtig, dass von den späteren pädagogischen Freizeit-theoretikern kaum jemand sich kritisch mit Klatt ausein-andergesetzt hat, dass man ihn vielmehr mehr oder weniger
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unkritisch als »Vorläufer« registriert hat. Da aber Fritz Klatt durchaus »repräsentativ« für eine gerade unter Päd-agogen bis heute verbreitete Mentalität ist, ist eine sorg-fältige Kritik unerläßlich.

Johannes Zielinski greift in seinem Buch »Freizeit und Er-ziehung. Zur Theorie und Praxis einer erzieherischen Ge-staltung des Freizeitlebens« (77) aus dem Jahre 1954 die Ansätze Klatts auf und verknüpft sie mit eigenen Erfah-rungen als Leiter eines Erziehungsheimes bei Starnberg und mit einer eigenen qualitativen Untersuchung von Fil-men, die damals in Münchener Kinos gezeigt wurden. Zie-linski stellt sich bewusst in die Tradition Fritz Klatts (77, S. 75 ff.), erweitert aber dessen Freizeitbegriff auf alle For-men der freien Zeit. Bei ihm wird vielleicht noch deutlicher als bei Klatt, dass es sich bei der Freizeitpädagogik um einen pädagogischen Anspruch auf die Freizeit des Arbei-ters handelt. »So geschah es denn, dass der Arbeiter, als er sich den Zehn-, später den Achtstundentag erkämpfte, als er angemessene Löhne erhielt, als seine gesamten Arbeits- und Daseinsbedingungen, sein Lebensstandard sich besserten, mit der ihm mehr und mehr zufallenden freien Zeit, der Freizeit, nichts Rechtes anzufangen wusste. Die Freizeit wurde ein >Danaer-Geschenk< und ist es bis heute geblieben!« (77, S. 49). Die »alten Erziehungsmächte« (Familie, Schule, Kirche) seien durch den »Rationalismus« zusammengebrochen. »Noch im 19. Jahrhundert waren es diese Faktoren, die ein Gewicht in der öffentlichen Erzie-hung und Meinungsbildung darstellten und maßgeblich die, wenn auch spärlich bemessene Zeit bestimmten und beherrschten. Unter den ätzenden Parolen marxistischer und kommunistischer, nationalsozialistischer und nihilistischer Propheten verloren sie mehr und mehr an Einfluss, und so wurde der Arbeiterschaft der Boden unter den Füßen entzogen, von dem aus eine kulturelle Durchdringung der Freizeit, echte Muße also, möglich geworden wäre« (77, S. 49 f.).
Die gegenwärtige (1954) Freizeitmisere des Arbeiters sieht Zielinski so: »Was tut denn der durchschnittliche Arbeiter
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in seiner Freizeit? Wenn er noch einigermaßen gesundes Leben in sich hat, geht er in den Schrebergarten (sofern er das Glück hat, einen zu besitzen). Oder er wandert, zumal am Wochenende. Oder er betätigt sich politisch, kommunal, vereinsgebunden, ehrenamtlich. Die Mehrzahl aber — und besonders die Jugend! — strebt dorthin, wo die unheimlich und als Bedrohung empfundene Langeweile von der Freizeitindustrie gefüttert und damit quasiberuhigt wird. Man eilt in vollgepfropften Trambahnen zum Fußballplatz, man geilt um pornographische Literatur, liest Groschenhefte und Kitsch, zerstreut sich in Gaststätten, Varietes, Zirkussen, dreht das Radio auf, um ja nicht in den vier Wänden mal allein zu sein, vergnügt sich am Tanz bis zum ausschweifenden Jazz (als einer modernen Form des Veitstanzes), fühlt sich nur wohl im Kollektiv, flieht das Theater, wo es zu geistiger Auseinandersetzung herausfordert, und genießt am liebsten das Kino, das auf Grund seines komplexen Charakters ... rasch und billig alles vergessen macht, vor allem die dunkel fragenden Stimmen des Innern, das Raunen eines Gewissens, das untergründig aufklingt und in den Launen und der Gereiztheit des modernen Menschen seine kompensatorische Auslösung findet« (77, S. 51).

Es dürfte kaum ein Dokument geben, das das Unbehagen breiter Erzieherkreise an den Perspektiven der beginnenden Wohlstandsgesellschaft so ungebrochen widerspiegelt. Die Beobachtungen, die Zielinski hier wiedergibt — empirische Untersuchungen gab es damal kaum - sind denen vergleichbar, die einige Jahre später jeder angesichts der ersten massentouristischen Welle machen konnte: buchstäblich über Nacht hatten Massen von Menschen freie Zeit und »Wohlstand« zur Verfügung, ohne je gelernt zu haben, produktiv damit umzugehen. Zielinski nahm an, dass diese Lernvorgänge ohne gezielten Einsatz aller pädagogischen Mittel nicht stattfinden würden und somit das »Danaer-Geschenk« der Freizeit zur Barbarei führen müsse. Was Zielinski übersah, war, dass solche kollektiven Lernprozesse weitgehend auch ohne gezielte pädagogische Ak--
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tionen ablaufen, sozusagen im Rahmen neuer sozialer Gewohnheiten selbst.

Eine praktikable Freizeittheorie entwarf Zielinski nicht; er beschränkte sich auf Postulate an die einzelnen Erziehungsinstitutionen. Lediglich den Spielfilm würdigte er eingehender, und er war wohl der erste Pädagoge nach dem Kriege, der nicht nur die moralische, sondern auch die künstlerische Seite dieses Mediums in die pädagogische Diskussion brachte. Aber die Bedeutung seines Buches besteht vor allem darin, dass es die Ursprungssituation der bundes-republikanischen Freizeit markiert und dabei demonstriert, über wie wenig durchgeformte und geklärte Kategorien die Erziehungswissenschaft angesichts der Freizeit verfügte. Es zeigt die ganze theoretische Hilflosigkeit einer an abstrakten »Werten« orientierten Pädagogik, für die historische und andere empirische Tatsachen kein Gewicht, sondern allenfalls illustrative Funktion haben. »Die Konsequenz eines solchen Verständnisses von Pädagogik scheint zu sein, dass dann gar keine andere Möglichkeit bleibt, als immer nur dasselbe Thema zu variieren, aus immer neuen Anlässen die gleiche Reflexion zu vollziehen: über die Natur des Ich und seine Bildung« (Klaus Mollenhauer in: deutsche jugend 5/1966, S. 210). Für den Aspekt unseres Themas können wir diese Kritik noch schärfer fassen: Eine solche Pädagogik ist nicht sehr viel mehr als die wissenschaftlich legitimierte Organisation gesellschaftlicher Vorurteile, denen neue Tatsachen und Erfahrungen nichts mehr anhaben können.

Diese nun schon wissenschaftstheoretisch gewendete Kritik gilt mit Abstrichen auch für das Buch von Erich Weber: »Das Freizeitproblem. Anthropologisch-pädagogische Untersuchung« (74) aus dem Jahre 1963, obwohl die extremen politisch-weltanschaulichen und pädagogischen Meinungen hier verschwunden sind. Weber hält hier eine mittlere Position. Vor allem stand ihm nun im Unterschied zu den bisher zitierten Autoren ein umfangreiches empirisches Material der Soziologie zur Verfügung, mit dem extreme weltanschauliche Positionen nicht mehr zu halten waren.
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Aber die Erweiterung des Begriffes »Freizeitpädagogik«, die schon Zielinski vorgenommen hatte, behält er auch bei. Sein zentraler Leitgesichtspunkt ist der »anthropologische«. Weber fragt, was die moderne Freizeit für den Menschen bedeuten könne. Seine Antwort ist die Unterscheidung von »sinnvollem« und »sinnlosem« Freizeitverhalten. »Sinn hat, was als konstituierender Beitrag letztlich der Verwirklichung von in sich selbst gültigen Werten (= Sinnwerten) dient« (74, S. 147). »Sinnloses Freizeitverhalten« ist dann folgerichtig »als Negation des sinnvollen Freizeitverhaltens zu verstehen« (S. 153). Diese abstrakte Kennzeichnung bleibt verständlicherweise im Hinblick auf die Freizeitpraxis völlig folgenlos. Das muss Weber selbst zugeben: »Forderungen nach sinnvoller Freizeiterfüllung besitzen, solange sie lediglich als Postulate formuliert werden, nur geringe gestaltende Kraft für die Freizeitwirklichkeit« (S. 149). So verwundert es nicht, wenn seine Freizeittheorie in eine Art elitären Dezisionismus umschlägt: denn es »fehlen für den Freizeitbereich noch allgemein verbindliche Normvorstellungen und musterhafte Lebensformen, von denen vorbildliche, orientierende und regulierende Einflüsse ausgehen. ... Sie müssen ... vorgelebt werden. Das wird zuerst die Aufgabe einzelner und kleiner Gruppen sein, von denen dann vorbildliche Wirkungen und anregende Verhaltensmuster ausgehen« (S. 149).

Man darf Webers Position in Anlehnung an einen Terminus der politischen Soziologie »elitär dezisionistisch« nennen, weil er das, was »sinnvolle Freizeiterfüllung« sein könnte, als eine sich gegenüber der Masse durchsetzende Entscheidung (lat. decisio) von Eliten ansieht, ohne sich mit den Inhalten solcher Entscheidungen — die ja doch nicht beliebig sein können — näher zu befassen. Die Forderung, dass »sinnvolles Freizeitverhalten« der »Wertverwirklichung« dienen müsse, ist zu vage, als dass sie nicht auch für diejenigen ein Alibi sein könnte, die solche »vorbildlidien Einflüsse« im Freizeitleben durchsetzen wollen, die die freiheitlichen Möglichkeiten der Freizeit zum Ver-schwinden bringen. Mit anderen Worten: Nicht alles,
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was sich unter den gegenwärtigen politischen und ökonomischen Verhältnissen an »Vorbildlichkeit« des Freizeitlebens von »Eliten« durchsetzen läst, kann schon deshalb die Zustimmung der kritischen Theorie finden, weil es sich durchsetzen lässt. Gewiss haben alle Lebensprobleme — und eben auch die Freizeitprobleme — etwas mit Entscheidungen zwischen mehreren Möglichkeiten zu tun. Aber von einer leistungsfähigen Theorie muss man erwarten, dass sie einen sachlich-inhaltlichen Bezugsrahmen entwirft, innerhalb dessen solche Entscheidungen kritisch diskutierbar werden. Dies unterlässt Weber und verführt so den Leser dazu, dieses Vakuum durch beliebige weltanschauliche Meinungen und Entscheidungen auszufüllen.

Ähnliches lässt sich im Hinblick auf den einzelnen Freizeitpartner sagen, weil der hohe Anspruch der »Wertverwirklichung« für den je konkreten pädagogischen Bezug nichts Präzises hergibt: »Die Freizeitpädagogik muss sich zwar an einer universellen und generellen anthropologischen Sicht orientieren, darf sich jedoch nicht darauf beschränken, da die Erziehung ja individuelle Hilfeleistung im konkreten Einzelfall anstrebt« (S. 189). Da aber die allgemeine Theorie die Umsetzung ihrer Einsichten auf konkrete Einzelfälle gar nicht erst zum theoretischen Problem macht, bleibt beides unverbunden nebeneinander bestehen: der einzelne Erzieher muss sich den »Sinn« seines Tuns selbst zurechtlegen.

Die Problematik dieses anthropologischen Ansatzes wird schon darin deutlich, dass die drei Teile des Buches sich theoretisch folgenlos zueinander verhalten. Im ersten Teil werden die einschlägigen Ergebnisse der sozialwissenschaftlichen Forschung zusammengefasst. Der zweite Teil ist der anthropologischen Betrachtung der Freizeit im Sinne einer philosophischen Konstruktion im Rahmen der traditionellen Wertphilosophie gewidmet. Der dritte Teil schließlich, die »pädagogische Betrachtung der Freizeit«, enthält zwar eine Fülle abgewogener und sehr vernünftiger Vorschläge für die Freizeitpädagogen, die aber aus den beiden anderen Teilen keineswegs zwingend folgen. Jeder Teil ist gewis-
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sermaßen ein eigenes Buch. Diese Schwierigkeit scheint aus dem anthropologischen Ansatz selbst zu erwachsen. Er ist nämlich auf eine merkwürdige Weise immun gegen zwei wissenschaftliche Relativierungen: gegen die positivistische Empirie der Sozialwissenschaften und anderen Humanwissenschaften und gegen eine exakt historistische geschichtliche Interpretation. Gegen das, was als »das Wesen des Menschen« vermutet wird, können weder empirische noch historische Fakten etwas ausrichten. Allerdings verlangt diese Immunität einen Preis: den Preis hoher Abstraktion und Allgemeinheit.
Mit dem Verzicht auf konkrete historische Untersuchungen ist aber ein Verzicht auf kritische Interpretation unmittelbar verbunden. Es ist kein Zufall, daß alle bisherigen pädagogischen Stellungnahmen zum Freizeitproblem buchstäblich ungeschichtlich sind. Die geschichtliche Entwicklung zur gegenwärtigen Freizeitsituation wird zwar meist erwähnt, aber lediglich im quantitativen Sinne: die Menschen haben immer mehr Freizeit erhalten. Aber die Frage, ob dieses »mehr« nicht auch »anderes« bedeutet, so daß das gegenwärtige Freizeitsystem gar nicht mehr mit der arbeitsfreien Zeit der vorindustriellen Gesellschaft vergleichbar ist, die Frage, ob nicht gerade anthropologisch gesehen die moderne Freizeit ein qualitativ neues Phänomen ist, das es in früheren geschichtlichen Epochen gar nicht gegeben hat, diese Frage taucht in solchen abstrakten anthropologischen Konstruktionen folgerichtig gar nicht erst auf. Wenn man also in Sachen Freizeitpädagogik heute einen anthropologischen Ansatz wählt, dann muß er historisch-kritisch sein, das heißt er muß die Möglichkeit erörtern, daß die Chancen der modernen Freizeit historisch neuartige Chancen sind, die nicht allein durch abstrakte anthropologische Deduktionen, sondern auch durch präzise historische Reflexionen ermittelt werden müssen. Dieser sogenannte »anthropologische Ansatz« unterliegt also ebenfalls dem vorhin zitierten wissenschaftstheoretischen Defizit der Pädagogik und ist dessen modernste Version.

Trotz dieser grundsätzlichen Einwände stellt Webers Buch
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zweifellos den bisherigen Höhepunkt der pädagogischen Theoriebemühungen um die Freizeit dar. Die Bedeutung des Weberschen Buches wird sofort deutlich, wenn wir uns der letzten hier zu erörternden Arbeit zuwenden, dem 1964 erschienenen Buch von H. E. Wittig »Schule und Freizeit. Ein Beitrag zum pädagogischen Problem der Jugendkulturhilfe« (76). Es basiert auf einem Schulversuch mit einem 9. Schuljahr.

Wütig geht aus von der Unterscheidung Blüchers in »harte-innengeleitete« und »weiche-außengeleitete« Freizeitinteressen. Blücher hatte in seiner Untersuchung »Freizeit in der industriellen Gesellschaft« (1956) entdeckt, dass viele Freizeittätigkeiten — wie der regelmäßige Kinogang — gar nicht weiter im Bewusstsein verankert sind, man nennt sie gar nicht, wenn nach den Freizeitbeschäftigungen gefragt wird. Andere dagegen, vor allem die Hobbies, sind im Bewusstsein der Menschen verankert und werden auf Befragen auch genannt. Letztere nannte Blücher »harte«, die anderen »weiche« Freizeittätigkeiten. Daran knüpft nun Wittig an, indem er meint: »Harte-innengeleitete Freizeitinteressen besitzen meist Bildungswert« (76, S. 29). Die Problematik der Freizeit entstehe aus dem entgegengesetz-ten Verhalten. Das weiche-außengeleitete Freizeitverhalten »stellt die typische Verbraucher- und Konsumhaltung der großen Mehrheit dar. Damit sind die motiv- und bewusstseinsentlasteten alltäglichen Freizeitgewohnheiten gemeint, die mehr konventionell, gewohnheitsmäßig und ohne starke Interessenfixierung ausgeführt werden. (Sie) erzeugen das für unsere Zeit typische >Sich-treiben-Lassen< und >Mitmachen<« (S. 30). Wie fragwürdig diese Qualifizierung und damit dieser Ansatzpunkt ist, geht schon aus der einfachen Tatsache hervor, dass zu den »weichen«, nicht weiter bewussten Tätigkeiten fast alle familiären Gewohnheiten gehören: die regelmäßigen Spaziergänge mit den Kindern, Verwandtenbesuche usw. Im Grunde gehören alle sozialen Gewohnheiten dazu. Sie alle kann Wittig wohl schlecht als pädagogisch bedrohlich ansehen. Demgegenüber ist Webers anthropologische Sinndeutung
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der Freizeit viel umfassender; seine zentralen Kategorien »Regeneration«, »Kompensation« und »Ideation« (74, S. 161 ff.) sind auch noch für ganz andere menschliche Bedürfnisse offen als lediglich für die »geistige Auseinandersetzung« mit den Freizeitangeboten. Sie akzeptieren in gewissem Maße auch das »Sich-treiben-Lassen« und das gedankenlose Vergnügen als Momente der Humanität. Aus diesem Ansatz zieht Wittig dann die Folgerung, dass die weichen-außengeleiteten Freizeittätigkeiten »umge-kehrt«, also in harte-bewusste verwandelt werden müssten. Innerhalb der Freizeitangebote soll der Schüler auswählen lernen, also zum »selektiven Freizeitverhalten« geführt werden. Aber »selektiv« ist nur das, was der Lehrer — ohne weitere theoretische Reflexion — für »sinnvoll« hält, nämlich »Konzerte, Theater, Sport- oder andere Veran-staltungen« (S. 104). Auch der »weiche«, regelmäßige Kino-gang ist aber für bestimmte Menschen eine soziale Gewohn-heit: »man« trifft sich eben einmal wöchentlich vor dem Kino wie andere Menschen sich im Foyer des Theaters, im Club oder auf dem Tennisplatz treffen. Im ganzen ist Wittigs Buch von einer tiefen Resignation durchzogen, verbunden mit einer Heroisierung des Lehrers, der gegen die Manipulationen der Freizeitindustrie und gegen das kommerziell-denaturierte Interesse des Eltern-hauses einen humanen, wenn auch aussichtslosen Kampf führt: »Der Lehrer muss sich bewusst sein, dass er durch seine erzieherischen Bemühungen auf ein Freizeitverhalten einwirken soll, das weitgehend von der Kultur- und Freizeitindustrie manipuliert wird und dem Trend der Gesellschaft zum >weichen-außengeleiteten Konsumverhalten< entspricht. Der verantwortungsbewusste Lehrer wird die-sen Kampf aufnehmen, selbst wenn er nur auf die eigenen Kräfte vertrauen kann und keine Hilfen durch das Eltern-haus finden sollte« (S. 103).

Die bisherigen Erörterungen haben deutlich gemacht, dass die didaktische Problematik der Freizeitpädagogik, das heißt die Frage, was warum im Rahmen der Freizeitpäd-
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agogik gelehrt und gelernt werden soll, nicht überzeugend beantwortet ist. Für Klatt war Freizeitpädagogik (= Urlaubspädagogik) nur »Notstandsarbeit« mit zwar eigentümlichen Methoden, aber ohne eigentümlichen Sinn; Zielinski erweiterte zwar den Begriff der Freizeitpädagogik auf alle Formen auch der alltäglichen Freizeit, ohne indes bei der Frage nach den Inhalten über ein kulturpessimistisches Zerrbild hinauszukommen. Webers anthropologischer Ansatz blieb letztlich doch zu abstrakt und zu allgemein, und Wittig wollte die Freizeittätigkeiten ohne Überzeugungskraft in »gute« (= harte-innengeleitete) und »schlechte« (= weiche-außengeleitete) sortieren. Will man die theoretische Unergiebigkeit der pädagogischen Freizeittheorien auf einen Nenner bringen, so kann man sagen, dass es ihnen nicht gelungen ist, die emanzipatorische Bedeutung der Freizeitentwicklung genügend zu verstehen. So versagen auch die — an sich berechtigten — kritischen Einwände gegen die Realität des modernen Freizeitlebens. Es fehlt der angemessene kritische Maßstab, der entweder in abstrakten, jenseits der konkreten geschichtlichen Ent-wicklung angesiedelten anthropologischen Spekulationen gesucht wird oder aber in vorindustriellen Leitvorstellungen oder auch in einer Kommbination von beidem. Aber die Unergiebigkeit des pädagogischen Freizeitbegriffes hat noch einen prinzipielleren, bisher nicht erwähnten Grund. Seitdem nämlich der Begriff der Freizeitpädagogik von der Urlaubspädagogik aus auf alle anderen Freizeiten des Menschen erweitert wurde, ist er so umfangreich und vielschichtig geworden, dass er zu präzisen didaktischen Klärungen nicht mehr herangezogen werden kann. Wittig schreibt zum Beispiel: »Wir verstehen unter Freizeiterziehung im weitesten Sinn ein Mündigmachen für das öffentliche Leben wie für den privaten Bereich des Daseins. Das kann die Verkehrserziehung in der Schule einschließen, aber auch Erziehung zum sinnvollen Konsumverhalten, wie eine Erziehung zum Gebrauch der Massenkommunikationsmittel oder politische Erziehung im spezifischen Sinn einer zeitgemäßen Menschenführung, wie sie zum Beispiel
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in der Bundeswehr von der >Inneren Führung< betrieben wird« (76, S. 45).
Diese Definition ist so umfangreich, dass sie fast einer Definition von Erziehung überhaupt gleichkommt, also für eine spezielle Erziehungsaufgabe einigermaßen untauglich ist. Das liegt daran, dass die »freie Zeit« als solche keinerlei didaktische Kriterien enthält, sie ist — sehr im Unterschied zur Arbeitszeit — eben nur »frei« und steht für Beliebiges zur Verfügung. Mit anderen Worten: »Freizeitpädagogik« ist überhaupt nicht aus dem Phänomen der freien Zeit heraus zu begreifen, sie muss von einer ganz anderen Basis ausgehen, und insofern hat hier Wittig der Tendenz nach recht. Freie Zeit ist — pädagogisch gesehen — nur die Bedingung der  Möglichkeit von Bildung und Erziehung, aber sie konstituiert deren Inhalte nicht. Man kann »Filmpädagogik« betreiben, weil die Menschen genügend freie Zeit haben, sich Filme anzusehen; aber dann geht es didaktisch primär um das kulturelle Phänomen Film und nicht um Freizeit. Oder man kann Menschen, die mehr Geld als Bedürfnisse haben, dazu bewegen, optimal am Markt zu partizipieren; auch dann geht es didaktisch primär um wirtschaftliche Kenntnisse und Informationen und nicht um Freizeit. Oder es geht darum, Menschen zum Verständnis zeitgenössischer Literatur zu befähigen, weil sie die Zeit haben, sie zu lesen; dann handelt es sich um sprachliche, literarische und formale Schulung und wiederum nicht um Freizeit. Die Pädagogik kann die Möglichkeiten der freien Zeit nutzen, indem sie von Sachen und Problemen her konzipierte Angebote zur Steigerung der menschlichen Fähigkeiten im Umgang mit diesen Angeboten macht. Aber sie kann nicht aus der Bedingung der Möglichkeit eine Pflicht machen, indem sie das System der Freizeit nach »sinnvoll« und »nicht sinnvoll« trennt. Sonst kommen, wie wir gesehen haben, notwendig immer nur mittelständisch-kleinbürgerliche Vorurteile zutage, die mit Recht von denjenigen, denen sie injiziert werden sollen, um so mehr abgelehnt werden, je weniger sie mit deren sozialen Interessen etwas zu tun haben.
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Auch dann, wenn wir nicht von der subjektiven Tatsache der freien Zeit ausgehen, sondern von dem objektiven sozioökonomischen und kulturellen System, das dem einzelnen in seiner Freizeit gegenübertritt, ergeben sich wenig präzise didaktische Folgerungen; denn dieses System umfasst so viele verschiedene und widersprüchliche Angebote, die sich kaum in ein didaktisches Konzept bringen lassen. Auch unter diesem objektiven Aspekt bleibt es dabei, dass Freizeit nur die Bedingung der Möglichkeit von etwas ist. Die didaktische Herausforderung des modernen Freizeitsystems an die Pädagogik besteht nicht darin, dass man »Filmpädagogik« oder »Konsumerziehung« in den traditionellen Lehrplan der Schule einfügt, sondern darin, für das ganze System der Erziehung die Folgerungen aus der Tatsache zu ziehen, dass die moderne Freizeit tendenziell allen Menschen die uneingeschränkte Teilnahme an der Gegenwartskultur im ganzen ermöglicht. Mit anderen Worten: Die pädagogische Herausforderung der Freizeit, ja, ihr wahrhaft revolutionärer Charakter besteht darin, dass die moderne Freizeit tendenziell allen Menschen die uneingeschränkte Teilnahme an der Gegenwartskultur im ganzen ermöglicht. Mit anderen Worten: Die pädagogische Herausforderung der Freizeit, ja, ihr wahrhaft revolutionärer Charakter besteht darin, dass die traditionellen Vorstellungen über den Lehrplan der Volksschule, über seine Bildungsintentionen prinzipiell angegriffen werden. Das System der Freizeit erlaubt den meisten Menschen und tendenziell allen, kulturelle Interessen unabhängig von der Funktion im Produktionsprozess und unabhängig von dem dadurch determinierten sozialen Status zu befriedigen. Die didaktische Reflexion über die Freizeit gewinnt also nichts, wenn sie bloß von den tatsächlichen Freizeitbeschäftigungen ausgeht, die ja selbst schon weitgehend das Produkt einer wissenschafts- und kulturfeindlichen jahrzehntelangen allgemeinen Volksschulerziehung sind. Solange beispielsweise künstlerische und wissenschaftliche Objektivationen nicht als solche verstanden werden und solange sich die Theorie der Volksschule sogar von diesem Anspruch ausdrücklich distanziert, solange trägt das, was sich heute Freizeitpädagogik nennt, nur weiter dazu bei, die Menschen auf unverstandene Stereotype und Klischees zu fixieren. Diese Zusammenhänge aber kann die wissenschaftliche Pädagogik so lange nicht begreifen,
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wie sie sich keine historisch-kritischen Vorstellungen von der Welt macht, in die sie einführen will.

Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass es offenbar nicht möglich ist, die bisherigen pädagogischen Freizeittheorien einfach auf den Tourismus zu übertragen. Nicht nur wegen der aufgewiesenen sozialen Vorurteile, sondern noch mehr deshalb, weil Freizeitpädagogik schon begrifflich falsch und unzutreffend ist, verbietet sich dieser Weg. Man müsste statt von einer Freizeitpädagogik eher von einer »kulturellen Erziehung und Bildung« bzw. — didaktisch ausgedrückt — von einer »Befähigung zur kulturellen Beteiligung« sprechen.

Kritik pädagogischer Urlaubsvorstellungen

Die verhältnismäßig ausführliche Darstellung der pädagogischen Freizeittheorien war keineswegs — wie der Leser vermuten könnte — ein umständlicher Einstieg in unser Thema. Vielmehr ging es dabei um den allgemeinen Hintergrund, von dem her das, was heute im Tourismus als »pädagogisch« bezeichnet wird, erst verständlich wird. Die pädagogischen Vorurteile und Einseitigkeiten nämlich, die wir im Zusammenhang mit der gegenwärtigen Diskussion des Jugendtourismus antreffen, sind weitgehend »abgesunkene«, zu Klischees gewordene Ideologisierungen jener anspruchsvolleren theoretischen Bemühungen. Das weltanschauliche Bedürfnis, dem die kritisierten Theorien weitgehend entsprangen, verband und verbindet die Autoren ja auch mit den Lesern und mit denen, die praktische Nutzanwendungen daraus gezogen haben. In den Zielvorstellungen der staatlichen Jugendpläne zum Beispiel finden sich heute in ermüdender Wiederholung immer wieder die gleichen Redensarten: Es geht um das »Einordnen in die Gemeinschaft«, um »Erholung« und um die »Einheit von Leib, Geist und Seele«.
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Wenn wir nach der Kritik der anspruchsvolleren Freizeittheorien nun versuchen, die innere Struktur dessen zu beschreiben, was im Rahmen der jugendtouristischen Praxis pädagogisch gedacht wird, so betrachten wir gewissermaßen die Sache nur von der anderen Seite. Dabei gibt es eine große Schwierigkeit: Diese »Praxis« ist nicht literarisch produktiv, sie produziert keine Quellen; das, was sie an schriftlichen Äußerungen von sich gibt, dient entweder bestimmten Zwecken — zum Beispiel den Richtlinien für öffentliche Mittel — oder bestimmten, nicht repräsentativen Interessen an dieser Praxis, zum Beispiel den speziellen Aspekten des Jugendschutzes. Wir wollen deshalb bei der Darstellung dieses Kapitels einen Weg gehen, der aus unserer mehrjährigen Erfahrung in der Reiseleiterausbildung resultiert. Wir fanden nämlich immer wieder bei Veranstaltern wie bei Reiseleitern einige typische Verständnisweisen dessen vor, was im Zusammenhang mit dem Jugendtourismus »pädagogisch« heißen solle. Diese Vorstellungen lassen sich, wie noch zu zeigen sein wird, durchaus mit den ausführlicher besprochenen Arbeiten zur Freizeitpädagogik in einen Zusammenhang bringen, so dass wir sie hier nur knapp zu referieren brauchen. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass bisher lediglich die »jugendpflegerischen« und »gemeinnützigen« Reiseunternehmen ein pädagogisches Selbstverständnis entwickelt haben, während die kommerziellen Unternehmen pädagogischen Überlegungen teils ablehnend, teils sehr zurückhaltend gegenüberstehen. Nicht zuletzt unter einem gewissen Druck der Öffentlichkeit werden allerdings auch die kommerziellen Unternehmen — sofern sie spezielle Jugendreisen durchführen — für die pädagogischen Probleme ihrer Maßnahmen hellhörig, und leider bedienen sie sich dabei jener pädagogischen Vorstellungen, die schon im Rahmen des jugendpflegerischen Tourismus zu Klischees geworden sind. So taucht in Prospekten solcher kommerziellen Unternehmen immer häufiger der Begriff der »jugendlichen Gemeinschaft« auf, als ob dies allein schon etwas mit Pädagogik zu tun habe. Gerade weil aber auch diese Veranstalter zunehmend
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über die pädagogischen Implikationen ihres Tuns nachdenken, erscheint es besonders nötig, die im Rahmen des Tourismus auffindbaren pädagogischen Vorstellungen einer Kritik zu unterziehen. Dabei fassen wir diese Vorstellungen in folgenden Typen zusammen:

1. Vielfach wird unter »pädagogisch« die Beschränkung auf Methoden unter Ausklammerung der Zielkritik verstanden. Dies gilt vor allem für die Ferienarbeit von kirchlichen und politischen Verbänden, die ihren »Auftrag« darin sehen, im Urlaub ihre Ziele mit möglichst erfolgreichen Mitteln an die jungen Leute heranzutragen. Für sie ist der Urlaub primär eine Chance der auch sonst üblichen Jugendarbeit; die Urlaubssituation erhält kein autonomes Gewicht, sie ist ebenso bloße Methode (» ... die jungen Leute sind offener und aufgeschlossener als sonst . ..«) wie die Regeln des Gruppengespräches und der Team-Leitung. Pädagogik schrumpft hier gewissermaßen auf eine »Erziehungs-Technologie« zusammen.

Nun steht nirgends geschrieben, dass man in seinem Urlaub keine Bibel-Freizeiten oder politische und religiöse Kurse besuchen dürfe. Die Schwierigkeiten setzen aber dort ein, wo die Urlaubserwartungen der Jugendlichen mit denen der Veranstalter in Widerspruch geraten, weil etwa die Veranstalter vorher »Urlaub« angeboten haben, aber nachher unvermittelt mit ihrem Programm in Erscheinung treten. Meist wird diese Absicht der Veranstalter in der Einladung mit allgemeinen, schönfärberischen Worten verdeckt, in der offenbaren Hoffnung, dass die jungen Leute schon »mitmachen« würden, wenn sie erst einmal mitgefahren sind.

So heißt es in der Einladung zu einer evangelischen Urlaubsfreizeit:
»Das Programm: Wir möchten eine frohe Gemeinschaft junger Christen sein, wobei wir in der Programmgestaltung Eure Wün-sche und Vorschläge gern berücksichtigen. Die Leitung plant:
Zur körperlichen Erholung: Wanderungen ins Gebirge und viel Faulenzen, Baden im Thuner See, Bootsfahrten auf dem Vierwaldstätter See und Brienzer See.
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Zum Atemholen der Seele: Morgenandachten und Sonntagsgottesdienste, Tischgebete und Gespräche über Alltagsfragen im Lichte der Bibel, persönliche Betreuung.
Zur Erweiterung des geistigen Horizontes: Literaturabend, Singabend am Lagerfeuer, Knigge-Abend, Stadtbesichtigung von Luzern, Diskussionen, interessante Ausflüge, Besuch einer Teil-Freilichtaufführung« (8/VI/3, S. 9).

Niemand wird von solchen Formulierungen her vermuten, dass der Leiter die Freizeit fast lückenlos vorprogrammiert hat und dass ganze Vor- und Nachmittage dem religiösen Programm verbindlich vorbehalten waren. Dieser Widerspruch zwischen Ankündigung und Realität führte denn auch dazu, dass der Leiter häufig zu autoritären Maßnahmen und sogar zu regelrechten Tricks greifen musste.

Die technologische Vorstellung von Pädagogik ist im Grunde gar nicht in der Lage, eine spezielle Urlaubspädagogik zu entwickeln, weil dies die Anerkennung eines Spezifikums »Urlaub« voraussetzte, die in dieser Vorstellung ja gerade verweigert wird. Aber gerade das, was urlaubsge-recht heißen könnte, ist ohne Zielkritik nicht zu ermitteln. Im Grunde könnten solche Urlaubsveranstaltungen genausogut in der alltäglichen Umgebung als Kurse oder Seminare stattfinden. In dieser Vorstellung lebt insgeheim jener dirigistische Anspruch auf die Freizeit des anderen weiter, der von Anfang an in der modernen Freizeitpädagogik angelegt war. Sie ist urlaubsindifferent: Die Urlaubsmotivation und die Urlaubsbedingungen (reizvolle Gegend) gelten als bloß methodische Chance, Lehrinhalte, die mit dem Urlaub selbst gar nichts zu tun haben, erfolgreicher zu verbreiten. Damit nehmen diese Inhalte aber den Charakter von Indoktrinationen an, wobei es gleichgültig ist, ob die Inhalte solcher Indoktrinationen »an sich« pädago-gisch vernünftig sind oder nicht.

2. Vielfach wird unter »pädagogisch« ein bestimmter Kanon von Lehrinhalten verstanden, zum Beispiel »das Musische«. Diese Einstellung muss nicht immer so extrem auftreten wie in einigen unserer Untersuchungsbefunde, wo »Volkstanz« als pädagogisch gilt, »Gesellschaftstanz« dagegen nicht. Diejenigen, die dem Gesellschaftstanz pädago-
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gisch nichts abgewinnen können, müssen ihn nicht unbedingt für schädlich halten; er kann auch bloß als pädagogisch uninteressant gelten, als ein Ventil, »das der Mensch halt ab und zu braucht«.

Diese Haltung ist aus der Tradition der deutschen Jugendpflege und Jugendbewegung durchaus verständlich, und die Kritik daran muss hier nicht wiederholt werden. So ist es nicht weiter verwunderlich, dass solche Vorstellungen vor allem in den genuin jugendpflegerischen Maßnahmen eine Rolle spielen (vgl. 9). Als »sinnvolle Freizeitbeschäftigung« gilt durchweg das, was zu Hause als sportlich-musische Betätigung eine Rolle spielt. Die Ferienpädagogik wird so zu einer Fortsetzung der heimischen Jugendpflege mit an-deren lokalen Mitteln. Auch hier richtet sich unsere Kritik nicht dagegen, dass im Urlaub gesungen, gemalt oder ge-werkt wird. Nirgends steht geschrieben, dass solche Betä-tigungen im Urlaub unerlaubt seien. Es geht vielmehr um den bloß »therapeutischen« Anspruch, der schon im Ge-brauch des Wortes Freizeit»beschäftigung« liegt. Würde man kulturelle Hobby-Freizeiten mit einem relativ hohen sachlichen Anspruch organisieren, dann sähe die Sache schon anders aus. Dann würde die Urlaubsfreizeit kulturelle Lernprozesse mobilisieren, für die viele junge Menschen in ihrem Alltag entweder nicht ansprechbar sind oder wozu sie wegen beruflicher und schulischer Verpflichtungen nicht die Zeit haben. Aber indem man musische Betätigungen unabhängig von ihrem Niveau und damit unabhängig von ihrer Lernpotenz für »pädagogisch« hält — was außerhalb medizinisch-therapeutischer Maßnahmen ganz einfach falsch ist —, geschieht nichts weiter, als dass die kulturindustrielle Beschränktheit des Alltags auch auf den Urlaub ausgedehnt wird. Damit wird der Tourismus aber zu einer Art »pädagogischer Provinz« innerhalb des Ur-laubs. Was außerhalb deren Reichweite liegt, gilt als feindlich oder bestenfalls als uninteressant. Wären »musische Betätigungen« aber das wesentliche Ziel einer Urlaubspäd-agogik, so müßte man dazu ja nicht unbedingt verreisen.
3. In der eben kritisierten pädagogischen Vorstellung wird
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die Welt gleichsam a priori in »pädagogische« und »nidit-pädagogische« Partien aufgeteilt. Diese Haltung des päd
-agogischen Sortierens wird besonders deutlich in der Absolutsetzung einzelner Reiseformen wie des Wanderns. Wo die traditionelle Erziehungswissenschaft sich überhaupt mit dem Reisen befaßt hat, da hat sie sich fast ausschließlich mit unverkennbarer Liebe dem Wandern zugewandt. Ohne Zweifel kann das Wandern jenen Erlebnis- und Erfahrungsreiditum haben, den ihm seine Verehrer zuschreiben. Aber hat nicht auch die massentouristische Flugreise wichtige Erfahrungsmöglichkeiten, nur andere? Und wieso sollen die nicht »pädagogisch« sein? Alle pädagogischen Vorteile, die Wolfgang Brezinka in seinem Aufsatz »Erziehung durch das Wandern« (21) dem Wandern zuspricht, können auch anderen touristischen Formen innewohnen. Wir haben schon in anderem Zusammenhang darauf hin-gewiesen, dass die Reize des Wanderns nur unter der Vor-aussetzung erhalten bleiben können, dass sie nur einer Minderheit attraktiv erscheinen. Da aber die pädagogische Uberbetonung des Wanderns auch in der Gegenwart noch eine große Bedeutung hat, wollen wir uns mit dem Aufsatz Brezinkas etwas ausführlicher auseinandersetzen. Brezinka meint, das Wandern »führt aus der engen künstlichen Welt heraus zur Begegnung mit der Natur. Es befreit von dem hastigen, unnatürlichen Lebensstil, der in der Stadt vor-herrscht, und läßt den verlorenen Rhythmus wiederfinden, der dem Menschen gemäß ist. Er erhält unmittelbar Anteil am Wechsel von Tag und Nacht, am Stimmungsgehalt eines strahlend frischen Morgens, eines sonnen-durchtönten Spätnachmittags, eines klaren, stillen Abends. Er lernt das bunte Gesicht der Jahreszeiten und die milden wie die dro-henden Formen des Wetters kennen. Er kommt an alle Dinge, die ihm begegnen, nahe genug heran, um mit ihnen vertraut zu werden: sei es nun Acker oder Wald, Fluß oder Wiese, unwirtliches Gebirge oder fruchtschwere Ebene« (S. 102 f.).
Die »Natur«, die bezeichnenderweise nur mit »Dingen«, nicht auch mit Menschen ausgestattet ist, erscheint hier als
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2. Vielfach wird unter »pädagogisch« ein bestimmter Kanon von Lehrinhalten verstanden, zum Beispiel »das Mu-sische«. Diese Einstellung muss nicht immer so extrem auf-treten wie in einigen unserer Untersuchungsbefunde, wo »Volkstanz« als pädagogisch gilt, »Gesellschaftstanz« da-gegen nicht. Diejenigen, die dem Gesellschaftstanz pädago-
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gisch nichts abgewinnen können, müssen ihn nicht unbedingt für schädlich halten; er kann auch bloß als pädagogisch uninteressant gelten, als ein Ventil, »das der Mensch halt ab und zu braucht«.
Diese Haltung ist aus der Tradition der deutschen Jugendpflege und Jugendbewegung durchaus verständlich, und die Kritik daran muss hier nicht wiederholt werden. So ist es nicht weiter verwunderlich, dass solche Vorstellungen vor allem in den genuin jugendpflegerischen Maßnahmen eine Rolle spielen (vgl. 9). Als »sinnvolle Freizeitbeschäftigung« gilt durchweg das, was zu Hause als sportlich-musische Betätigung eine Rolle spielt. Die Ferienpädagogik wird so zu einer Fortsetzung der heimischen Jugendpflege mit an-deren lokalen Mitteln. Auch hier richtet sich unsere Kritik nicht dagegen, dass im Urlaub gesungen, gemalt oder ge-werkt wird. Nirgends steht geschrieben, dass solche Betä-tigungen im Urlaub unerlaubt seien. Es geht vielmehr um den bloß »therapeutischen« Anspruch, der schon im Ge-brauch des Wortes Freizeit»beschäftigung« liegt. Würde man kulturelle Hobby-Freizeiten mit einem relativ hohen sachlichen Anspruch organisieren, dann sähe die Sache schon anders aus. Dann würde die Urlaubsfreizeit kulturelle Lernprozesse mobilisieren, für die viele junge Menschen in ihrem Alltag entweder nicht ansprechbar sind oder wozu sie wegen beruflicher und schulischer Verpflichtungen nicht die Zeit haben. Aber indem man musische Betätigungen unabhängig von ihrem Niveau und damit unabhängig von ihrer Lernpotenz für »pädagogisch« hält — was außer-halb medizinisch-therapeutischer Maßnahmen ganz einfach falsch ist —, geschieht nichts weiter, als dass die kultur-industrielle Beschränktheit des Alltags auch auf den Ur-laub ausgedehnt wird. Damit wird der Tourismus aber zu einer Art »pädagogischer Provinz« innerhalb des Ur-laubs. Was außerhalb deren Reichweite liegt, gilt als feind-lich oder bestenfalls als uninteressant. Wären »musische Betätigungen« aber das wesentliche Ziel einer Urlaubspäd-agogik, so müßte man dazu ja nicht unbedingt verreisen.

3. In der eben kritisierten pädagogischen Vorstellung wird
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die Welt gleichsam a priori in »pädagogische« und »nidit-pädagogische« Partien aufgeteilt. Diese Haltung des päd-agogischen Sortierens wird besonders deutlich in der Abso-lutsetzung einzelner Reiseformen wie des Wanderns. Wo die traditionelle Erziehungswissenschaft sich überhaupt mit dem Reisen befaßt hat, da hat sie sich fast ausschließlich mit unverkennbarer Liebe dem Wandern zugewandt. Ohne Zweifel kann das Wandern jenen Erlebnis- und Erfah-rungsreiditum haben, den ihm seine Verehrer zuschreiben. Aber hat nicht auch die massentouristische Flugreise wich-tige Erfahrungsmöglichkeiten, nur andere? Und wieso sol-len die nicht »pädagogisch« sein? Alle pädagogischen Vorteile, die Wolfgang Brezinka in seinem Aufsatz »Erziehung durch das Wandern« (21) dem Wandern zuspricht, können auch anderen touristischen Formen innewohnen. Wir haben schon in anderem Zusammenhang darauf hin-gewiesen, dass die Reize des Wanderns nur unter der Vor-aussetzung erhalten bleiben können, dass sie nur einer Minderheit attraktiv erscheinen. Da aber die pädagogische Uberbetonung des Wanderns auch in der Gegenwart noch eine große Bedeutung hat, wollen wir uns mit dem Aufsatz Brezinkas etwas ausführlicher auseinandersetzen. Brezinka meint, das Wandern »führt aus der engen künstlichen Welt heraus zur Begegnung mit der Natur. Es befreit von dem hastigen, unnatürlichen Lebensstil, der in der Stadt vor-herrscht, und läßt den verlorenen Rhythmus wiederfinden, der dem Menschen gemäß ist. Er erhält unmittelbar An-teil am Wechsel von Tag und Nacht, am Stimmungsgehalt eines strahlend frischen Morgens, eines sonnen-durchtönten Spätnachmittags, eines klaren, stillen Abends. Er lernt das bunte Gesicht der Jahreszeiten und die milden wie die dro-henden Formen des Wetters kennen. Er kommt an alle Dinge, die ihm begegnen, nahe genug heran, um mit ihnen vertraut zu werden: sei es nun Acker oder Wald, Fluß oder Wiese, unwirtliches Gebirge oder fruchtschwere Ebene« (S. 102 f.).
Die »Natur«, die bezeichnenderweise nur mit »Dingen«, nicht auch mit Menschen ausgestattet ist, erscheint hier als
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der leitende Gegenpol zur städtischen Zivilisation. Dabei handelt es sich doch — wenigstens in Mitteleuropa — überall um vom Menschen verwandelte Natur, also um »Kultur«: beim »Acker« ist das ohne weiteres klar; der »Wald« ist erschlossen zum Zwecke der Nutzung, der »Fluß« gebändigt, kanalisiert. Auch in dieser »Natur« be-gegnet der Mensch immer nur wieder sich selbst, seinen Taten und Plänen. Und es ist nicht recht einzusehen, warum dieser Teil seiner Schöpfung »eine unversiegbare Quelle« (S. 103) sein soll, nicht aber die moderne Stadt, in der er doch immerhin seine — wenn auch geringen — Frei-heiten verwirklicht hat. Es ist nicht recht einleuchtend, warum die »Begegnung« mit Äckern, Wiesen und Wäldern von anderer Qualität sein soll als die mit Autobahnen, Flugzeugen, Seilbahnen und Berghotels. »Natur« im stren-gen Sinne der nicht von Menschen verwandelten Original-schöpfung dürfte es in Europa wohl nur noch auf einigen wenigen Gebirgsspitzen geben. »Das Wandern beansprucht gleichmäßig den ganzen Menschen« (S. 103), meint Bre-zinka weiter. Dass es das körperliche Training fördert, ist gewiß; ob es in gleichem Maße auch die intellektuellen Kräfte mobilisiert, mag dahingestellt bleiben. Dass das Wandern für das »selbständige Handeln« »eine Fülle von Gelegenheiten« »bietet«, teilt es sicher mit vielen anderen touristischen Formen auch. Das gleiche gilt für die »soziale Reife«, die durchs Wandern gefördert werde. »Raum für die edlen Formen des Abenteuers« bieten andere touristi-sche Formen ebenfalls. Schließlich »die Besinnung: Das Wandern führt aus dem Lärm in die Stille. Es gibt dem Menschen Gelegenheit, sich in der Ruhe der Natur zu sam-meln und auf die innere Stimme zu hören, die im geschäf-tigen Alltag so selten zu Wort kommt« (S. 104). Dies ge-länge deshalb, weil der Wanderer »frei ist von allem un-nötigen Beiwerk des bürgerlichen Daseins. Er führt wenig-stens vorübergehend das einfache Leben, um das sich jeder hartnäckig bemühen sollte, der in einer komplizierten und verwöhnten Gesellschaft der immerwährenden Unzufriedenheit zu erliegen droht. Wer wandert, darf nur so viel
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mitnehmen, wie er mühelos tragen kann. Dadurch erfährt er am besten, wie wenig er eigentlich braucht« (S. 104). Mühelos könnte man diese Argumentation ideologiekritisch betrachten: Für den, der viel hat, ist diese Aufforderung zur Bescheidenheit ein netter Sport; für den, der wenig hat, ist sie eine Aufforderung, seine materiellen In-teressen zu verleugnen. Als ob der Unterschied zwischen Notwendigem und Überflüssigem sich daran entscheiden könnte, was jemand beim Wandern mit sich tragen kann!

Jedenfalls scheint der Geruch von Beschränktheit, der dem Wandern für Außenstehende anhaftet, einen realen Kern zu haben. Außerdem ist die Meinung, dass man zur Besinnung in die Wälder wandern müsse, höchst fragwürdig geworden. Die Lebenserfahrung zeigt uns vielmehr, dass es immer mehr Menschen gibt, die gerade auch in einem Fluidum von Betrieb und Betriebsamkeit die Fähigkeit entwickelt haben, »abzuschalten« und sich auf sich selbst zu besinnen.

Außerdem scheint es in diesem Zusammenhang wichtiger zu sein, dass man sich von den Zwängen des Alltags (zum Beispiel im Urlaub) befreit, als dass diese Befreiung unbedingt in den Wäldern geschehen muss. Zudem trifft das, was Brezinka hier idealtypisch als die pädagogischen Möglichkeiten des Wanderns zusammenträgt, allenfalls die Realität des einsam mit ein oder zwei Freunden Wandernden. In dem Augenblick, wo organisiert  wo organisiert in Gruppen gewandert wird — wie allgemein in der Jugendpflege —, sind die dargestellten Möglichkeiten des Wanderns keineswegs mehr zwingend. Die sinnlosen Lieder, die man dann meist singt und die weder mit »Natur« noch mit »Landschaft« etwas zu tun haben, sondern allenfalls etwas mit kitschiger Einfalt, sind nur ein Symptom dafür, dass die dem Wandern zugeschriebenen pädagogischen Chancen auch in ihr Gegenteil umschlagen können. Nimmt man die großstadtfeindlichen, zivilisationsfeindlichen, naturschwärmerischen und anti-intellektuellen Momente solcher Wandertheorien als das, was sie sind, nämlich als pure Weltanschauung
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Die Lebenserfahrung zeigt uns vielmehr, dass es immer mehr Menschen gibt, die gerade auch in einem Fluidum von Betrieb und Betriebsamkeit die Fähigkeit entwickelt haben, »abzuschalten« und sich auf sich selbst zu besinnen.
Außerdem scheint es in diesem Zusammenhang wichtiger zu sein, dass man sich von den Zwängen des Alltags (zum Beispiel im Urlaub) befreit, als dass diese Befreiung unbedingt in den Wäldern geschehen muss. Zudem trifft das, was Brezinka hier idealtypisch als die pädagogischen Möglichkeiten des Wanderns zusammenträgt, allenfalls die Realität des einsam mit ein oder zwei Freunden Wandernden. In dem Augenblick, wo organisiert in Gruppen gewandert wird — wie allgemein in der Jugendpflege —, sind die dargestellten Möglichkeiten des Wanderns keineswegs mehr zwingend. Die sinnlosen Lieder, die man dann meist singt und die weder mit »Natur« noch mit »Landschaft« etwas zu tun haben, sondern allenfalls etwas mit kitschiger Ein-falt, sind nur ein Symptom dafür, dass die dem Wandern zugeschriebenen pädagogischen Chancen auch in ihr Gegenteil umschlagen können. Nimmt man die großstadtfeindlichen, zivilisationsfeindlichen, naturschwärmerischen und anti-intellektuellen Momente solcher Wandertheorien als das, was sie sind, nämlich als pure Weltanschauung,
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so bleibt übrig: das Wandern ist keineswegs überholt oder unmodern, sondern schon wegen seiner körperlidien Anforderungen eine unbestreitbare Bedingung für Erholung. Aber es hieße viele Erlebnis- und Erfahrungsmöglichkeiten, die der moderne Tourismus in sich birgt, unterschlagen, wollte man das Wandern zur einzig pädagogisch interessanten touristischen Form erheben.

4. Für andere ist »pädagogisch« gleichbedeutend mit sexueller Enthaltsamkeit. »Pädagogisch gelungen« ist für sie eine Urlaubsveranstaltung dann, wenn zwischen Jungen und Mädchen »nichts passiert ist«. Was außerdem im Urlaub geschah oder nicht geschah, scheint demgegenüber pädagogisch zweitrangig oder gar unerheblich zu sein. Zur Erklärung dieser Einstellung muss man bedenken, dass sie offenbar in der öffentlichen und nicht-öffentlichen Meinung weit verbreitet ist. Sonst wäre nicht zu erklären, weshalb die öffentliche Diskussion über die pädagogischen Probleme des Jugendtourismus sich ausgerechnet an dieser Frage entzündet hat und nicht etwa daran, dass in sehr vielen Fällen die organisatorischen und sonstigen äußeren Bedingungen für die jugendlichen Urlauber gänzlich unzureichend sind, was in denselben Berichten gestanden hat, aber offenbar überlesen wurde. Wie befangen diese pädagogische Sicht ist, zeigt sich schon darin, dass man andere Bedingungen der Sexualisierung gar nicht beachtet, ja, sie selbst immer wieder herstellt. Selbst die Verantwortlichen des Jugendschutzes sind unseres Wissens noch nicht für ein Verbot von Massenschlafsälen eingetreten, obwohl jedem, der in der Jugendarbeit mitwirkt, aus eigener Erfahrung geläufig sein muss, dass die Aufhebung der Schlaf- und Waschraum-Intimität bei Jugendlichen fast gesetzmäßig eine Sexualisierung des Kommunikationsklimas zur Folge hat. So ergibt sich oft ein merkwürdiger Zirkel: Sexualisierung wird aus pädagogischer Unkenntnis erst erzeugt, dann mit pädagogischen Motiven wieder unterdrückt, wodurch dann — wie später noch zu zeigen sein wird — ein Klima all-gemeiner Aggressionsbereitschaft entsteht.

5. Vor allem in Kreisen der behördlichen Jugendpflege ist
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der zentrale pädagogische Leitbegriff »Erholung«. Er spielt deshalb eine so große Rolle, weil er der Begründung der öffentlichen Bezuschussung dient. Und dies verweist auf die Geschichte öffentlich subventionierter Jugendreisen: sie wurden ursprünglich weniger pädagogisch, als vielmehr sozialmedizinisch begründet.

Bis weit in die fünfziger Jahre hinein hatten große Teile vor allem der arbeitenden Jugend nicht die finanziellen und zeitlichen Möglichkeiten, für das notwendige Mindestmaß an »Rekreation« selbst zu sorgen. Aber wie schon Erich Weber gezeigt hat, ist neben »Rekreation« in der modernen Freizeit auch noch »Kompensation« und »Ideation« von Bedeutung. Die Kategorie »Erholung« ist also offensichtlich nicht mehr hinreichend zur Kennzeichnung der pädagogischen Bedeutung des Urlaubs. Außerdem ist sie nur schwer in die Praxis umsetzbar. Was ist für einen jungen Menschen im allgemeinen und besonderen erholsam, falls es sich nicht um einen medizinisch begründeten und ärztlich kontrollierten Kuraufenthalt handelt? Zweifellos ist »Erholung« auch weiterhin ein ganz wichtiger Bestandteil einer vernünftigen Urlaubsplanung. Aber dieser Begriff deckt nicht alles. Er ist im Grunde ein negativer Begriff, er definiert den Sinn des Urlaubs von dem her, was Nicht-Urlaub ist: nämlich von den sozialen Pflichten, vor allem von der Pflicht zur produktiven Arbeit her. Es wäre wichtig, dass die sozialpolitischen Vorstellungen über den Urlaub dahingehend korrigiert werden, dass die Diskussion um die Dauer des Urlaubs und um seine Bedeutung nicht länger mehr allein von der Frage beherrscht wird, wie lange jemand sich in welcher Weise »erholen« muss, um für seine fremdbestimmten Berufspflichten wieder fit zu sein. Es kommt in Zukunft darauf an, den Urlaub sozialpolitisch als ein Recht auf Nicht-Arbeit zu bestimmen, das heißt als ein Recht auf ein vom Beruf emanzipiertes Dasein mit eigentümlichem Sinn und Zweck.

6. Schließlich gilt ein Urlaub dann als »pädagogisch«, wenn er den »Gemeinschaftsgeist« fördert. Es ist im Grunde nur schwer verständlich, dass ausgerechnet der gemeinschaft-
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lichen, also einer verhältnismäßig intimen Sozialbeziehung so große pädagogische Bedeutung beigemessen wird. Im Artikel »Freizeit« des Herderschen Pädagogischen Lexikons (1953) heißt es: »Eigentlich ist Freizeitpädagogik nicht Formgebung von freier Zeit, sondern deren Hingabe an gemeinschaftlich durchgeführte Vorhaben, Suche nach neuen Formen gemeinschaftlichen Miteinanders, Rückzug der arbeitenden Menschen auf ein letztes >Schutzgebiet< vor der Flut kollektivistischen entseelten Betriebs.« Freizeit werde »nur dort Gestalt«, »wo zur Lebensgemeinschaft vorgedrungen werden will«.

Die Erwartung des menschlichen Heils von der Gemeinschaft und die pädagogische Uberbetonung dieser Sozialform ist nur verständlich innerhalb der Geschichte des deutschen Bürgertums in diesem Jahrhundert. Das Buch von Ferdinand Tönnies »Gemeinschaft und Gesellschaft« — keineswegs gemeinverständlich geschrieben — lieferte durch seine Entgegensetzung von Gemeinschaft und Gesellschaft, wobei alles Licht auf die Gemeinschaft und aller Schatten auf die Gesellschaft fiel, dem orientierungslos gewordenen Bürgertum die begriffliche Munition für seine anti-zivilisatorischen und anti-modernen Affekte. Die bei Tönnies noch sehr differenzierten Unterscheidungen wurden vereinfacht, und in dieser Vereinfachung okkupierten sie die Reformpädagogik und die pädagogische Tradition bis heute. Gerhard Wurzbacher hat sich in seinem Buch »Gruppe, Führung, Gesellschaft« (München 1961, S. 13 ff.) mit diesen Unterscheidungen kritisch auseinandergesetzt. Wir werden noch sehen, dass gerade »Gemeinschaft« die dem Tourismus am wenigsten angemessene Sozialform ist, dass vielmehr distanziertere Sozialbeziehungen hier viel bedeutsamer sind. Im Gegenteil: Je »gemeinschaftlicher« sich eine Reisegruppe verhält, um so mehr wird sie nach dem allgemein bekannten Gesetz von Innen- und Außenkontakt gegenüber der neuen Umgebung Vorurteile entwickeln und sich gegen neue Erfahrungen verschließen. Gerade gegenüber den genuin touristischen Erfahrungen ist die Gemeinschaft eher hinderlich als förderlich.
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7. Immer wieder trifft man die Vorstellung an, Jugendliche müßten gerade in ihrem Urlaub besondere Aktivität entfalten. Es gibt Urlaubsveranstalter, die mit pädagogischen Begründungen Programme durchführen, die die jungen Leute kaum zur Besinnung kommen lassen, eine Art Fortsetzung des leistungsorientierten Arbeitslebens mit anderen Mitteln und in anderen Situationen. Manchen scheint es dabei fast gleichgültig zu sein, was die jungen Urlauber tun, wenn sie es nur unermüdlich tun.

Nun weist die zunehmende Beliebtheit des Hobby-Urlaubs tatsächlich darauf hin, dass auch junge Leute keineswegs generell »Faul-Sein« und »Gammeln« als das einzige Urlaubsglück betrachten. Nichts ist gegen ein Programm einzuwenden, bei dem junge Leute etwas Interessantes tun und lernen, zumal wenn es sich um etwas handelt, wozu man zu Hause — aus welchen Gründen auch immer — nicht kommt. Aber »Aktivität an sich« kann doch wohl kein pädagogisches Kriterium sein. Es kommt auf das Objekt, das Ziel und die Bedingungen an. Wird das Programm derart dominant, dass es die totale Herrschaft über die ganze Urlaubszeit gewinnt und alle anderen sonst noch möglichen Erlebnisse und Erfahrungen unterdrückt, dann handelt es sich nur um die Aufrechterhaltung der alltäglichen Situation, und man muss sich fragen, warum man dann eigentlich in fremde Länder fährt, um doch nur etwas zu tun, was man genausogut — und billiger — auch zu Hause tun könnte.

8. Eine besondere Bedeutung innerhalb der den Jugendlichen im Urlaub zugemuteten Aktivitäten hat in der letzten Zeit die »internationale Verständigung« gewonnen. Es gilt in jedem Falle als »pädagogisch«, wenn sich junge Leute verschiedener Nationalität treffen, um ihre Vorurteile gegenseitig zu korrigieren, zumal dann, wenn die Beziehungen zwischen Staaten besonders belastet sind. Allerdings zeigt die Praxis, dass im allgemeinen Jugendkontakte nur von Regierungen gewünscht und gestattet werden, die zueinander wenigstens nicht in einem feindseligen Verhältnis stehen.
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Wenn man nun aber internationale Begegnung als »pädagogisch« ansieht, so setzt das die Annahme nationaler Besonderheiten und Verschiedenheiten sowie das Bewusstsein davon bis hin vielleicht zu Vorurteilen voraus. Zweifellos konnte diese Annahme in den ersten Jahren nach dem Kriege für das Verhältnis der Deutschen zu allen ihren Nachbarn gelten. Aber hat nicht inzwischen der Tourismus selbst — sozusagen durch seine weltmarktliche Tendenz — dieses Problem gelöst, soweit es überhaupt zu lösen ist? Wäre nicht denkbar, dass man, indem man heute Jugendbegegnungen zwischen nichtverfeindeten Staaten ausdrücklich und in großem Umfang zum Problem erhebt, gerade neue Bedingungen für Vorurteile schafft, die ohne sie längst der Geschichte angehören würden? Man kann sogar noch pointierter fragen: Ist die zunehmende Etablierung und Finanzierung internationaler Begegnungen wie im Rahmen des »Deutsch-Französischen Jugendwerks« nicht eher ein Symptom dafür, dass man nationale Besonderheiten aus politischen Gründen aufrechterhalten will, die es tatsächlich aus Gründen des weltbürgerlichen Charakters der industriellen Revolution immer weniger gibt?

Besonders instruktiv für dieses Problem ist eine Beobachtungsstudie von G. Garschagen und P. Siebenhühner über einen deutsch-französischen Segelkurs am Ammersee (5). In ihrer Zusammenfassung sagen die Beobachter: »Die Teilnehmer werden durchaus das Gefühl gehabt haben — und in vielen Gesprächen wurde das auch explizit gesagt —, einen schönen und ereignisreichen Urlaub verlebt zu haben und kaum das Gefühl, etwas Wesentliches versäumt zu haben« (5, S. 22). Aber die »eigentliche« Absicht, intensive Kontakte zwischen Deutschen und Franzosen zu ermöglichen, wurde nicht realisiert. Die beiden Gruppen lebten — schon wegen der Sprachschwierigkeiten — zwar harmonisch, aber eben doch nebeneinander her. Alle Beteiligten waren offenbar in Urlaubsstimmung, wünschten so wenig Konflikte wie möglich und gaben sich statt dessen dem vornehmlichen Urlaubsziel, dem Segeln, hin. Die Beobachter meinen: »Erst wenn aber die glatte Oberfläche der Unverbindlichkeit der Unterhaltungen durchbrochen worden wäre, hätte es zu einer wirklichen Aussprache kommen können, welche die Grundlage für die Klärung von Standpunkten und die Tolerierung der
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Meinungen anderer bildet. Eine derartige Aussprache über bestehende Probleme kam während des Urlaubs nicht zustande« (S. 25 f.).
Man muss sich angesichts dieses Beispiels nicht nur fragen, ob weltbewegende Aussprachen zu führen überhaupt ein regelmäßiges und vernünftiges Urlaubsmotiv ist. Man muss sich weiter fragen, ob es überhaupt Probleme gegeben hätte, über die die Franzosen als Franzosen und die Deutschen als Deutsche hätten diskutieren können, auch wenn die Sprachschwierigkeiten nicht bestanden hätten.

Offenbar kann internationale Verständigung nicht schon an sich ein fragloses pädagogisches Ziel sein, sondern nur dann, wenn die dabei zu lösenden Konflikte auch tatsächlich vorhanden sind, ohne dass man sie in Urlaubsveranstaltungen künstlich arrangieren muss. Es mag sehr vernünftige politische Gründe für die Organisation internationaler Begegnungen geben, aber sie müssen damit nicht auch schon pädagogische Gründe sein. Trotz dieser Einwände gehört die internationale Jugendbegegnung zweifellos auch weiterhin zu den sinnvollen jugendtouristischen Programmen, wenn es gelingt, ihre didaktischen Bedingungen und Möglichkeiten genauer zu erkennen. Dabei muss man wohl zwischen zwei verschiedenen Ausgangssituationen gründlich unterscheiden. Dass gegenwärtig Kontakte zwischen unseren Jugendlichen und denen Israels oder der Ostblockländer politisch und pädagogisch große Chancen in sich bergen, kann nicht bestritten werden. Die politischen und kulturellen Gegensätze sind hier noch so groß, dass die heranwachsende Generation lernen muss, trotzdem Wege des Verständnisses und des Friedens zu suchen. Wie kompliziert die dabei auftauchenden Probleme sind, zeigen einige Erfahrungen im Austausch mit Israel. Eine zu genau vorbereitete und deshalb zu absichtsvolle »Begegnung« kann ebenso enttäuschend sein wie eine unvorbereitete. Mancher, der mit viel gutem Willen und mit »Herz« an die Sache heranging, musste entdecken, dass »Verständigung« zu einem erheblichen Teil auch eine Sache des Kopfes ist, das heißt des Denkens, der genauen Kennt-
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nisse und der präzisen Informationen. Hier befindet sich die sozialwissenschaftliche und pädagogische Forschung noch in den Anfängen, und die Zurückhaltung gegenüber Kon-takten mit den Ostblockländern — die keineswegs nur po-litische Motive hat — zeigt die ganze Unsicherheit gegenüber den wirklich risikovollen, deshalb aber eben auch be-sonders lern- und erfahrungsträchtigen Jugendbegegnun-gen.
Während man in diesen Fällen didaktisch von den tatsäch-lichen Konflikten, Gegensätzen und potentiellen Friedensstörungen zwischen den Beteiligten ausgehen muss, versagt dieser Ansatz folgerichtig bei Jugendbegegnungen zwischen westlichen und gar benachbarten Ländern. Nicht das Trennende, Widersprüchliche, Konflikthafte kann hier Ausgangspunkt sein, sondern eher die Horizonterweiterung im Rahmen der Interessen, die man sowieso schon hat: der gewerkschaftlich Engagierte, der Wissenschaftler, der mu-sikalisch, künstlerisch, literarisch oder sportlich Interessier-te, sie alle möchten den Horizont ihrer Interessen und Kenntnisse erweitern, mit neuen Partnern darüber kommunizieren usw. Das gilt nicht nur für die Berufsinteressen, sondern auch für die Freizeitinteressen. Dass in diesen Fällen der Begegnung zwischen Menschen mit relativ konfliktlosen gemeinsamen Grundüberzeugungen die Begegnung im Grunde nur über eine gemeinsame Sache erfolgen kann, dies macht man sich noch zuwenig klar. Statt dessen bleibt man meist bei den Erfahrungen mit Jugendbegegnungen in den ersten Nachkriegsjahren, die aber unter ganz anderen Bedingungen stattfanden, eher solchen vergleichbar, wie sie heute bei Veranstaltungen mit Jugendlichen aus den Ostblockländern herrschen würden. Die Praxis ist noch weitgehend so, dass man irgendwelche Jugendliche sich zusammenfinden läßt, um sie dann mit mehr oder weniger therapeutischen Mitteln zur »Begegnung« zu ermuntern, während tatsächlich in einer solchen Zufallsgruppe so viele verschiedene Interessen und Bedürfnisse vorhanden sind, dass niemand zu seinem Recht kommen kann. »Begegnung an sich« ist noch keine vernünftige päd-
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agogische Zielsetzung, wenn man nicht irgend etwas Einleuchtendes dazulernt; und wenn man nichts weiter lernt, als auf seine kulturellen Interessen zugunsten anderer zu verzichten, so ist das auch nur eine Wiederholung der alltäglichen Situation, und der materielle und zeitliche Aufwand dafür leuchtet nicht recht ein. Die Programme des Deutsch-Französischen Jugendwerks »Wir entdecken Deutschland« leiden zum Beispiel unter diesem Ansatz, obwohl man sich große Mühe gibt, mit Hilfe der »Projekt-Methode« diesen Gefahren zu entgehen. Es wäre also sehr viel vernünftiger, solche internationalen Begegnungen von vornherein unter bestimmten sachlichen Gesichtspunkten zu veranstalten und damit von Anfang an die jeweils Interessierten zur Selbstauslese zu zwingen. Die übrigen Kontakte zwischen den Jugendlichen würden sich dann entweder aus der gemeinsamen Sache oder aus allgemeinen Bedürfnissen (zum Beispiel Geselligkeit) ergeben. Schon die einfache Lebenserfahrung zeigt, was die Gruppensoziologie nur bestätigt, dass nämlich in dem Maße, wie die vitalen Spannungen zwischen menschlichen Gruppen abnehmen, die Gemeinsamkeiten stärker in den Blick rücken. Diese Gemeisamkeiten sind aber keine ab-trakten Größen, sondern sie können sich nur zeigen in dem, was die miteinander kommunizierenden Menschen wirklich gemeinsam haben.

Man kann die bisher charakterisierten Meinungen über die »pädagogischen« Momente des jugendlichen Reisens so zusammenfassen: Sie sagen sehr viel darüber aus, was die Vertreter dieser Meinungen für »jugendgemäß« halten, aber kaum etwas darüber, was Tourismus ist. In der Tat spielt diese Frage nach dem der Jugend Gemäßen eine zentrale Rolle. Die Antworten darauf sind durchaus wandelbar. Es gibt »konservativere«, die bei Singen, Volkstanz und Lagerfeuer bleiben, und »modernere«, die auch Twist, Beatles und einen gewissen Hotelkomfort akzeptieren. Aber es gibt nur wenige, die diese Frage pädagogisch überhaupt für unsinnig halten, mit Ausnahme großer Teile der jungen Generation selbst. Die Hartnäckigkeit, mit der sich
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die Anschauung vom Jugendgemäßen bei uns hält, ist wohl nicht einfach zu erklären. Helmut Schelsky hat sie schon 1957 in seinem Buch »Die skeptische Generation« (S. 96 ff.) soziologisch kritisiert und damit empfindliche Reaktionen in breiten Kreisen der Pädagogen hervorgerufen. Man gewinnt den Eindruck, dass es sich dabei nicht nur um eine geschichtlich überfällige Einstellung derjenigen handelt, die selbst als Jugendliche für sich das Jugendgemäße proklamierten. Es scheint vielmehr so, als ob dabei auch ein sozialpsychologisches Faktum eine Rolle spielt: In der Anschauung des Jugendgemäßen projizieren sich uneingelöste ideelle Sehnsüchte der Erwachsenen auf die junge Generation; sie soll einen Habitus auf weisen, den man selbst insgeheim für sich erhofft, aber in der Realität des Daseins nicht verwirklichen kann. So gehört zum Bild des Jugendgemäßen nicht nur ein durch Reinheit, Edelmut, Altruismus und Status-Neutralität gekennzeichnetes Verhaltensmodell, sondern auch eine »Welt«, in der das alles möglich ist, eine Welt, frei von gravierenden persönlichen Konflikten und gesellschaftlichen Widersprüchen.

Pädagogisch so überaus bedenklich aber ist diese Idylle des Jugendgemäßen gerade dadurch, dass sie im Grunde eine Welt des bloßen Daseins, aber eigentlich keine des Lernens ist. Das Jugendalter als ein Lernalter begreifen hieße ja gerade die pädagogische Provinz die pädagogische Provinz des Jugendgemäßen zu verlassen und auf die Strukturen der »wirklichen« Welt zu sehen, für deren Bewältigung man ganz bestimmte Dinge lernen muss. Anders ausgedrückt: Es hieße, aus der Not der pädagogischen Provinz keine Tugend zu machen. Es ist höchst bemerkenswert, dass die hier in ihrer Einseitigkeit kritisierten pädagogischen Gedanken offenbar aus den Erfahrungen bestimmter pädagogischer Felder — sei es der Schule, sei es der Jugendarbeit — stammen. Es handelt sich gleichsam um Weltbilder aus der Sicht pädagogisch arrangierter und arrangierbarer Sozialsituationen. Die naive Identifikation dessen, was in »pädagogischen Provinzen« möglich ist, mit dem, was »gut« ist, ist zwar als Ausfluß einer pädagogischen Berufsideologie verstand-
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lieh, führt aber eben doch zu einer gewissen »Betriebsblindheit« gegenüber einem Phänomen wie dem Tourismus, der nun einmal ein Phänomen des Marktes und nicht des pädagogisch motivierten Arrangements ist. Deshalb finden sich die hier nur allgemein skizzierten Einstellungen und Meinungen darüber, was »pädagogisch« im Zusammenhang mit dem Jugendtourismus sei, mehr oder weniger zusammenhängend bei den meisten aus der deutschen pädagogischen Tradition kommenden und in den pädagogischen Berufsbildungseinrichtungen geschulten Erziehern. Was wir hier aus analytischen Gründen getrennt haben, gehört tatsächlich jedoch in einen bewußtseinsmäßigen Strukturzusammenhang, den man am besten als »abgesunkene Wertphilosophie« bezeichnet und der durchaus nur etwas undifferenzierter widerspiegelt, was wir vorhin als Ergebnis der pädagogischen Freizeittheorien fanden.

Entwurf eines theoretischen Ansatzes

Lassen wir die bisherigen Erörterungen noch einmal Revue passieren, so zeigt sich, dass von den bisher vorliegenden pädagogischen Freizeittheorien wie auch von den in der Praxis verbreiteten Meinungen über die »pädagogischen« Momente des Jugendtourismus her eine überzeugende pädagogische Theorie des Tourismus aus folgenden Gründen nicht möglich ist.

1. Sie verallgemeinern weltanschauliche Meinungen, die sich mühelos auf ganz bestimmte historische Situationen und Gruppeninteressen hin relativieren lassen.

2. Sie postulieren eine prinzipielle Trennung von »pädagogischen« (= mit pädagogischen Motiven staatlich subventionierten) und »nicht-pädagogischen« (= kommerziellen) Jugendreisen. Abgesehen davon, dass es nicht möglich ist, die gesellschaftliche Wirklichkeit pauschal nach pädagogisch und nicht-pädagogisch aufzuteilen, wird der Begriff
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Pädagogik hier zur ideologischen Rechtfertigung für die Aufrechterhaltung der staatlichen Subvention, während die ursprünglichen, sozialtouristischen Beweggründe dafür weitgehend entfallen sind. Im Zusammenhang mit der staatlichen Subvention ist die Frage, was am Jugendreisen »pädagogisch« sei und was nicht, zu einem Politikum er-sten Ranges geworden. Wir werden noch sehen, dass eine solche Trennung nicht mehr prinzipiell, sondern allenfalls noch graduell möglich ist.

3. Das qualitativ Neue an der Freizeit im allgemeinen und am Tourismus im besonderen wird nicht gesehen; in den pädagogischen Theorien und Meinungen herrscht die Ansicht vor, es handle sich dabei nur um die quantitative Veränderung immer schon vorhanden gewesener, ungeschichtlich gedachter anthropologischer Tatbestände. Damit ist die Hauptschwierigkeit einer pädagogischen Theorie des Tourismus bereits bezeichnet. Fragen wir uns nämlich, was eine solche Theorie leisten muss, dann stellt sich heraus:

1. Der Begriff »Theorie«, wie wir ihn verstehen, ist auf »Praxis« bezogen. Er meint also die gedankliche Ordnung von Argumenten und wissenschaftlichen Erkenntnissen »zum Zwecke von etwas«, nämlich zum Zwecke der Verbesserung der jugendtouristischen Praxis.

2. Aus diesem Zweck folgt, dass sie die »pädagogischen« und die »kommerziellen« Reiseformen treffen muss, und zwar so, dass die Eigentümlichkeiten der verschiedenen Veranstaltungsformen gebührend berücksichtigt werden. Mit anderen Worten: Unsere Definition muss in ihrer allgemeinsten Form die Neckermann-Massenreise ebenso treffen wie die »auf Fahrt gehende« kirchliche Jugendgruppe. Tut sie das nicht, so bleibt sie eine Theorie pädagogischer Provinzen im Rahmen der traditionellen Erziehungsmächte und kann den Markt des modernen Tourismus von vornherein nicht erreichen und damit auch nicht pädagogisch aufklären.

3. Eine solche pädagogische Theorie muss soweit wie möglich konkretisierbar sein, um gerade auch die Details von
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Handlungen, Bedingungen und Situationen wägen zu können. Sonst wird sie abstrakt und praxis-indifferent und damit — gemessen an ihrem Selbstanspruch — überflüssig.

4. Sie muss durch neue wissenschaftliche Ergebnisse änderbar, also eine dynamische Theorie sein. Wir haben schon in der Einleitung darauf hingewiesen, dass eigentlich das empirische Material noch viel zu dürftig für eine pädagogische Theorie ist. Diese Tatsache muss aber dann auch bei der pädagogischen Theoriebildung gebührend berücksichtigt werden. Und das bedeutet, dass unsere Theorie nicht systematisch, von allgemeinen Sätzen ausgehend, zu pädagogischen Ableitungen führen kann, zum Beispiel von allgemeinen Sätzen über »das Wesen des Menschen« hin zu »guten« oder »schlechten« Kennzeichnungen des Tourismus.

5. Schließlich muss die Theorie lehrbar sein für alle, die im Rahmen des modernen Tourismus handeln. Eine pädagogische Theorie in unserem Verständnis ist zugleich immer auch eine didaktische Theorie. Es wäre überflüssig, eine Theorie zu formulieren, die — sei es wegen ihres Umfangs, sei es wegen ihrer »geheimwissenschaftlichen« Begrifflichkeit — nur im engen Bereich der pädagogischen Fachwissenschaft lehrbar und diskutierbar wäre. Damit geben wir unserer Theorie ganz bewußt eine öffentliche Funktion. Sie erhält die Aufgabe, die Phänomene des Tourismus gedanklich so zu ordnen, dass sie zum Zwecke der Aufklärung und Verbesserung der touristischen Praxis allgemein und öffentlich diskutierbar werden. Theorie in diesem Sinne ist das instrumentale Korrelat zur Planung, sie ist Interpretation von Sachverhalten und Zusammenhängen zum Zwecke einer aufgeklärten Planung. Sie kann daher niemals direkte, unvermittelte Anweisung für die Praxis sein, sondern verlangt von der Praxis produktive Aneignung und Weiterverarbeitung.

Unter allen diesen Gesichtspunkten scheint uns »Lernen« der zentrale pädagogische Leitgedanke zu sein, und zwar zunächst in dem allgemeinen und formalen Sinne, dass »Lernen« derjenige Prozeß heißen soll, in dem Individuen
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ein »mehr« und »anderes« an Wissen, Einsicht und Verhalten erwerben. Den Tourismus pädagogisch betrachten heißt also, ihn als eigentümliches Lernfeld betrachten. Darin deutet sich zunächst eine gewisse Bescheidung gegenüber den Phänomenen des Tourismus an: Nicht alles, was überhaupt an ihnen interessant ist, ist auch pädagogisch interessant.

Vor allem ist es nicht länger mehr interessant, Phänomene des Tourismus — und der Freizeit überhaupt — pauschal nach »gut« und »böse« zu sortieren, was, wie wir gesehen haben, in der bisherigen Form nur auf dem Hintergrund einer bestimmten partikularen Weltanschauung möglich ist. Die Erziehungswissenschaft hat zu einer solchen Sortierung keine Legitimation. Im Gegenteil: Unter dem Leitgesichtspunkt des Lernens, der zugleich ein kritischer Gesichtspunkt ist, könnte es zum Beispiel sein, dass eine gut organisierte Touropa-Reise pädagogisch ergiebiger ist als eine Jugendgruppe auf Fahrt, weil bei der Gruppenfahrt tatsächlich nichts dazugelernt, sondern nur das bisher im heimischen Milieu Gelernte mit anderen Mitteln aufrechterhalten wird. Wenn zum Beispiel »Erholung« als wichtiges Kriterium für den Urlaub gilt, so interessiert das die Pädagogik nicht deshalb, weil »Erholung« an sich eine gute und nützliche und mensdienwürdige Sache ist, sondern nur, insofern jeder Mensch lernen muss, sich zu erholen. Hat er das gelernt — gleichgültig in welchem Alter —, so ist in diesem Falle die Angelegenheit für die Pädagogik uninteressant geworden. Die Einschränkung, die in dieser Betrachtung liegt, muss genau beachtet werden: sie sieht die Menschen nicht mehr in einer totalen Anthropologie, sondern nur noch in einer partiellen. Der Gesichtspunkt des Lernens ist ja im Grunde ein Leistungsgesichtspunkt — zum Lernen gehört immer ein gewisser Aufwand an Energie —, und gerade der Urlaub erlaubt diesen Gesichtspunkt nur mit Einschränkungen. Es könnte sein, dass wesentliche Merkmale gerade des massentouristischen Urlaubs (die Bevorzugung des Strandurlaubs, des Faulseins und Gammeins, der unverkennbare Trend, allen Konflikten mög-
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liehst auszuweichen) wichtige Glücksgefühle gerade dadurch erzeugen, dass man hier im Unterschied zum Alltag so existieren kann, dass man nicht allzu vieles lernen muss. »Lernen« ist ja in erster Linie nicht ein in der »Natur« des einzelnen liegendes Bedürfnis, sondern primär ein sozialer Zwang: wer bestimmte Dinge nicht lernt, droht in der Gesellschaft, in der er lebt, zu scheitern. Es könnte also sein, dass die durchweg zu beobachtende Initiativlosigkeit im Urlaub damit zusammenhängt, dass man sich gerade von der Anstrengung der sonst üblidien Lernleistungen entlasten will. Daher wäre es falsch, den Gesichtspunkt des Lernens zur dominanten Betrachtungsweise des Urlaubs zu erheben, vielleicht gar in dem Sinne, dass die organisierten Lernweisen auch noch vorherrschend werden (Urlaub als Fortsetzung der Schule mit anderen Mitteln). Dennoch scheint die Flucht vor den üblichen Lernleistungen, wie sie der moderne Urlaub demonstriert, nicht »von selbst« zu erfolgen, sondern ebenfalls eine Lernleistung zu sein. Auch das »Glück« — was immer das heißen mag — scheint ein Ergebnis von komplizierten Lernprozessen zu sein. Zweitens verbindet unser Leitbegriff des Lernens das, was bisher meist als »Erziehung« und »Sozialisation« unterschieden wurde. Gemeinhin gelten als »erzieherische« Situationen nur solche, die von der pädagogischen Absicht arrangiert wurden; das Musterbeispiel ist bekanntlich die Schule. Aber »Lernen« geschieht ja bekanntlich auch — und vermutlich sogar am wirkungsvollsten — in solchen Zusammenhängen, die von niemandem geplant werden, nämlich in den sozialen Lebenssituationen selbst. Es ist unbezweifelbar, dass in allen außerschulischen Situationen — und gerade auch im Tourismus — die Sozialisationswirkungen von besonderer Bedeutung sind. Das soziale »Feld« ist hier in der Regel bedeutsamer als die beabsichtigten Erziehungswirkungen der Leiter. Wenn die Pädagogik die Menschen als lernende Wesen betrachtet, dann macht es keinen prinzipiellen Unterschied mehr, ob dieses Lernen in geplanten oder bloß wirksamen sozialen Feldern erfolgt.
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Drittens schließlich ist ja gerade das Jugendalter im besonderen Maße ein Lernalter, obwohl der moderne Tourismus auch ganze Tourismus unerfahrene soziale Schichten der Erwachsenen in geradezu abenteuerliche Lernprozesse gestürzt hat. Insofern ist »Pädagogik« — wie der ursprüngliche Wortsinn ja noch meint — keineswegs mehr einfach auf das Kindes- und Jugendalter zu beschränken. Indem »Lernen« der zentrale pädagogische Leitbegriff wird, befreit sich die Pädagogik aus ihrer traditionellen Fixierung auf das Kindes- und Jugendalter. Dann stellt sich heraus, dass jedes Lebensalter bestimmte Lernprobleme und Lernchancen hat; und wie sich diese von den Lernproblemen anderer Altersstufen unterscheiden, ist dann keine prinzipielle, sondern nur noch eine empirische Frage. Dieser Gesichtspunkt ist gerade für den Tourismus von besonderer Bedeutung; denn der Tourismus gehört zu denjenigen relativ jungen gesellschaftlichen Tatbeständen — wie zum Beispiel auch die politische und soziale Demokratisierung —, denen die Erwachsenen ebenso lernbedürftig gegenüberstehen wie die Jugendlichen auch: touristisches Reisen ist offensichtlich nicht etwas, was die Älteren können und was die Jugendlichen von ihnen lernen müssen. Nun ist »Lernen« ein sehr allgemeiner und wertneutraler Leitbegriff. Auch Verbrecher »lernen« etwas, bevor sie Verbrecher werden, bzw. während sie ihr Verbrechen ausführen. Aber wir wollen die grundsätzliche Problematik des modernen Lernbegriffes hier auf sich beruhen lassen und unsere Definition im Hinblick auf den Tourismus präzisieren. Dann hat Lernen hier einen doppelten Aspekt, den der »Lebenstechnik« und den der »Wirklichkeitserfahrung«. Der Unterschied sei an einem kleinen, alltäglichen Beispiel erläutert.

Ein Mädchen wird aus einer süditalienischen Kirche verwiesen, weil es die Kirche in Shorts betreten hatte. Es kann — und wird vermutlich — aus diesem Erlebnis lernen, dass »man« in Italien Kirchen in einer bestimmten Kleidung nicht betreten darf. Für die Zukunft weiß es dies und wird sich danach richten, ohne wieder Anstoß zu erregen.
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Um diese »Lebenstechnik« zu beherrschen, braucht es nichts von den Gründen und Zusammenhängen zu wissen, sondern kann sich mit dem Tatbestand als solchem begnügen. Allgemeiner ausgedrückt: Jeder Mensch muss für das Existieren im System des Tourismus eine Reihe von Sozialtechniken und Lebenstechniken lernen, ohne deren Beherrschung er den apparathaften Bedingungen in diesem System ausgeliefert ist. Inwieweit es sich bei diesen Techniken lediglich um die Anwendung einer allgemeinen Lebensklugheit handelt oder inwieweit sie spezifisch für den Tourismus sind, mag dahingestellt bleiben. Jedenfalls ist die weitverbreitete Annahme falsch, im Unterschied zum jugendpflegerischen Reisen seien die massentouristischen Reiseveranstaltungen prinzipiell der Eigeninitiative und der persönlichen Aktivität schädlich. Das kann nur für die Reisekunden zutreffen, die auf dem Klavier der Organisations- und Dienstleistungsangebote nicht zu spielen vermögen. Unser — gewiß nicht repräsentatives — Untersuchungsmaterial legt hingegen den umgekehrten Schluss nahe: dass nämlich gerade viele jugendpflegerische Unternehmen als streng durchorganisierte »pädagogische Provinzen« jede Eigeninitiative (und damit auch jede Lernchance) im Keim ersticken, während die jugendtouristischen Abteilungen kommerzieller Reiseunternehmen ihre jugendlichen Kunden immerhin zur Auswahl unter verschiedenen Programmen, zu finanziellen Kalkulationen und zur Zusammenstellung des Urlaubsprogramms am Urlaubsort durch Auswahl unter den verschiedenen Angeboten zwingen. Es wäre sogar denkbar, dass das freiwillige jugendliche Publikum der jugendpflegerischen Reiseangebote nicht zuletzt aus Jugendlichen besteht, die sich dem übrigen Tourismus »technisch« noch nicht gewachsen fühlen. Träfe diese Vermutung zu, die sich aus unserem Material wohl begründen, aber nicht beweisen läßt, so würde sich daraus eine besondere pädagogische Aufgabenstellung für die jugendpflegerischen Teile des Tourismus ergeben: ihre Kunden im Hinblick auf die touristischen Techniken »sicher« zu machen. Diese Unternehmungen hätten dann nur soviel pädagogi-
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sehen Wert, wie sie aus ihrer »pädagogischen Provinz« eine Not und keine Tugend machen, das heißt sie zum Mittel dafür betrachten, dass sie möglichst bald überflüssig wird.
Zu den hier in Rede stehenden touristischen Techniken gehört die Fähigkeit der Auswahl unter verschiedenen Reiseangeboten, die Fähigkeit zur selbständigen finanziellen Kalkulation; zur gezielten und zeitökonomischen Benutung von organisatorischen und Informations-Dienstleistungen sowie des angebotenen Service; schließlich die Fähigkeit zur optimalen Absicherung bei risikovollen Unternehmungen (Bergsteigen, Schwimmen im Meer, Trampen, Versicherungen usw.). Die souveräne Beherrschung solcher Techniken ist die unabdingbare Voraussetzung für die zweite Dimension des touristischen Lernens, die wir »Wirklichkeitserfahrung« nennen wollen.

Es kann nämlich auch sein, dass dem vorhin zitierten Mädchen das kleine Erlebnis zur Wirklichkeitserfahrung wird, indem es den Gründen und Ursachen auf die Spur zu kommen trachtet. Gelingt dies, so wird dieses kleine Erlebnis zu einer Wirklichkeitserfahrung im dreifachen Sinne, und diese Dreiheit gehört immer zu einem ernst zu nehmenden Begriff von Erfahrung:

1. Das Mädchen macht zunächst eine Selbsterfahrung, indem es gezwungen wird, seine »selbstverständliche« Verhaltensweise zu relativieren. Eine unbewusst angelernte Verhaltensweise wird durch eine neue Situation in Frage gestellt und fordert ein Stück Selbst-Reflexion heraus.

2. Das Mädchen macht zugleich eine Sozialerfahrung, indem es gezwungen wird, über die Motive und Gründe derjenigen nachzudenken, die sie aus der Kirche gewiesen haben. Die Selbstverständlichkeit eines angelernten Sozialverhaltens wird in Frage gestellt. Ohne dieses kleine Erlebnis hätte das Mädchen vielleicht keinen Grund gehabt, über diese anderen Menschen nachzudenken.

3. Schließlich ändert sich auch das Bewusstsein über bestimmte Sachverhalte. Vielleicht hat das Mädchen bisher gemeint, Kirche und Religion seien gleich, ob es sich nun
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um Deutschland, Frankreich oder Süditalien handelt. Nun kommt es vielleicht dahinter, dass es zum Beispiel gewichtige geschichtliche Unterschiede gibt, die man nicht außer acht lassen darf.
»Erfahrung« in einem strengen Wortsinne betrifft also immer — allgemeiner ausgedrückt — das Verhältnis zur Subjektivität, zur Sozialität und zur Objektivität und ist etwas, was sich entscheidend »im Kopfe« abspielt: nur ein solches »Erlebnis«, das in dieser dreifachen Weise im Bewusstsein »in Ordnung gebracht wird«, wird zur Erfahrung gewendet.

Nun darf unser Beispiel die Urlaubspädagogen nicht zu der Annahme verführen, als ob jede »Lebenstechnik« und »touristische Technik« gleich zur Erfahrung gewendet werden müsse, damit dem Anspruch der Pädagogik Genüge getan sei. Viele Dinge sind es von der Sache her nicht wert, dass man so mit ihnen verfährt, und vielleicht wird mancher auch unser Beispiel dafür ungern akzeptieren. Nicht in jedem Falle ist die touristische Technik die erste Stufe zu einer Wirklichkeitserfahrung, aber umgekehrt ist die Beherrschung der touristischen Techniken die Voraussetzung für Erfahrungsfähigkeit, weil nur in ihren unmittelbaren alltäglichen Verhaltensweisen souveräne Menschen das Risiko neuer Erfahrungen auf sich nehmen, anstatt sich mit Vorurteilen gegen sie abzuschließen. Mit diesem Begriff der »Erfahrung« ist in den ursprünglich wertneutralen Begriff des »Lernens« nun ein normatives Element hineingekommen. Er enthält nämlich nun eine normative anthropologische Prämisse, die Voraussetzung nämlich, dass die Veränderung von Meinungen, Einstellungen, Urteilen und Verhaltensweisen das entscheidende pädagogische Moment und überhaupt etwas Wichtiges und Wertvolles sei. Im Grunde ist schon im Begriff des Lernens das Moment der Veränderung besonders betont: Wer irgend etwas gelernt oder dazugelernt hat, ist eben ein anderer Mensch als vorher.

Dennoch ist die bisherige Betrachtung noch unbefriedigend; denn auch der Begriff der Erfahrung ist noch so formal
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und inhaltsleer, dass er die Gefahr der Willkürlichkeit pädagogischer Entscheidungen heraufbeschwört. Wir können im konkreten Einzelfall einfach irgend etwas als Selbst-, Sozial- und Objekterfahrung deklarieren. Wir bestimmen einfach, was für uns eine Erfahrung ist. Welches sind, so müssen wir weiterfragen, die spezifischen Inhalte von Erfahrungen, die der Tourismus ermöglicht? Sind es irgendwelche beliebigen Wirklichkeitserfahrungen, die man auch genausogut außerhalb des Tourismus machen könnte? Dann hätten ja doch jene Meinungen recht, die wir vorhin kritisierten, weil sie das Pädagogische unabhängig von den touristischen Bedingungen ermitteln wollten. Wenn wir aber andererseits dafür eintreten, dass der Tourismus ein unaustauschbares Lern- und Erfahrungsfeld sei, dann müssen wir klarstellen, worin das Eigentümliche dieses Feldes denn besteht. Wir tun das, indem wir auf die emanzipatorischen Tendenzen des modernen Tourismus verweisen.

Was damit gemeint ist, zeigen schon die unaufhaltsamen Liberalisierungstendenzen, die mit der touristischen Welle einhergehen. Lernprobleme gibt es ja nicht nur für die Reisenden, sondern in vielleicht noch stärkerem Maße für die Gastgeber, zum Beispiel für die Bevölkerung: sozial, politisch und kulturell rückständiger Länder, die mit den anderen Lebensweisen hochentwickelter Länder konfrontiert werden. Für totalitäre und autoritäre Staaten ist der Tourismus ein politisch höchst zweideutiges Geschenk. Einerseits bringt er die begehrten Devisen, andererseits importiert er damit zugleich ein mehr oder weniger hohes Maß an allgemeiner Liberalisierung.

Bei der Diskussion der pädagogischen Freizeittheorien haben wir gezeigt, dass die bloße Tatsache der freien Zeit keine didaktischen Schlüsse zuläßt, dass diese Tatsache lediglich die Bedingung der Möglichkeit für etwas ist, was man in dieser freien Zeit tun kann. Dies gilt auch für den Tourismus: Aus der bloßen Tatsache des Verreisens selbst lassen sich keinerlei pädagogische Konsequenzen ableiten; sie entstehen erst, wenn man an die touristische Situation
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denkt, in die hinein verreist wird. Wie sieht diese Situation aus? Warum erleben die meisten Menschen ihren Urlaub als »Auszug aus dem Alltag«, wie Helmut Kentler es formulierte?

Freizeit und Tourismus gehören zu den großen »Emanzipationen«, den Befreiungen der Menschen aus traditionellen gesellschaftlichen und naturhaften Bindungen, ein Prozess, den man meist mit der Vorgeschichte der französischen Revolution ansetzt. Sozialgeschichtlich betrachtet ist also nicht die freie Zeit das geschichtlich Neue, sondern die freiheitlichen und emanzipatorischen Momente sind es, die sich darin ausdrücken.
Im modernen Tourismus repräsentieren sich mindestens drei solcher Befreiungen, deren »Erfahrung« vor allem Ziel von Lernvorgängen im Tourismus sein müßte.
1. Im Tourismus können sich die Menschen von der Totalität der Berufsrolle emanzipieren. So wie die allgemeine Freizeit größer geworden ist, als zur Rekreation zum Zwecke der dadurch verbesserten beruflichen Pflichterfüllung nötig ist, so ist Urlaub eben mehr als Erholung. Im Urlaub erheben die Menschen — auch die Jugendlichen — Anspruch auf Vergnügen, Luxus und Genuß in Autonomie gegenüber den mannigfaltigen sozialen, beruflichen und politischen Pflichten. Vergnügen als Selbstzweck wird durch die ökonomischen und gesellschaftlichen Bedingungen, die den Tourismus hervorgebracht haben, zum ersten Mal in der menschlichen Geschichte tendenziell für alle Menschen möglich.

Um zu ermessen, was diese Tatsache bedeutet, muss man sich klarmachen, dass »Vergnügen« in unserer gegenwärtgen Pädagogik fast keine Rolle spielt, mit Ausnahme der überlieferten Spieltheorien, die aber nur einen Teilaspekt betreffen und nicht selten als Vorstufe zur Arbeitserziehung verstanden wurden. Mindestens seit der Aufklärung mussten wir den Zwängen der industriellen Gesellschaft dadurch gehorchen, dass wir auch in der Erziehung Tugenden und Zielvorstellungen in den Vordergrund stellten — wenn nicht gar verabsolutierten —, die fast ausschließlich
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an den heteronomen Leistungen für Staat und Beruf orientiert waren. Diese frühkapitalistischen, vergnügungsfeindlichen Erziehungsvorstellungen sind so in uns verwurzelt, dass wir heute weithin pädagogisch ratlos vor der Tatsache des Massenvergnügens stehen und nicht wissen, was wir damit anfangen sollen. Unser Material ist voll von Beispielen dafür, dass Urlaubspädagogen dieses »Recht auf Vergnügen« ernst zu nehmen trachten, dann aber selbst bestimmen wollen, was für die anderen Vergnügen ist, und feststellen müssen, dass es dann keinen Spaß mehr macht. »Vergnügen ist, was Spaß macht«, hat Ludwig Marcuse einmal gesagt, um damit gegen alle die vorzugehen, die anderen immer vorschreiben wollen, was ihnen Vergnügen bereiten soll.

Die Autonomie des Vergnügens betrifft auch und gerade die menschlichen Sozialbeziehungen, zum Beispiel die Beziehungen der Geschlechter. Was heißt es, eine zwecklose, spielerische Beziehung zum anderen Geschlecht einzugehen? Es heißt zum Beispiel, dass die Beziehungen zwischen den Geschlechtern nicht länger mehr nur von der antizipierten sozialen Pflicht der Ehe und Familie her gesehen werden können. Aber auf welchem Hintergrund sonst? Muss das Vergnügen, das in erotischen Beziehungen zwischen Männern und Frauen liegen kann, »kultiviert«, also »gelernt« werden, um Spaß zu machen?

Diese Fragen führen uns über unser eigentliches Thema hinaus, machen aber deutlich, was im einzelnen unter dem Aspekt des Vergnügens für die Pädagogik zur Debatte stehen könnte. Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass die Befreiung von der Totalität der Berufsrolle neue ungeahnte Möglichkeiten des Menschse'ns enthält. Wir wissen inzwischen, wie sehr die Fremabestimmung des ganzen menschlichen Daseins von den beruflichen Leistungen, Erfahrungen und Denkgewohnheiten her den Menschen borniert, seine Möglichkeiten einengt und begrenzt. Es hat den Anschein, als ob der »Strand-Urlaub« im Augenblick dieser Emanzipation am nächsten kommt. Helmut Kentler kommt zu dem Schluß, »dass die jungen Urlauber eine
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ihnen eigentümliche Tendenz zum >Strand-Urlaub< haben; er ist für sie die >Idealform< des Urlaubs« (8/VII/S. 89). Er besteht aus einem durch Baden, Im-Sand-Liegen, Schlafen und Essen charakterisierten Tageslauf und einem mit verschiedenen Geselligkeiten verbrachten langen Abend. Soziale Pflichten spielen in diesem Lebensstil keine oder nur eine unbedeutende Rolle — ein sehr großer Gegensatz zum Tagesablauf zu Hause.

2. Im Tourismus repräsentiert sich ferner eine Befreiung vom Existenzminimum; denn am Tourismus teilnehmen kann nur der, dessen ökonomische Möglichkeiten das Existenzminimum übersteigen. Auch in diesem Punkte hemmen uns wieder jene pädagogischen Vorstellungen, die in der ersten Phase der Industrialisierung steckengeblieben sind. Seitdem haben wir uns in der Pädagogik immer wieder eingeredet, dass Reichtum im Betracht eines menschenwürdigen Daseins bestenfalls indifferent, in der Regel aber eher hinderlich sei. Es genügt sich anzusehen, was im Rahmen der sogenannten »Konsumerziehung« in dieser Hinsicht gefordert wird. Die pädagogische Zwecklüge hat in diesem Punkte vielfältige Formen angenommen, von der Heroisierung des armen, pflichtgetreuen Bäuerleins in unseren Lesebüchern bis hin zu dem Stereotyp, dass reiche Leute unglücklicher seien als arme. Die Befreiung vom Existenzminimum ist in gewisser Weise das ökonomische Korrelat zur ersten Befreiung: soziale Autonomie des Vergnügens und »überflüssiges« Geld bedingen einander.

3. Die dritte Befreiung ist für den Tourismus unmittelbar vielleicht am bedeutsamsten. Wir meinen die Emanzipation vom Milieu als sozialem Schicksal. Alle vergangenen »vortouristischen« Formen des Reisens verblieben innerhalb des eigenen sozialen Milieus. Die Grand Tour, die Bildungsreise, die Badereise und schließlich auch die Fahrt haben dies gemeinsam. Nun sind die am weitesten entwickelten Formen des modernen Tourismus unter anderem dadurch gekennzeichnet, dass sie gar kein »Milieu« mehr aufweisen. Zwar bleiben die Arbeiter, Kleinbürger, Bauern usw. auch in der touristischen Situation weitgehend das,
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was sie zu Hause auch sind, aber die im heimischen Milieu angeeigneten und praktizierten Verhaltensweisen und Einstellungen finden in den touristischen Bedingungen selbst keine Stütze mehr. Genau dies macht die bekannte Unsicherheit vieler Gruppen von Reisenden aus und führt zu den geläufigen Vorurteilen, mit denen man sich gegen die Verarbeitung neuer Erfahrungen abschirmt. Auch gegen diese Befreiung richtet sich ein Großteil der pädagogischen Tradition. Die vorhin kritisierte Theorie des Wanderns ist dafür nur ein Beispiel: das Wandern soll die Menschen weiterhin an das binden, wovon sie der Tourismus gerade befreien kann: an das Nahe, Kleinräumige, immer schon Dagewesene und Begrenzte.

Diese drei Emanzipationen, die nach unserer Meinung das wesentlich Neue am Tourismus im Unterschied zu vergangenen Formen des Reisens ausmachen, ermöglichen erst einen Reichtum an Erfahrungen, Erlebnissen, Urteilen und Meinungen, die ohne sie nicht möglich wären. Sie zu realisieren, wäre die zentrale Aufgabe einer modernen Urlaubspädagogik. Diesen Emanzipationen auszuweichen, etwa weil sie nicht in ihr Weltbild passen, hat sie nicht die Möglichkeit, weil sie ein solches Maß an Freiheit gegenüber der Geschichte nicht hat. Insofern stehen diese inhaltlichen Bestimmungen keineswegs auf einer Stufe mit jenen weltanschaulichen Positionen, die wir bisher kritisiert haben, es sei denn, man wollte den modernen Demokratisierungsprozess im ganzen als willkürlich und jederzeit widerruflich betrachten. Wie stark in Wahrheit jene emanzipatorischen Tendenzen sind, zeigt sich noch dort, wo sie — nicht zuletzt mit »pädagogischen« Argumenten — autoritär unterdrückt werden, sich aber dennoch in Form von Aggressionen oder Ersatz-Handlungen durchzusetzen trachten.

Natürlich sind diese Emanzipationen nur die eine Seite eines dialektischen Zusammenhangs. Auf die andere Seite machen die vielen kulturpessimistischen Aussagen aufmerksam, die in diesem partiellen Sinne also durchaus ihre Berechtigung haben. Jede an sich mögliche Emanzipation
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kann von den Menschen verspielt werden, wenn sie sie nicht aktiv aufgreifen und ihr zur Gestalt verhelfen. Nichts muss uns heute fernerliegen als ein naiver Fortschrittsoptimismus, der von der Geschichte selbst die Entwicklung zum Guten erwartet. Aber gerade deshalb wäre es die Aufgabe einer Urlaubspädagogik, diesen emanzipatorischen Tendenzen des Tourismus zum Durchbruch zu verhelfen, soweit dies überhaupt in ihrer Macht liegt; tatsächlich neigen die heute herrschenden pädagogischen Freizeit-Theorien eher dazu, diese Tendenzen zu unterdrücken. Nun haben wir den ursprünglich bloß formalen und wertneutralen Begriff des Lernens durch den Begriff der Erfahrung und durch die Aufnahme der emanzipatorischen Tendenzen des modernen Tourismus selbst so hinreichend aufgefüllt und inhaltlich präzisiert, dass wir nun anhand des uns bisher vorliegenden Materials das touristische Feld als ein Lernfeld präziser beschreiben können. Wir definieren zusammenfassend: Der moderne Tourismus ist insofern Gegenstand der Pädagogik, als er ein Lernfeld darstellt, in dem spezifische Erfahrungen möglich sind, die aus den emanzipatorischen Tendenzen des touristischen Systems resultieren.

Pädagogisch im Rahmen des modernen Tourismus verhält sich also derjenige, der seinen Partnern dazu verhilft, dass sie (zum Beispiel durch Erlernen touristischer Techniken) ihre Probleme lösen und die eben beschriebenen Erfahrungen machen können. Daraus folgt, dass nicht nur ein Jugendgruppenleiter, Lehrer oder Jugendpfleger im Tourismus pädagogisch verfahren kann, sondern auch ein kommerzieller Reiseleiter, der seine Kunden in entsprechender Weise »berät«. Unser Begriff des Pädagogischen ist also weniger durch die jeweils subjektiven Motive und Intentionen des Handelnden, als vielmehr durch das objektive Ergebnis seines Tuns in bezug auf den Partner definiert.
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Allgemeine Lerndefizite jugendlicher Touristen
Nun bliebe die pädagogische Betrachtung des Tourismus abstrakt, wenn sie sich lediglich auf die emanzipatorischen Tendenzen konzentrierte. Dies setzte voraus, dass die Lernleistungen unserer Jugendlichen im übrigen den Anforderungen der modernen Welt entsprächen. Niemand kann behaupten, dass dies tatsächlich der Fall sei. Unsere Erfahrungen mit dem Tourismus zeigen vielmehr, dass das Lerndefizit unserer Jugend viel grundsätzlicher ist. Nun müsste man natürlich den Begriff »Jugend« hier sehr differenzieren: es gibt starke Minderheiten, für die das folgende nicht zutrifft. Aber aufs ganze gesehen kann man sagen, dass uns der Tourismus Lerndefizite vor Augen führt, die schon ohne ihn beängstigend genug sind. Bestimmte Fähigkeiten und Fertigkeiten, die nicht nur im Tourismus, sondern überhaupt in unserem modernen Leben nötig sind, werden offensichtlich im Rahmen der organisierten Erziehung nicht oder nur ungenügend erlernt. Dadurch verschärft sich die pädagogische Problematik des Jugendtourismus erheblich. Vielfach wird nämlich der allgemeine Nachholbedarf an Lernen so groß sein, dass die eben beschriebenen emanzipatorischen Merkmale des Tourismus einstweilen noch gar nicht wahrgenommen werden können. Mit anderen Worten: Diejenigen, die im Rahmen des Tourismus ihre Arbeit pädagogisch verstehen, müssen über weite Strecken erst einmal den »Modernitätsrückstand« unserer allgemeinen Jugenderziehung aufholen, bevor sie solche Lernaufgaben in den Mittelpunkt stellen können, die spezifisch für die Situation des Tourismus sind. Genaugenommen handelt es sich allerdings nicht um ein Nacheinander. Vielmehr müssen die emanzipatorischen Merkmale des Tourismus gleichsam immer als »strategisches Ziel« vor Augen stehen, auch wenn man sie noch nicht direkt angehen kann.
Die all gemeinen Lerndefizite, die wir hier meinen, lassen sich folgendermaßen zusammenfassen:
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a) Unsere Jugendlichen lernen in der Erziehung nicht die ganze Skala der heute notwendigen sozialen Verhaltensweisen, sondern im Grunde nur die relativ intimen: Familienbeziehungen, Freundschaftsbeziehungen und Gemeinschaftsbeziehungen (Schulklasse; Jugendgruppe). Wie wir sahen, entspricht die pädagogische Gemeinschaftsideologie durchaus diesem Sachverhalt. Innerhalb des heimischen Milieus scheinen diese Verhaltensweisen zu genügen, jedenfalls fällt dieses Defizit außerhalb der touristischen Situation nicht besonders auf. Die Notwendigkeit, mit unbekannten Menschen — auch des gleichen Alters — Kontakte aufzunehmen, ergibt sich im Alltag offenbar selten. Und wo sich die Gelegenheiten dafür ergeben könnten, werden sie meist nicht genutzt. So wird der Lehrling, anstatt in den neutraleren Status des »Mitarbeiters«, vielfach wieder in den des »Sohnes« versetzt. Oder der Leiter einer Jugendherberge gibt sich nicht als Gast»wirt«, sondern als Herbergs»vater«. Der Lehrer ist kein Informant mit dem Auftrag, seine Kenntnisse optimal an die Schüler weiterzugeben, sondern ebenfalls eine Vaterfigur, die im »pädagogischen Bezug« für das »ganze Wohl« des Kindes und Jugendlichen verantwortlich ist. Die offenbar unausrottbare Tradition, alle pädagogischen Verhältnisse familienähnlich einzurichten — und nur solche als »pädagogisch« anzuerkennen, die sich das gefallen lassen —, bringt den jungen Menschen in eine merkwürdige Lage: Überall, wohin er sich wendet, begegnen ihm unter dem Anspruch »Pädagogik« usurpatorische Vaterfiguren. Im Tourismus ist das ganz anders, obwohl es manchen Pädagogen gibt, der am liebsten auch den Tourismus familienähnlich strukturieren würde. Dort aber findet man keine Freunde und keine Väter, sondern zunächst einmal fremde Menschen, mit denen man die verschiedensten Beziehungen eingehen könnte, wenn man es gelernt hätte. So ergibt sich eine große Unsicherheit, die sich die merkwürdigsten Ventile sucht: Vorurteile der verschiedensten Art gegenüber dem Gastland, gegenüber der Reiseleitung, gegenüber dem anderen Geschlecht, gegenüber den »Erfolgreichen« usw. Dass man
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nicht gelernt hat, nichtintime Kommunikationen einzugehen und auch wieder zu lösen, belastet vor allem die Beziehungen zum anderen Geschlecht. Das »Bild« der Mädchen von den Jungen und der Jungen von den Mädchen muss ja von primitiver Struktur sein, solange distanzierte erotische Beziehungen unbekannt sind.
b) Unsere junge Generation lernt praktisch überhaupt nicht, öffentliche Dienstleistungen gezielt in Anspruch zu nehmen. Wäre dies zu Hause am Beispiel des Umgangs mit Behörden wirklich gelernt, so wäre man in der touristischen Situation nicht so unfähig, einfache technische Abläufe zu planen und mit Hilfe des Service des Reiseunternehmens zu organisieren. Die oft beklagte Initiativelosigkeit jugendlicher Touristen hängt ursächlich damit zusammen; denn Intentionen hat immer nur derjenige, der sich auch Klarheit über die Mittel und Wege zur Realisierung seiner Intentionen verschaffen kann. Wem aber keine angemessenen Mittel mehr einfallen, dem fallen irgendwann auch keine Intentionen mehr ein. Die meisten Kritiker der Initiativelosigkeit halten Initiative und Spontaneität offenbar für eine unter allen Umständen isolierbare seelische Kraft. In Wahrheit sind sie immer schon eingebettet in viel allgemeinere Lernvorgänge und hängen von ihnen ab. Die Folge dieses Defizits im Rahmen des Tourismus ist nicht nur wiederum eine Steigerung der Unsicherheit mit der Folge der bekannten Fluchtreaktionen, sondern auch eine primitive, gleichsam monologische Struktur im Verhältnis zum Verkäufer der Reise: Man hat ja bezahlt, also gehen alle Probleme, die jetzt noch auftauchen, zu Lasten des Verkäufers. Die richtige Ansicht, dass nämlich Service und Beratung dialogische Kommunikationsformen mit ganz bestimmten Spielregeln und Zielen sind, kann nicht von jemand erwartet werden, der solche Regeln nie gelernt hat, der, mit anderen Worten, nie gelernt hat, überhaupt irgendein privates Ziel unter gezielter Inanspruchnahme von Dienstleistungen zu verwirklichen.
c) Noch gravierender ist vielleicht das allgemeine kulturelle Defizit. Wenn man sich einmal klarmacht, was unsere
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Volksschulabgänger tatsächlich an kulturellen Techniken und Kenntnissen gelernt haben, dann kann man sich eigentlich über keine Erscheinung im Jugendtourismus mehr wundern. Das fängt schon bei der fehlenden Fremdsprache an. Wie würde das Selbstbewusstsein eines Volksschülers wachsen, wenn er eine Fremdsprache handhaben könnte, auch wenn sie in dem Land, in das er reist, nicht offiziell gesprochen wird. Er hätte einfach mehr Mut, Sprachschwierigkeiten zu überwinden.

Aber noch bedeutsamer ist die geschichtliche Ahnungslosigkeit, mit der vor allem unsere Nicht-Oberschüler aus der Schule entlassen werden. Wir finden ja mitten in Europa die »Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen«: industriell hoch entwickelte Länder liegen neben unterentwickelten Ländern, und die letzteren sind die beliebtesten Ferienziele. Wie will man Jugendlichen, die wohl die faktische Gleichzeitigkeit, aber nicht auch die geschichtlich bedingte Ungleichzeitigkeit solcher Verhältnisse verstehen können, zur vorurteilsfreien Betrachtung des Gastlandes bringen? Handeln sie nicht durchaus »logisch«, wenn sie den Entwicklungsrückstand mit Dummheit und Faulheit der Bewohner erklären? Wie können sie sich etwa in Probleme süditalienischer Menschen versetzen ohne eine ausgeprägte geschichtliche Verständnisdimension? Kann man ihnen wirklich eine allgemeine, abstrakte und kenntnislose Menschenfreundlichkeit als Korrektur ihrer Vorurteile empfehlen? Was für das Beispiel der geschichtlichen Vorstellungskraft gilt, gilt ebenso für andere kulturelle Bereiche: von jemandem, der keine einigermaßen ausgeprägte kulturelle Vorstellungskraft hat, kann man auch im Urlaub keine »spontanen« kulturellen Interessen verlangen. Wir sehen also, dass wir uns von der Vorstellung frei machen müssen, als sei der Tourismus nur eine pädagogische Herausforderung in dem Sinne, dass zu all dem, was bisher schon in unserer Erziehung gelernt wird, nur einige spezifische Gesichtspunkte hinzukommen müßten. In Wahrheit ist es vielmehr so, dass die Lernleistungen, die für die produktive Bewältigung des Tourismus nötig sind, wichtige
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Grundsätze unserer allgemeinen Volksbildung überhaupt in Frage stellen.

Damit können wir uns hier im einzelnen nicht weiter befassen. Aber wir können daraus die allgemeine Folgerung ziehen, dass viele der pädagogischen Mängel, die wir im Tourismus entdecken, gar nicht dort entstehen, sondern sich nur besonders deutlich dort zeigen. Unsere kritischen Bemerkungen sollen auch nicht den Eindruck erwecken, als seien die pädagogischen Probleme des Tourismus in dem Augenblick gelöst, wo die beschriebenen Defizite unserer Jugenderziehung ausgeglichen würden. Aber immerhin muss es doch bei der Einsicht bleiben, dass für die meisten Jugendlichen eminent wichtige Voraussetzungen dafür fehlen, die besonderen Erlebnis- und Erfahrungsmöglichkeiten des Tourismus wahrnehmen zu können.

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QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS

Das Quellen- und Literaturverzeichnis ist nicht vollständig, sondern enthält nur diejenigen Titel, die für die pädagogischen Aspekte des Tourismus besonders wichtig sind. Publikationen, in denen sich umfangreichere bibliographische Angaben finden, sind am Schluß mit (Bibl.) gekennzeichnet.

A) Empirische Studien
1) BAUMANN, Friedegard, Urlaub in Calella. Bundesarbeitsgemeinschaft Aktion Jugendschutz, Münster o. J.
2) BECK, Peter, Urlaub auf Sizilien. Beobachtungen in einem Jugendferienlager am Mittelmeer (II). Studienkreis für Tourismus, München 1964.
3) BÖHM, Wolfgang, Zur Motivation jugendlicher Auslands-reisender. Bericht über eine empirische Studie, in: Jahrbuch für Jugendreisen und internationalen Jugendaustausch 1962, Bonn 1963, S. 111-122.
4) CLAESSENS, Dieter, DANCKWORTT, Dieter, Jugend in Gemeinschaftsdiensten. Eine soziologisch-psychologische Untersuchung über die Arbeit in den Internationalen Jugendgemeinschaftsdiensten, München 1957.
5) GARSCHAGEN, G., SIEBENHÜHNER, P., Urlaub am Ammer-see. Beobachtungen zweier Psychologen in einem deutsch-französischen Segelkurs in Oberbayern. Studienkreis für Tourismus, Starnberg 1966.
6) GAYLER, Brigitte, LANG, Claudia, Urlaub in Comillas. Studienkreis für Tourismus, München 1964.
7) KENTLER, Helmut, Urlaub auf Sizilien. Beobachtungen in einem Jugendferienlager am Mittelmeer. Studienkreis für Tourismus, München 1963.
8) KENTLER, Helmut, LEITHÄUSER, Thomas, LESSING, Hellmut, Jugend im Urlaub. Forschungsbericht. Teil I-IX. Studienkreis für Tourismus, München/Starnberg 1965/66 (Bibl.). ( gedruckt unter gleichem Titel und mit denselben Mitverfassern in 2 Bänden Weinheim 1970, H.G. 2021)I
9) Landschaftsverband Rheinland (Hrsg.), Bericht des Landesjugendamtes Rheinland über die Besichtigungen von Einrichtungen der Jugenderholungspflege 1962.
10) OPASCHOWSKI, Horst, Urlaub in Imperia. Beobachtungen eines Reiseleiters an der italienischen Riviera, Köln 1964 (Manuskript beim Studienkreis für Tourismus, Starnberg).
11) Pädagogische Experimente in jugendtouristischen Großprojekten. Berichte und Materialien. Projekt I, II und III (Manuskript beim Studienkreis für Tourismus).
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12) PERLE, Udo, Urlaub in Port Issol. Beobachtungen eines Gruppenpädagogen in einem Jugendferienlager an der französischen Riviera. Studienkreis für Tourismus, München 1961.
13) PERLE, Udo, Urlaub in Cervia. Beobachtungen eines Pädagogen in einem Jugendhotel an der italienischen Adria, in: Jahrbuch für Jugendreisen und internationalen Jugendaustausch 1963, Bonn 1964, S. 101-115.
14) POSTH, Walter, Bericht über eine Besuchsreise in 13 Frei-zeiten evangelischer Jugend, in: 3. Studienseminar über Freizeiten. Protokoll der ev. Jugendakademie Radevormwald 1964, S. 5-10.
15) RIEMANN, Christa, SCHNEIDER, Annerose, WILLENBORG, Gertrud, Junge Schiurlauber in den Dolomiten. Eine gruppensoziologische Studie, in: Jahrbuch für Jugendreisen und internationalen Jugendaustausch 1963, Bonn 1964, S. 127-160.
16) SCHÖN, Konrad, Urlaub auf Mallorca. Beobachtungen eines Pädagogen in einem Jugendferiendorf am Mittelmeer, in: Jahrbuch für Jugendreisen und internationalen Jugendaus-tausch 1963, Bonn 1964, S. 87-99.
17) SCHOLZ, Gotthard, Junge Urlauber unter Erwachsenen. Eine Umfrage in sieben Sonderzügen eines Reiseunternehmens, München 1962 (Manuskript beim Studienkreis für Tourismus, Starnberg).
18) SCHRICKER, Otto, Beobachtungen in acht Ferienmaßnahmen katholischer Jugendferienwerke Sommer 1965. Bundesarbeitsgemeinschaft Katholisches Jugendferienwerk, Düsseldorf o. J. (1966).

B) Sonstige Literatur

19) BAUMANN, Robert, Der Jugendtourismus. Seine Institutionen und Organisationen. Unter besonderer Berücksichtigung schweizerischer Verhältnisse, Winterthur 1964 (Bibl.).
20) BECKER, Walter, Jugendurlaub — Jugendreisen — Jugendwandern, in: Die deutsche Berufs- und Fachschule, H. 4/ 1961, S. 326-331.
21) BREZINKA, Wolfgang, Erziehung durch das Wandern, in: Sammlung, 1957, S. 98-111.
22) COUCHOUD, Eitel-Victor, Wandlungen der Motive im deutsch-französischen Personenaustausch seit Kriegsende, in: Jahrbuch für Jugendreisen und internationalen Jugendaustausch 1962, Bonn 1963, S. 152-164.
23) DANCKWORTT, Dieter, Internationaler Jugendaustausch. Programm und Wirklichkeit, München 1959.
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24) DANCKWORTT, Dieter, Führt internationaler Austausch zur Verständigung? in: deutsche Jugend, H. 11/1958, S. 495 ff.
25) GANTNER, Hans, Aktive Jugenderholung in den Sommerlagern, in: deutsche Jugend, H. 5/1962, S. 222-226.
26) GIESECKE, Hermann, Ist Jugendtourismus pädagogisierbar? in: deutsche Jugend, H. 3/1964, S. 109-114.
27) GIESECKE, Hermann, Tourismus als neues Problem der Erziehungswissenschaft, in: Heinz Hahn (Hrsg.), Jugendtourismus, München 1965.
28) GIESECKE, Hermann, Jugendtourismus und Pädagogik, in: Jahrbuch für Jugendreisen und internationalen Jugendaus-tausch 1964, Bonn 1965, S. 131-140.
29) GÖTZ, Karl, 50 Jahre Jugendwandern und Jugendherbergen 1909-1959. Deutsches Jugendherbergswerk, Detmold 1959.
30) GRASSL, Anton, Der Wanderer zwischen gestern und mor-gen. 50 Jahre Deutsches Jugendherbergswerk, in: deutsche Jugend, H. 5/1959, S. 205-210.
31 GRASSL, Anton, Der motorisierte Wanderer, in: deutsche Jugend, H. 4/1955, S. 161-167.
32) GRASSL, Anton, Anpassung und Widerstand im Jugendher-bergswerk, in: deutsche jugend, H. 5/1962, S. 217-221.
33) GRASSL, Anton, Jugendtourismus: Zeitgeschichtliche Beobachtungen, in: Heinz Hahn (Hrsg.), Jugendtourismus, München 1965, S. 33-40.
34) GREINERT, Horst, Jugendreisen heute, in: deutsche jugend, H. 3/1964, S. 115-120.
35) HAHN, Heinz, Kann Jugendarbeit Vorurteile überwinden? in: deutsche jugend, H. 9/1959, S. 412-417.
36) HAHN, Heinz, Die Entwicklung des Jugendtourismus, in: deutsche jugend, H. 3/1963, S. 109-117.
37) HAHN, Heinz, Die Ausbildung von Jugendferienleitern, in: deutsche jugend, H. 8/1963, S. 348-350.
38) HAHN, Heinz, Ferienwerke und Reisedienste für junge Leute, in: Heinz Hahn (Hrsg.), Jugendtourismus, München 1965, S. 41-53.
39) HAHN, Heinz, (Hrsg.), Jugendtourismus. Beiträge zur Diskussion über Jugenderholung und Jugendreisen, München 1965 (Bibl.).
40) HAHN, Heinz, Ausbildungskurse für Jugendreiseleiter, in: Seminar für Jugendurlaubsleitung. Tagungsbericht. Evangelische Jugendakademie, Radevormwald 1966, S. 35-42.
41) HAHN, Heinz, Methoden der Ausbildung von Jugendreiseleitern, in: Heinz Hahn (Leitung), Internationaler Jugend-tourismus. Bericht über ein Seminar des Europarats vom
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22.-30. Juni 1966 in München. Studienkreis für Tourismus, Starnberg 1966, S. 55-64.
42) HAHN, Heinz (Leitung), Internationaler Jugendtourismus. Bericht über ein Seminar des Europarats vom 22.-30. Juni 1966 in München. Studienkreis für Tourismus, Starnberg 1966.
43) HASENCLEVER, Christa, Kinder- und Jugenderholung, in: Heinz Hahn (Hrsg.), Jugendtourismus, München 1965, S. 13-32.
44) HECKER, Bernd, Jugendherbergen als Stätten internationaler Jugendbegegnung, in: Jahrbuch für Jugendreisen und internationalen Jugendaustausch 1964, Bonn 1965, S. 77 bis 83.
45) HECKER, Bernd, Internationale Jugendbegegnung und Jugendaustausch im Bundesjugendplan, in: Jahrbuch für Jugendreisen und internationalen Jugendaustausch 1964, Bonn 1965, S. 41-46.
46) JEAN, Robert, Methoden der »aktiven« Erziehung in Ferienzentren. Ein Bericht aus Frankreich, in: deutsche jugend, H. 3/1964, S. 121-130.
47) KENTLER, Helmut, Urlaub als Subkultur, in: Heinz Hahn (Hrsg.), Jugendtourismus, München 1965, S. 73-86.
48) KENTLER, Helmut, Urlaub als Auszug aus dem Alltag, in: Heinz Hahn (Hrsg.), Jugendtourismus, München 1965, S. 63-72.
49) KLATT, Fritz, Freizeitgestaltung. Grundsätze und Erfahrungen zur Erziehung des berufsgebundenen Menschen, Stuttgart 1929.
50) KLEIN, Wolfram, Zur Situation des Reiseleiterberufs in Deutschland. Die ersten Ergebnisse einer berufssoziologischen Untersuchung. »Der Fremdenverkehr«, H. 3/1966.
51) KNEBEL, Hans Joachim, Soziologische Strukturwandlungen im modernen Tourismus, Stuttgart 1960 (Bibl.).
52) KÖNIGSFELD, Hermann, Jugendtourismus und Jugendaustausch, in: Jahrbuch für Jugendreisen und internationalen Jugendaustausch 1964, Bonn 1965, S. 33-39.
53) MAASCH, Hans, Reiseleiter haben's schwer, Bonn 1963.
54) MÖNIG, Hans, Neue Formen des Jugendurlaubs, in: Bundesarbeitsstelle Aktion Jugendschutz (Hrsg.), Jugendschutz heute und morgen, Hamm 1961, S. 61-64.
55) MÜNKER, Wilhelm, Geschichte des Jugendherbergswerkes von 1933 bis 1945, Bielefeld 1946.
56) OTT, Hanns, Internationale Jugendarbeit — Aufgaben und Programme, in: Jahrbuch für Jugendreisen und internatio-nalen Jugendaustausch 1964, Bonn 1965, S. 57-70.
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57) OTT, Hanns, Die Chancen für ein europäisches Jugendwerk, in: Jahrbuch für Jugendreisen und internationalen Jugend-austausch 1964, Bonn 1965, S. 13-26.
58) PERLE, Udo, Jugendtourismus: Eindrücke und Fragen, in: deutsche Jugend, H. 9/1962, S. 406-412.
59) PERLE, Udo, Jugendtourismus als pädagogische Aufgabe, in: deutsche Jugend, H. 3/1963, S. 125-131.
60) PERLE, Udo, Pädagogische Aspekte des Jugendurlaubs, in: Unsere Jugend, H. 7/1964.
61) PERLE, Udo, Praxisberatung für Jugendreiseleiter? in: deutsche Jugend, H. 11/1964, S. 506-511.
62) PERLE, Udo, Der Jugendurlaub: eine neue pädagogische Aufgabe, in: Heinz Hahn (Hrsg.), Jugendtourismus, München 1965, S. 123-136.
63) PERLE, Udo, Kurse für Mitarbeiter im Jugendurlaub, in: deutsche Jugend, H. 9/1965, S. 415-421.
64) PERLE, Udo, Das Teamprinzip in der Erziehungs- und Sozialarbeit, in: Unsere Jugend, H. 9/1966.
65) RAUSCHERT, Klaus, Die deutsch-französische Zusammenarbeit in der Moniteurausbildung, in: deutsche jugend, H. 3/1964, S. 131-136.
66) ROHRS, Hermann, Vom Sinn des Reisens, in: Sammlung, 1955, S. 382-394.
67) SCHADE, Burkhard, Erleben und Verhalten junger Auslandsreisender, in: Heinz Hahn (Hrsg.), Jugendtourismus, München 1965, S. 87-101.
68) STENZEL, Arnold, Die anthropologische Funktion des Wanderns und ihre pädagogische Bedeutung, in: Erziehung und Leben. Vier Beiträge zur pädagogischen Bewegung des frühen zwanzigsten Jahrhunderts, Heidelberg 1960, S. 96-130.
69) STRATMANN, Karl, Freizeit-Ferien-Erholung. Zur Aufgabe der Jugenderholungsheime, in: Die Heimstatt, H. 1/2/1958, S. 27-34.
70) SVOBODA, Robert, Der moderne Tourismus als Problem des Jugendschutzes, in: Bundesarbeitsstelle Aktion Jugend-schutz (Hrsg.), Jugendschutz heute und morgen, Hamm 1961, S. 52-60.
71) SVOBODA, Robert, Probleme des Jugendschutzes im Touris-mus, in: Heinz Hahn (Hrsg.), Jugendtourismus, München 1965, S. 153-162.
72) VERVOORT, Pieter, Reiseleiterfibel, Düsseldorf 1963.
73) WAGNER, Friedrich A., Studentischer Tourismus heute, in: Heinz Hahn (Hrsg.), Jugendtourismus, München 1965, S. 55-62.
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74) WEBER, Erich, Das Freizeitproblem. Anthropologisch-pädagogische Untersuchung, München-Basel 1963 (Bibl.).
75) WEBER, Willi, Jugendtourismus heute, in: Heinz Hahn (Hrsg.), Jugendtourismus, München 1965, S. 137-152.
76) WITTIG, Horst E., Schule und Freizeit. Ein Beitrag zum pädagogischen Problem der Jugendkulturhilfe. Wirtschaft und Schule, Bd. 9, Bad Harzburg 1964 (Bibl.).
77) ZIELINSKI, Johannes, Freizeit und Erziehung. Zur Theorie und Praxis einer erzieherischen Gestaltung des Freizeitlebens.
78) ZILIEN, Erich, Auf Reisen mit jungen Leuten. Ein Ratgeber für Jugendreiseleiter, Düsseldorf 1964.

C) Vorschlag für eine Handbibliothek in Ausbildungskursen
a) Freizeit — Tourismus — Internationale Begegnung
Hans Magnus ENZENSBERGER, Einzelheiten I (darin: Eine Theorie des Tourismus), edition suhrkamp Nr. 63. Die im Literaturverzeichnis aufgeführten Bände 23; 39; 51. Willy STRZELEWICZ, Jugend in ihrer freien Zeit, Juventa Verlag München.
Fortunat WEIGEL, Die Auslandsfahrt, Juventa Verlag, München. Fahrtenführer durch Europa: England, Frankreich, Schweden, Juventa Verlag München.
Anitra KARSTEN, Vorstellungen von jungen Deutschen über andere Völker, Schriftenreihe der Stiftung für internationale Länderkenntnis der Jugend, H. 1.
Dieter DANCKWORTT, Erziehung zur internationalen Verständigung, Juventa Verlag München.
Die einschlägigen Studien und Monographien des Studienkreises für Tourismus, Starnberg: Literatur-Verzeichnis Nr. 2; 5; 7; 8; 10-12.
b) Jugendkunde — Jugendpädagogik — Jugendarbeit
Friedrich H. TENBRUCK, Jugend und Gesellschaft, Rombach-Verlag Freiburg.
Ludwig VON FRIEDEBURG, Jugend in der modernen Gesellschaft, Kiepenheuer & Witsch Verlag Köln-Berlin. Gerhard WURZBACHER, Gesellungsformen der Jugend, Juventa Verlag München.
Helmut KENTLER, Jugendarbeit in der Industriewelt, Juventa Verlag München.
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